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Alt 30.05.2004, 01:39
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Standard Bye bye Dad, I love you .... Alfred 16.2.1972

Darling Daddy

Der Brief von gestern schlug fehl .....

Die letzten Tage waren genau die welche du so gerne gehabt hättest, lieber Besuch um dich herum viel Kultur, Musik und Natur mit einem guten einfachen Essen und einem Gläschen Rotwein gemischt und schöne Gespräche und viel Spontanität und mit offenen Augen durch die Welt gehend. Du bist in Gedanken so nah und doch weit entfernt, du fehlst einfach überall. Fehlen tun nur noch deine Söhne und meine Brüder, von denen ich leider auch nichts mehr gehört habe. Ist schon komisch, als diese Woche eine Adresse im Netz gesucht werden musste für Onkel J. kamen plötzlich Links zu einem Namen der uns äusserst bekannt war, ja es war Pete. Die erste Spur seit Jahren, nun weiss ich wenigstens wie er heute aussieht, habe ich ihn doch seit 12 Jahren nicht mehr gesehen, ausser im Fernsehen! Es tut weh ihn zu sehen und nicht mit ihm zu sprechen. Wird eines der nächsten Schritte sein – die Brücke zu schlagen.

Mein liebster Onkel, seine Frau und meine Tante waren hier, nach 5 Jahren das erste mal wieder ein Treffen und doch mit einem sehr traurigen schweren Stern behangen. Sie waren sehr geschockt ab dem schlechten Zustand von Mami und Willy. Realisierten erst jetzt richtig was die letzten Jahre für uns waren und was es heisst mit Gehwagen zu gehen und abhängig zu sein. Es war die Rede ob für Mami das Altersheim nicht besser wäre – vergassen aber, dass sie geistig noch voll da ist und sie erst 70 ist. Heisst das wenn man nicht mehr gehen kann, dass man ins APH muss? Offensichtlich schon, es schmerzt enorm dieser Versuch ihr die letzte Selbständigkeit zu nehmen.

Seit der Diagnose hatten wir keine Chance mehr unsere geliebte Patin von Marc die Nonne im Kloster Wurmsbach ist besuchen zu können – sie selber kann nicht kommen und ist auch schwer krank. Diese Woche genossen wir es ein Chauffeur zu haben mit dem wir die lange Sehnsucht nach ihr stillen konnten und endlich auch wieder in der Gemeinschaft beten konnten. Wir wissen dass wir täglich in ihren Gebeten eingeschlossen sind und doch ist die Nähe dort so lebenswichtig - wie ein Lebenselixier. Marc hatte das Glück sie im Sommer 2003 zu sehen, als er sich freiwillig für Aufräumarbeiten meldete nach dem sie so enorme Sturmschäden hatten.

Nach unserer Ankunft gingen wir auf Spurensuche, zum Grab des Paters in dessen Nähe auch unsere Domino liegt. Nach dem Mittagessen und Spaziergang kehrten wir im Mediationsraum der Kirche in uns ein und beteten für alle unsere so lieb gewonnen Freunde (u.a. sehr viele vom KK) und Verwandten, welche unter uns sind und diejenigen die wir in den letzten Jahren leider verloren hatten. Für jeden einzelne wurde eine Kerze angezündet und eine grosse Gemeinschaftskerze für alle im KK. Im Wissen, dass wir hier her kommen haben wir eine lange Liste erstellt und sie in der Kirche beim Anzünden der Kerzen hinterlegt. Welche Ehre wurde uns zuteil, dass die Kerzen alle zuvor noch gesegnet wurden. Und welche Zufall war es, dass es unser Trauspruch noch war. Wenn das nicht ein gutes Zeichen sein sollte?

Im warmen Licht der vielen, vielen Kerzen, wie eine warme Flut durchdrang es den Raum, gestützt vom Sonnenlicht sassen wir lange dort und dachten an unsere lieben. So ein Erlebnis hatte auch die Gemeinschaft nur sehr selten.

Segnungsspruch war
„Sorge im Herzen berückt den Menschen; aber ein freundliches Wort erfreut ihn.“
Sprüche 12, 25.

