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  #1  
Alt 05.12.2005, 02:09
Marc Marc ist offline
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Registriert seit: 05.12.2005
Beiträge: 1
Standard Will nicht mehr weglaufen!

Hallo zusammen,

heute ist mir aufgefallen, dass ich seit Jahren vor der Krankheit (Brustkrebs, 1 Jahr später Darmkrebs) meiner Mutter (50 Jahre) davonlaufe. Habe Ihr zwar zugehört, als Sie darüber sprechen wollte bin aber selten aktiv auf Sie zugegangen. Habe Sie mit Ihren Ängsten und Gefühlen allein gelassen und wollte nicht wahrhaben, dass meine "starke Mutter" Krebs hat. Wollte nie etwas genaueres über den Krebs erfahren. Telefonate haben mich oft nur genervt und ich war fast sauer, dass Sie mich angerufen hat. Ich war sauer, dass Sie an meinem Leben teilhaben wollte, dass Sie den Kontakt zu Ihrem jüngsten Sohn (29 Jahre) gesucht hat. Habe immer versucht mit Geschenken den fehlenden Kontakt auszugleichen. Vor meinem Gewissen habe ich auch immer schöne Ausreden gefunden, die meine mangelnde Zuneigung oder Hilfe gerechtfertigt haben.
Vor 1 Woche war ich wieder in einem Hotel und hatte ein längeres Telefonat mit meiner Mutter. In dem Gespräch wollte ich endlich mehr über den Krebs und Ihre Gefühle erfahren. Zudem habe ich erfahren, dass bei meiner Mutter Metastasen gefunden worden sind und sie jetzt wieder in Behandlung ist. Wieder hatte ich Angst und wollte weglaufen. 3 Tage später bin ich vor meinen Teilnehmern zusammengebrochen und wurde von meinem Arzt 2 Wochen Krankgeschrieben. Mein Job und das weglaufen haben mich ausgebrannt. Knapp 4 Jahre konnte ich ohne Urlaub und Krankheit arbeiten und bin durch die Weltgeschichte geflogen. Nun komme ich zwangsweise zum Nachdenken und stelle fest, dass die Angst meine Mutter zu verlieren mich doch eingeholt hat. Die Wucht des Aufpralls habe ich leider unterschätzt.
Nun sehe ich in vielen Dingen klarer und möchte nicht weiter weglaufen sondern auch meiner Mutter zur Seite stehen und meiner Rolle als Sohn gerecht werden.

Fühle mich leider sehr Hilflos und habe keine Ahnung wie ich meiner Mutter am besten helfen kann.

Freue mich sehr über einen Erfahrungsaustausch mit Euch.

Liebe Grüße Marc
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  #2  
Alt 05.12.2005, 09:31
Benutzerbild von Anja283
Anja283 Anja283 ist offline
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Registriert seit: 17.08.2005
Ort: Dresden
Beiträge: 72
Standard AW: Will nicht mehr weglaufen!

Hallo Marc,
Deine Zeilen regen sehr zum Nachdenken an und gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit kommen sicher sehr vielen Söhnen und Töchtern solche Gedanken.
Ich kann meiner Mama leider nicht mehr beistehen, denn sie ist nach 17 Monaten Krankheit leider verstorben.
Es ist schön, das Du den Mut gefunden hast, Dich nun direkt mit der Krankheit Deiner Ma auseinanderzusetzen. Und ich denke es ist schon mal ein guter Anfang, das Du hier im Forum um Hilfe bittest.
Mir ging es damals, als wir die Diagnose erhielten auch so, das ich nicht wusste wie ich mich verhalten soll. Habe hier sehr viel Hilfe gefunden.

Wie kannst Du Deiner Mama helfen? Wenn ich Du wäre, würde ich Deinen Text ausdrucken und ihn Deiner Ma zeigen..... ich glaube sie versteht genau wie Du Dich fühlst. Auch das Du "genervt" warst. Diese Zeilen..... das bist Du! Jetzt bist Du zur Einsicht gekommen und sie wird dir nicht böse sein. Ich denke das wäre ein guter Anfang um Euch wieder näher zu kommen.

