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  #1  
Alt 19.09.2012, 01:39
Mellanie Mellanie ist offline
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Standard Wir sehen uns wieder in deinem Paradies

Das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen seiner Mitmenschen.
(Albert Schweitzer)

Hallo ihr Lieben,

am 26. Mai des letzten Jahres ist mein Oliver nach einem schweren Kampf an Leukämie verstorben. Mein kleiner Krümel durfte nur 18 Jahre alt werden.

Seitdem steht die Welt für mich in vielen Momenten einfach nur noch still. Er fehlt mir jede Sekunde so unglaublich. Der Schmerz, die Trauer, sie ist oft so unerträglich, dass ich mich selber oft Frage, ob alles überhaupt noch einen Sinn hat. Es heißt immer, die Zeit heilt alle Wunden...man lernt oder besser gesagt versucht, damit umzugehen. Es gibt Momente, da kann ich mich mit einem Lächeln an ihn zurück erinnern, was er für ein toller Junge war. Aber diese Situationen sind noch sehr sehr selten. Ich habe noch nicht den richtigen Weg gefunden, um mit der Trauer sinnvoll umzugehen. Alles was ich mache ist, verdrängen. Verdrängen, verdrängen, verdrängen...und wenn es für den Moment dadurch besser zu werden scheint, so kommt nach einiger Zeit alles mit voller Gewalt zurück.

In der schweren Zeit während Olivers Erkrankung und nach seinem Tod, haben mir auch die Menschen hier im Forum und besonders im Chat sehr geholfen und mir beigestanden. Ich möchte versuchen, auch hier die Trauer aufzuarbeiten, dass ich in Zukunft mehr mit einem Lächeln, als mit Tränen an ihn zurück denken kann.

Liebe Grüße
__________________
Das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen seiner Mitmenschen.
(Albert Schweitzer)
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  #2  
Alt 19.09.2012, 15:05
Mellanie Mellanie ist offline
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Ort: Kongeriket Norge
Beiträge: 37
Standard AW: Wir sehen uns wieder in deinem Paradies

Heute Morgen war es wie ein Deja-vu.
Ich sahs mit deinen kleinen Geschwistern am Küchentisch. Alles war etwas hektisch, wie es bei uns schon immer war, wenn ihr zur Schule müsst.
Ich hatte vor Augen, wie du jetzt da sitzen würdest, mit dem Kopf auf dem Tisch liegend versuchst, noch ein paar Sekunden Schlaf nachzuholen. Wie ich oft hinter dich getreten bin, dir den Nacken massiert habe und meinte, dass du bitte noch etwas essen sollst. Jeden Morgen das gleiche, eine Tasse Kaffee und ein Brot mit deinem Lieblingskäse. Wie du danach immer in Windeseile durchs Haus gestürmt bist, deine Schulsachen zusammengesucht hast, geschaut hast, ob deine Mütze richtig sitzt. Im Anschluss bist du dann meist noch mit tausendsachen in der Hand zur Straßenbahn raus gestürmt. Genau das hatte ich heute vor Augen, nur dass du nicht da warst, aber wahrscheinlich von oben mit deinem verschmitzen Lächeln gescahut hast, wie verrückt deine alte Mama da schaut.
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(Albert Schweitzer)
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  #3  
Alt 19.09.2012, 16:26
El_Desparecido El_Desparecido ist offline
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Beiträge: 80
Standard AW: Wir sehen uns wieder in deinem Paradies

Liebe Mellanie,

mein Bruder starb vor neun Jahren bei einem Motoradunfall.
Damals hatte ich große Befürchtungen, dass meine Familie komplett daran zerbrechen würde. Wir haben es geschafft, sogar besser als ich damals zu hoffen gewagt habe.

Meine Erfahrungen mit der Trauerarbeit sind natürlich sehr subjektiv und nur auf mich und meine Familie zutreffend. Vielleicht kannst du dennoch das eine oder andere für dich annehmen und verwenden.

Die Zeit heilt alle Wunden.

