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  #1  
Alt 23.10.2010, 19:44
Benutzerbild von annika33
annika33 annika33 ist offline
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Registriert seit: 09.04.2008
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Standard Fragen an die, die hinterlieben sind!

Ich vermisse so sehr meine Mama, so sehr!

Über ein Jahr ist sie nun nicht mehr da, und mir kommt es an manchen Tagen gefühlt viel länger, an anderen viel kürzer vor.

Ich vermisse sie, genau genommen, jeden Tag auf´s Neue. Es gibt Phasen, da fällt es mir leichter (Sommertage, viel Sonnenschein, die Kinder wollen aktiv sein - das Leben ruft und verlangt nach einem), und dann wieder Phasen, wo ich denke, mein Leben wäre kaum mehr lebens"wert", unter diesen Umständen.

Ehe diese beschissene Krankheit auf uns zu kam, da bestanden meine "Probleme" aus Widrigkeiten, die, rückblickend betrachtet, alle irgendwie im lösbaren Bereich lagen. Dann kam der Krebs und damit auch die Erweiterung meiner Erfahrungen, dass es eben Dinge im Leben gibt, die zu Recht die Titulierung "Problem" verdient haben.

Meine Mama, wiegesagt, ist unterdessen verstorben. Mein Problem aber damit noch lange nicht. Ich vermisse, leide und trauere immens. Ich wünsche mir Abhilfe, habe eigentlich das, was viele, die als Ehe-/Lebenspartner hinterbleiben nicht mehr haben (Mann und Kinder), aber fühle mich dennoch hilflos.

Wie geht denn Ihr damit um? Wie bereichert ihr Eurer Leben, füllt es an, mit neuerlich Sinnvollem? Findet ihr in irgendeiner Weise ein Stück weit "Ersatz" für das, was Ihr verloren habt? Wie kompensiert man einen solchen Verlust? Geht das überhaupt?

Heute war ich beispielsweise an ihrem Grab. Da stehe ich dann und bin einfach eingebunden in die Vergangenheit. Sei´s die Beisetzung, ihr Leben oder sonstwas, aber das, was ich eigentlich suche, nämlich ein Hiersein im Hier und Jetzt, das ist ja nicht mehr. Dann steige ich in mein Auto, lasse den Motor an, und sende Gedanken ins( N)Irgendwo.

Wird das irgendwann besser? Gewinne ich irgendwann ein wenig von meiner Zuversicht zurück? Dass das Leben "endbar" ist, das habe ich begriffen - mit ihrer Erkrankung wurde mir das klar, aber erlange ich für mich irgendwann noch einmal ein wenig von der Unbefangenheit wieder, die es mir ermöglicht, einfach mein Leben zu leben?

LG an alle die sich beteiligen

Annika
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  #2  
Alt 23.10.2010, 20:14
Amy-Marie Amy-Marie ist offline
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Standard AW: Fragen an die, die hinterlieben sind!

Liebe Annika!

Ja, der Schmerz wird langsam weniger, er weicht einer dankbaren Erinnerung.


Mir fehlen meine beiden Eltern immer noch sehr und wenn es nur Fragen zu "früher" sind.

Eigentlich wird dieses Gefühl des Fehlens jetzt nach 23 und 10 Jahren eher mehr, aber es tut nicht mehr so weh.

Fehlen werden sie mir wohl bis an mein Lebensende.


Dein eigenes Leben wird aber nach einer langen, langen Zeit der Traurigkeit wieder die Zügel in die Hand nehmen, ganz von selbst.

Gib Deiner Seele diese Zeit zum Trauern und ja, Trauern braucht Zeit, viel und lange Zeit!

Alles Gute wünsche ich Dir!
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  #3  
Alt 23.10.2010, 20:20
Linestraum Linestraum ist offline
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Standard AW: Fragen an die, die hinterlieben sind!

Liebe Annika, ich fühle mit Dir und kann Dich so gut verstehen...mein Pa ist zwar noch nicht so lange verstorben, aber diese "Endgültigkeit" macht mich kirre...ich wünsche mir so sehr, dass ich in Frieden loslassen, weiterleben, lachen kann. Im Moment ist die Trauer noch recht frisch, was mir hilft, um auf deine Frage zurückzukommen...
ich gehe alleine in den Wald. Für mich ist mein Vater dann immer auch dabei. Ich spaziere und dabei lasse ich los, meine Hundis dabei und dann die bunten Bäume im Moment, das gibt mir viel Kraft!
Ich wünsche Dir alles Liebe!!! Lines
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  #4  
Alt 23.10.2010, 20:37
Pferdchen Pferdchen ist offline
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Standard AW: Fragen an die, die hinterlieben sind!