Ich habe hier die Erfahrung gesammelt, das Zuhören dem Betroffenen viel mehr gibt als ständige gutgemeinte Ratschläge. Meine Ma hat versucht, über ihre Krankheit zu sprechen und rannte genau gegen die gleichen Wände. Ich war die einzige, der sie sich anvertraut hat, weil ich ihr wirklich "zuhörte". Trotzdem habe ich manchmal immer noch das Gefühl nicht genug getan zu haben und würde sonstwas darum geben, meine Mama noch bei mir zu haben.

Marc, ich weis nicht ob ich Dir helfen konnte. Sicher bekommst Du hier noch viel Post. Aber klar ist, wenn Du offen und ehrlich mit Deiner Ma über Deine Angst sprichst... sie wird dich verstehen.
Viel Glück und alles Gute für Euch.
LG von
Anja
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  #3  
Alt 05.12.2005, 11:09
Benutzerbild von Kerstin63
Kerstin63 Kerstin63 ist offline
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Registriert seit: 30.10.2002
Ort: Norddeutschland
Beiträge: 155
Standard AW: Will nicht mehr weglaufen!

Hallo Marc,

vielleicht kannst Du einen Weg finden, Deiner Mutter genau das zu sagen oder zu zeigen, was Du hier geschrieben hast. Wie es bisher für Dich war, wie es jetzt ist. Wenn Du es nicht persönlich aussprechen kannst, dann fällt schreiben vielleicht leichter. Der einzige Mensch, der dir wirklich sagen kann was für deine Mutter hilfreich wäre, ist sie nun mal selbst.....

Wenn Du für Dich selbst eine Annäherung an die Krankheit suchst, dann kannst Du vielleicht Bücher zum Thema lesen. Je mehr man über die Krankheit und auch über die Gefühle von Betroffenen erfährt (durch Bücher, Gespräche, solche Foren wie den KK) umso weniger läuft man vor dem ganzen Thema davon. Man sieht, dass es anderen Angehörigen vielleicht ebenso geht: alle müssen (anfangs?) mit der Unsicherheit und Hilflosigkeit kämpfen, man will was TUN und weiss nicht was.

Es hilft deiner Mutter bestimmt schon enorm, wenn sie nur weiss dass Du (jetzt?) für sie da bist.

Alles Gute
Kerstin
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  #4  
Alt 05.12.2005, 11:14
kruemelbunny kruemelbunny ist offline
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Registriert seit: 29.11.2005
Beiträge: 8
Standard AW: Will nicht mehr weglaufen!

Hallo Marc,

ich habe gerade deinen Beitrag gelesen und fühlte mich sofort um 5 Jahre zurückversetzt. Die Krebserkrankung meiner Mutter hat mich auch von den Füßen gerissen. Egal wie alt man wird - für Eltern gehört es sich einfach nicht, zu sterben ! Egal wie selbständig man bereits ist - Eltern sind immer stark und präsent. Und dann erlebt man diese Eltern plötzlich schwach und krank und sich selbst so völlig hilflos. Das ist für niemanden einfach. Der eine versucht, sich davor zu drücken, der andere liest sich so sehr in die Materie ein, dass er fast einen Doktortitel machen kann, aber letztendlich sollten wir einfach für den Betroffenen da sein.

Ich mache mir heute noch den Vorwurf, dass ich über manche Punkte mit meiner Mutter nicht sprechen konnte (obwohl wir oft geredet haben). Dass ich sie vielleicht mit ihren Ängsten alleine gelassen habe. Ich weiß, dass sie das verstanden hat, aber dennoch hätte ich ihr da vielleicht eine Stütze sein können. Aber wer spricht schon gerne über den Tod und das Sterben ? Die Hoffnung stirbt immer zuletzt.