Ich wünschte es wäre so. Ist es aber nicht.
Die Wunde des Verlustes ist immer noch ein Teil von mir. Und zwar ein sehr prägender Teil von mir. Sie hat sich nicht geschlossen, ich habe gelernt mit ihr zu leben, mit dem Schmerz zu leben.
Der Schmerz und ich, wir haben uns miteinander arrangiert.
Und kommen mittlerweile gut miteinander aus.
Die Zeit heilt nicht, aber lindert.

Hinter dieser fragwürdigen Weisheit steckt oft die Empfehlung von oftmals Aussenstehenden, dass irgendwann das Leben weiter gehen müsse. Die Zeit der Trauer nun vorbei sein müsse und man wieder richtig am Leben teilnehmen müsse.
Gib nichts auf solche Empfehlungen. Niemand kann nachempfinden, was du durchmachst, wie schwer der Verlust wiegt. Niemand außer jemandem, der eine ähnliche Situation durchlebt hat.
Meiner Meinung nach hört man nie auf zu trauern. Aber auch die Trauer verändert sich mit der Zeit.
Meine Eltern haben sich dem Verein verwaister Eltern angeschlossen. Die regelmäßigen Treffen und Gespräche mit Menschen mit ähnlichen Erfahrungshorizonten haben ihnen sehr geholfen.
Ich weiß nicht, ob es in Norwegen ähnliches gibt.

Auch bei ihren täglichen Besuchen am Grab meines Bruders haben meine Eltern Menschen kennengelernt, mit denen sie sich sehr intensiv über das Thema Tod, Verlust und Trauer austauschen konnten. Aus einigen dieser Kontakte entstanden sehr tiefe Freundschaften, die bis heute halten und meiner Mutter jetzt sehr viel Halt geben.

Verdrängung gehört zu jeder Trauer dazu.
Würden wir den Schmerz nicht die meiste Zeit verdrängen, würde man verrückt werden, fürchte ich.
Wichtig ist meiner Erfahrung nach, dass man die Trauer immer wieder zulässt, sich ihr mit weit geöffneten Armen entgegenwirft.
Verdrängung setzt dann automatisch wieder ein, bis zur nächsten Attacke der Trauer. Im Laufe der Jahre wird auch die Trauer erträglich und weicht schliesslich zumindest zum Teil den schönen Erinnerungen.

Gib den Erinnerungen an deinen Sohn Raum. Auch wenn sie jetzt schmerzen.
Lass ihn weiterhin Teil eurer Familie sein.
Meine Mutter zündet jeden Morgen eine Kerze am Frühstückstisch an, dort wo er früher immer saß. Das hat ihr sehr geholfen.

Ich wünsche dir ganz viel Kraft.


Carlos
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  #4  
Alt 20.09.2012, 19:07
Benutzerbild von HeikesFreundin
HeikesFreundin HeikesFreundin ist offline
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Ort: Lüneburg
Beiträge: 918
Standard AW: Wir sehen uns wieder in deinem Paradies

Hallo Mellanie,

den Worten von Carlos möchte ich mich anschließen.

1 1/2 Jahre sind NICHTS für das Verheilen solch einer großen Wunde und das Erträglichwerden
eines solch unfassbar tiefen Schmerzes ...

Gib Dir selber Zeit, versuche lediglich nicht fokussiert
in die Negativschleife zu geraten. Der Weg von Oliver hier auf der Erde ist zu ende, aber nicht der Deine -
und ich wünsche Dir dass Du einen Weg für Dich findest.

Nimm die Trauer an, denn DU hast allen Grund, traurig zu sein

Rituale helfen oft dabei, die Trauer ein klein wenig zu steuern.

Vielleicht zündest Du abends eine Kerze an, wenn die anderen im Bett sind
und gönnst Dir selbst eine halbe Stunde "Trauer-Aufmerksamkeit"?

Fühl Dich gedrückt und ganz viel Kraft für Dich und die Menschen um Dich herum,

Angie
__________________
... meine Freundin Heike ist am 24. Mai 2010 mit 48 J ganz friedlich für immer eingeschlafen ...

... meine liebe Freundin Lilli44 - auch Du hast für immer Deinen Platz in meinem Herzen ...


... I`ll see you when the sun sets!!!
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