Liebe Annika,

ich kann deine Fragen nicht beantworten wie lange es bei dir dauert, ich kann dir nur von meinen Erfahrungen berichten.

Ich habe innerhalb von 3 Jahren 5 Menschen verloren die mir sehr nahe gestanden haben. Zuerst meine geliebte Oma ( Krebs) dann der Lebensgefährte meiner Mutter ( Krebs), dann die Mutter von meinem Freund ( Krebs), ein Jahr später der Vater( Herzinfakt) von meinem Freund und im Januar meinen Freund selber ( Krebs).
Am Anfang habe ich gedacht ich komme niemals über den Verlust hinweg und habe viel geweint. Ich bin aber ein Mensch der immer viel Aktion um sich rum hat und sich gut ablenken kann. Die Phasen in denen man wieder am Verzweifeln ist wurden mit der Zeit immer weniger und immer öfters habe ich beim Gedanken an den Verstorbenen nicht mehr geweint, sondern habe gelächelt und habe an schöne gemeinsame Erlebnisse gedacht. Selbst heute noch habe ich z.b oft den Gedanken das ich ja noch meine Oma anrufen muß um ihr irgend was zu erzählen...bis mir dann einfällt das sie nicht mehr lebt...und ich lächel bei dem Gedanken an sie!
ICH bin mir sicher das wir uns alle irgend wo, irgend wann wiedersehen werden in einer besseren Welt. Je mehr Menschen ich verloren habe, um so weniger habe ich selber Angst vor dem sterben denn ich freue mich darauf diese lieben Menschen wieder zu sehen.
Ich weiß das diese Menschen mich von irgend wo aus sehen können und sie würden nicht wollen, dass ich an ihrem Tod verzweifel!

Außerdem haben mich diese Verluste gelehrt, in meinem Leben viel gelassener zu werden denn genau wie du geschrieben hast: die kleinen Probleme des Alltags sind ein Witz gegen die Schicksale wie wir sie hier zu lesen bekommen. Das sollte man sich immer vor Augen halten.
Ich habe eine Angestellte die mir immer sehr damit auf den Wecker ging, dass sie sich wegen Nichtigkeiten so aufgeregt hat, dass sie den ganzen Tag mit einem langen Gesicht rum gerannt ist. Sie habe ich mal hier vor das Forum gesetzt und sich eine ganz schlimme Geschichte durchlesen lassen. Danach habe ich ihr gesagt das DASS schlimme Dinge sind und nicht wenn ein Kunde mal schlimme Laune hatte. Seit dem hat sie sich sehr verändert...zum positiven.
Du siehst, wie schlimm es auch immer ist, ich kann daraus noch "positive" Dinge ziehen.

Ich wünsche dir sehr, dass auch du irgend wann mit einem Lächeln an deine Mutter denken kannst!

Liebe Grüße

Michaela
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  #5  
Alt 24.10.2010, 01:53
Benutzerbild von rosa.sputnik
rosa.sputnik rosa.sputnik ist offline
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Standard AW: Fragen an die, die hinterlieben sind!

Liebe Annika,

ja... es gibt Tage da möchte ich schier durchdrehen weil ich sie nicht sprechen kann, und dann gibt es Tage an denen ich fast froh bin dass sie "es hinter sich hat"... im wahrsten Sinne des Wortes.

Meine Mom hatte immer Angst vor Krebs... und manchmal denke ich dass ich froh bin dass es ein Kleinzeller war, dass es "nur" neun Monate waren. nicht vorstellbar wenn sie diese Angst, die sie neun Monate hatte... eventuell über Jahre hätte haben müssen.

Mom war nicht wie z.B. Gitta... größtenteils optimistisch... nein, das war sie nicht.

Dieser Gedanke hilft mir manchmal... dass sie nie wieder Angst haben muss... vor gar nichts...

Ja... Du kannst froh sein dass Du selbst eine intakte Familie hast... mein Mann war leider nicht stark genug, oder feinfühlig genug um zu verstehen dass ich in den ersten 8 Monaten nach Mom's Tod einfach nicht mehr wirklich auf die Füße gekommen bin.
Ein sprichwörtlicher Tritt in den Hintern hätte mir wohl geholfen zu realisieren dass ich noch lebe... so aber... trat er zu, und war im selben Moment weg... aus und vorbei.

Jetzt praktiziert er den Beziehungstod auf Raten... kommt alle 14 Tage her, benimmt sich wie die Axt im Wald... und verschwindet dann wieder mit seiner neuen geheimen Handynummer ins Nirgendwo...