Marc, was ich eigentlich meine ist:
Sei da für Sie.
Biete ihr ein offenes Ohr.
Nimm sie in den Arm.
Lache mit ihr.
Weine mit ihr.
Verstell dich nicht.
Mache ihr Hoffnung - Brustkrebs kann geheilt werden - aber lüge sie nicht an.
Erzähle ihr von deinen Ängsten.
Gib ihr Kraft durch deine Liebe.
Jede Minute mit ihr wird euch beiden helfen.

Ich wünsche dir ganz viel Kraft auf diesem schwierigen Weg.

P.S.: Leider hat es jetzt nach 5 Jahren auch meinen Vater "erwischt". Ich hoffe, dass ich ihm eine Stütze sein kann, auch wenn ich auch heute noch gerne mal davonrennen würde. Aber das löst leider die Krankheit nicht auf.

Liebe Grüße

Andrea
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  #5  
Alt 08.12.2005, 09:39
AndreaM AndreaM ist offline
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Registriert seit: 12.09.2005
Beiträge: 201
Standard AW: Will nicht mehr weglaufen!

Lieber Marc,

hilflos - ja, das ist man als Angehöriger immer. Aber ich denke, es wird Deiner Mutter viel bedeuten, wenn Du jetzt einfach ihre Nähe suchst, und diese auch ganz bewusst zulässt. Du hast den Abstand gebraucht, daher hast Du ihn Dir genommen. Jetzt bist Du offensichtlich bereit für mehr Nähe, "mehr Familie".

Kinder gehen immer irgendwann auf Distanz zu ihren Eltern um sich selbst zu finden - diesen Abstand brauchen auch die Eltern um loszulassen. Irgendwann kann man dann zurückfinden in die Nähe der Familie, wo jeder am Leben des anderen teilhaben kann, ohne dass man sich gegenseitig einschränkt.

Redet einfach miteinander - alles andere wird sich finden.

Ganz liebe Grüße
Noch eine Andrea
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  #6  
Alt 09.12.2005, 21:43
purzel purzel ist offline
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Registriert seit: 30.11.2005
Beiträge: 20
Standard AW: Will nicht mehr weglaufen!

hi marc,

dein beitrag und die antworten meiner "vorschreiberinnen" haben mich sehr berührt. auf alle fälle mußt du dir keine vorwürfe machen, dass du "weggelaufen" bist!!! jetzt bist du da und - ganz wichtig - es ist noch nicht zu spät! nach meiner erfahrung verzeihen eltern ihren kindern immer und alles ... und verstehen unendlich viel ... oft auch ohne das es ausgesprochen wird. wenn man darüber sprechen kann, ist es sicher noch besser. aber auch sonst ist "dasein" einfach schon eine menge wert. und ich bin mir sicher, dass du deiner mutsch einfach dadurch helfen kannst. besuche sie, redet - über was auch immer -, erzähle ihr von DIR... meinen eltern ist es immer ganz wichtig zu hören, dass es mir gut geht. dass mein leben seinen "normalen" gang nimmt.
ich bin meinen eltern in diesem jahr näher gekommen als jemals zuvor und wir haben eine nähe gefunden, die auch mir sehr gut tut. auch wenn auch wir trotzdem vieles noch nicht thematisieren. vielleicht kommt das noch. wenn nicht, bin ich aber auf alle fälle froh, dass wir diese zeit hatten. solange man noch lebt, ist es nie zu spät!

ich bin mir ganz sicher, dass deine mutter dir keine vorwürfe macht... also mach auch du sie dir nicht. sei einfach jetzt da... alles andere wird sich ergeben. es gibt sicher kein pauschalurteil, wie man jemandem mit dieser krankheit am besten helfen kann. der eine möchte reden, der andere lieber abgelenkt werden, der eine möchte weinen, der andere verdrängt lieber mit bitterer ironie... hier hat wohl jeder und jede familie ihre eigene "vorgehensweise".... ich denke, das einzige auf das es ankommt ist, dass jeder weiss das man (jetzt) für den anderen da ist ... immer ... egal was vorher war.....

ich wünsche dir ganz viel kraft und bin mir ganz sicher, dass deine mutsch sich freuen würde, könnte sie deine zeilen hier lesen !!

purzel
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