Der Abschied als sie wieder heim gingen war äusserst schwer, wissen wir doch alle sehr wohl um die Tatsache, dass es wahrscheinlich kein Wiedersehen mehr geben wird. Das scheibchen-weise Abschiednehmen müssen ist die Hölle. Es zerreisst schier das Herz und schmerzt so enorm und doch keimt die Hoffnung auf eine gemeine Zukunft und auf ein Übermorgen, denn ohne diese Hoffnung wäre alles verloren. Es sind Gedanken die zeitgleich eine tiefe Trauer und eine unwahrscheinliche Verzweifelung auslösen und Abschiednehmen bedeutet, viel-leicht auch sehr realistisches Denken darstellt und zeitgleich will man es nicht wahrhaben und doch nicht aufgeben und findet seine innere Ruhe wieder. So paradox! Auf alle Fälle war der Besuch im Kloster und den von unseren Lieben ein Kraftschub sondergleichen.

Mami schickte uns mit ihnen gemeinsam die Tutenkhamun-Ausstellung besuchen. Endlich nach langer Enthaltsamkeit wieder Kultur pur, wir zogen es in uns rein wie eine Vitaminbombe von deren Kraft wir noch lange zerren werden. Auch die Kirchenbesuche und Spaziergänge mit ihnen verbunden mit innigen Gesprächen taten gut, schade dass die Zeit so schnell vorbei war.

Am Freitag holte uns die Realität wieder ein wie eine Bombe die über uns zerstörend ihr Unwesen trieb. Therapien begannen um 7.30, und es endete mit dem CT und MRI um 15.30, die weiteren folgen nächste Woche, um dann wieder bis zum Gespräch warten zu müssen. Müssen doch zuerst die Radiologen- und dann die Tumorenkonferenzen erfolgen bevor wir wissen wie es weiter geht und ob es weiter geht. Die Neurologen wie auch wir hoffen, dass nun endlich die Chemo gestartet werden kann. Sie drängen ja schon lange, dass endlich begonnen wird. Willy hat aber irgendwie resigniert, er glaubt nicht mehr daran, dass etwas gemacht wird.

Im Anschluss taten wir was für unsere Seele, richtiges Seelenbalsam. Für die Selbsthilfe-gruppe Forum Lungenkrebs organisierten wir um 16.30 einen Spaziergang durch einen Park mit Besuch der Europa grössten Iris-Ausstellung, ein grosses Blumenmeer mit wunderschön seltenen Iris. Die Sonne schien und wir durften nebst der Begleitung der Sonnenstrahlen-kinder auch noch einen wunderschönen Sonneuntergang erleben. Das war aber nicht alles, in der Orangerie fand eine Ausstellung von 4 Künstlern statt mit Skulpturen und Aquarellen. So gingen wir durch den Kräutergarten und besuchten ganz spontan die Ausstellung bevor wir die Iris-Pracht geniessen konnten. Das schöne japanische Holzbrücklein bei den Irisbeten lockte einen spanischen Geigenspieler mit seiner Freundin, einer Philosophin, an um inne zu halten und für uns ein Privatgeigenkonzert zu spielen. So wurde das Wunder der Natur mit Geigenklänge untermauert, einfach traumhaft. Die Gespräche die wir alle gemeinsam hatten waren, wie schon gesagt, Seelenbalsam und von unwahrscheinlicher Kraft. Eine Begegnung die man nie vergessen wird. Wir machten gemeinsame Fotos, aber die Dürfte, Bilder, Blumen, Klänge und vieles mehr sind nie in Fotos zu wiederspiegeln.

Auf dem Weg zurück gingen wir bei der alten Mühle vorbei und spänten einen Blick rein, als plötzlich sehr einladend das Licht anging und wir uns im noch offenen Mühlemuseum befanden. Du kannst dir ja vorstellen, dass wir es uns nicht nahmen uns umzusehen. So hat der Horrortag mit den traurigen Abschiedsgedanken einen schönen, nein traumhaften Abschluss gefunden von dem wir noch lange Kraft schöpfen werden.

In diesen Stunden dachte ich viel an dich, denn du wärst mit dabei gewesen, hättest an jedem Ecken noch etwas zum Malen oder Zeichnen gefunden, so wie die Maler die in den Iris-Beten sich mit Pinsel und Papier tummelten oder die Fotografen die Schönheit der Iris mit ihren Fotos festzuhalten versuchten.

Das sind die Augenblicke wo du gar nicht mehr so weit weg bist, bist dann nicht nur in meinem Herzen bei mir, sondern in meinem Handeln, Gedanken und dem Teilen des Schönen, denn wir teilen doch so viel miteinander. Danke für deine Augen, deine Nase, deine Sinne und dein Herz für das Schöne im Einfachen.

Ich bin so stolz dich als Dad zu haben und dass du mir die Kunst des Lebens auch heute noch vermittelst.

I miss you so much, wish you were here to share it with you. I love you darling Daddy.

Dini Gigaxel
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