Ich denke dass sich dadurch meine Trauer teilweise in den Hintergrund geschoben hat, weil ich zusätzlich noch Existenzsorgen, Liebeskummer, Enttäuschung, Einsamkeit etc. bewältigen muss... aber trotzdem... gerade jetzt würde ich Mom so sehr brauchen.

Ich glaube dass ich noch nie einsamer war als jetzt... von meinem Dad, er starb im Mai 1988 an einem Herzinfarkt,... da weiss ich dass es nie aufhört... diese Sehnsucht, aber man irgendwann lernt damit umzugehen...

Wir müssen versuchen die Zeit für uns arbeiten zu lassen...

Ich drück' Dich Annilein
Jasmin
__________________
Meine Mama: ED 12.11.2008 Kleinzelliges Bronchialkarzinom, T4 N3 M1 (multiple Hirnfiliae)
4 Zyklen Cisplatin und Etoposit, Ganzhirnbestrahlung, dann Tumorprogression, April 09 neue Lungenmetastasen und obere Einflussstauung. Keine weitere Kontrolle, keine Chemo mehr... nur Hoffen auf ein kleines bisschen mehr Lebensqualität...Am 28.07.2009 um 11:26 Uhr Meine Mama ist in meinen Armen für immer eingeschlafen...
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  #6  
Alt 24.10.2010, 15:39
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Daumen hoch AW: Fragen an die, die hinterlieben sind!

Hallo Annika,

ich denke, niemand wird dir sagen können, was wann ist oder wie sein wird. Jeder trauert auf seine ganz persönliche Art und Weise, auch wenn es viele Parallelen und Ähnlichkeiten gibt. Auch an Zeiten kann man die Intensität der Trauer nicht festzurren.

Bei mir selbst sind es heute auf den Tag genau 2 Jahre und 8 Monate her. Ich habe mich, notgedrungen, damit abgefunden, es akzeptiert, dass ich alleine bin und versuche, das Beste draus zu machen. Ich habe einen Nebenjob, der mir sehr viel Spass macht, meine Töchter, meine Enkel lieben mich und brauchen mich auch. Ansonsten hab ich viel Freizeit, in der ich versuche so gut und fröhlich zu leben, wie möglich. Ich geniesse das Leben, weil ich so leben kann, wie ich es will. Auch, wenn ich es mir so nicht ausgedacht habe.

Ich kann dir nur Geduld empfehlen. Geduld mit dir und Mut, auf die Trauer zu zu gehen. Der Tod gehört zum Leben wie die Geburt. Wenn man das mal begriffen hat in seiner ganzen Vielfalt, dann ist die Trauer nicht mehr so schwer. Wer die Kälte nicht kennt, weiss die Wärme nicht zu schätzen. Ohne Weinen kein Lachen. Ohne Vergangenheit keine Zukunft. Ohne Tod keine Geburt. Erst diese Gegensätze machen das Leben zum wirklichen Leben. Das war immer so, ist so und wird immer so sein. Genauso, wie die Geburt eines Kindes begleitet ist von überschwenglichem Glück und rauschenden Festen und man sich zeitlebens mit einem Lächeln daran erinnert, so ist es auch die Trauer, wenn ein geliebter Mensch verstirbt, die uns für den Rest unseres Lebens begleitet.

In der heutigen modernen Gesellschaft ist alles nur noch gut, positiv und schön. Wir sind alle jung, stark und dynamisch. Niemand wird krank (schliesslich gibt es für alles eine "Tablette") oder alt (solange man jung und erfolgreich ist). Niemand macht sich Gedanken über Alter und Krankheit, wir liegen bequem in einer sozialen Hängematte. Der Tod? Ha, weit weg. Uns kann nichts passieren. Bis es dann knallt. Das ist eine gefährliche Schieflage in unserer Gesellschaft. Das Ergebnis kann man sich unter der Brücke, in der Eckkneipe, beim Psychiater oder beim Psychotherapeuten ansehen.

Such dir deinen Weg und geh ihn mit mit deinem Blick nach vorne. Wenn du dich auf deine Füsse stellst, deine Energie nach vorne richtest, kannst du deine Zukunft durchaus beeinflussen. Deine Vergangenheit ist Vergangenheit. Du kannst das!!


Alles Liebe

Helmut
__________________
Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376
http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070

Die von mir im Krebs-Kompass verfassten Texte dürfen auf anderen Homepages und in anderen Foren ohne meine ausdrückliche Zustimmung weder verwendet noch veröffentlicht werden. Auch nicht auszugsweise.
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