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  #1  
Alt 27.07.2017, 11:39
poy poy ist offline
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Registriert seit: 27.07.2017
Beiträge: 8
Standard Vor drei Wochen war die Welt noch ok

Hallo,

meine Schwiegermutter ist vor 2 1/2 Wochen mit Gelbsucht ins Krankenhaus eingeliefert worden. Zuvor hatte sie immer weniger Appetit und hat seit Mai deutlich abgenommen. Wir haben das jedoch auf ihr Alter (75 Jahre) geschoben und freiwillig wäre meine Schwiegermutter nicht zum Arzt gegangen. Sie war immer gesund, war nie im Krankenhaus, hatte noch nie eine Narkose. Am Sonntag ist sie noch mit unseren Hunden unterwegs gewesen, am Montag war sie gelb und wurde ins Krankenhaus eingewiesen.

Es folgten mehrere Untersuchungen, am Ende Gallengangskarzinom, Pankreaskarzinom, Bauchfellmetastasen und gutartige Tumore im Magen. Nicht mehr therapierbar. Im ungünstigsten Fall noch 4 Wochen, sagten uns die Ärzte.

Sie werden wohl Recht behalten.

Sie kann schon seit mehr als einer Woche nichts mehr zu sich nehmen. Nicht mal einen Tropfen Wasser kann sie schlucken, ohne zu würgen. Sie klagt über permanente Übelkeit, erträgt es nicht, wenn z.B. jemand das Bett berührt. Jede kleinste Bewegung verschlimmert die Übelkeit. Besonders schlimm für sie ist ihr unglaublicher Durst. Wir befeuchten die Lippen, aber auch dass führt immer wieder zum Würgen. Mittlerweile sammelt sich in Bauch und Beinen etwas Wasser, so dass die Infusionen eingestellt worden sind, was wiederum den Durst noch weiter verschlimmert hat.

Vor einer Woche wäre sie nach einer Bauchspiegelung fast verblutet, da Gerinnungsfaktoren fehlten. Das hat man in den Griff bekommen. Ehrlich gesagt leider. Denn Verbluten wäre ein besserer Tod als das, was sie jetzt erleiden muss.

Sie leidet zudem unter starker Hitze, kühlt Hände und Füße gerne mit Kältepaks.
Sie ist geistig noch vollkommen klar. Das macht es auch für sie so schwer. Sie fragt, wie lange denn noch, warum sie sich so quälen muss.

Seit Tagen beschäftigen wir uns mit Sterbephasen und ihren Anzeichen. Wir suchen nach Veränderungen bei ihr, nach Anzeichen, dass sie Fortschritte Richtung Erlösung macht.

Sie muss sich so enorm quälen. Jedes Tier wäre schon längst erlöst worden. Ich verstehe nicht, warum wir Menschen uns so etwas antun.

Vg poy
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  #2  
Alt 27.07.2017, 12:27
Clea Clea ist offline
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Registriert seit: 13.01.2017
Beiträge: 560
Standard AW: Vor drei Wochen war die Welt noch ok

Hallo Poy,
ich fühle mit dir.
Habt ihr einen Palliative nicht Pflegedienst vor Ort?
Vielleicht gibt es etwas gegen die Übelkeit.
Meine Mutter hatte zum Morphin immer Haldol bekommen.
Das sollte in dem Fall gegen die Übelkeit bei Morphin helfen.
Ich wünsche euch viel Kraft. Es ist schrecklich, was ein Mensch erfüllen muss.
Aber ganz ohne Flüssigkeit dauert es nicht allzu lange.
Spart nicht am Morphin, wenn ihr Zugang dazu habt.
Ich finde, wenn der Mensch schon bis zum Ende da durch muss, muss er es nicht auch noch am ganzen Körper spüren. Dann kann man sein eigenes Ende besser verschlafen.
Ich will nicht sarkastisch wirken, aber das wäre mein Wunsch, wenn es bei mir soweit ist.

Dir wünsche ich viel Kraft.
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  #3  
Alt 27.07.2017, 12:48
lotol lotol ist offline
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Registriert seit: 10.04.2016
Beiträge: 716
Standard AW: Vor drei Wochen war die Welt noch ok

Hallo poy,

Zitat:
Sie ist geistig noch vollkommen klar. Das macht es auch für sie so schwer. Sie fragt, wie lange denn noch, warum sie sich so quälen muss.
...
Sie muss sich so enorm quälen. Jedes Tier wäre schon längst erlöst worden. Ich verstehe nicht, warum wir Menschen uns so etwas antun.
Wir Menschen müssen uns das nicht unbedingt antun.

Würdest Du eine Umfrage starten, wie Menschen am liebsten sterben würden, ist als überwiegende Antwort so in etwa zu erwarten:
Wenn es so weit ist, dann wenigstens schnell und mit möglichst wenig Schmerzen.

Wir leben in einem System, in dem es auch eine Rechtsordnung gibt, die es uns durchaus erlaubt, so in Würde sterben zu können, wie wir das jeweils für richtig halten.
Weil es unantastbare Grundrechte gibt, wie z.B.:
https://dejure.org/gesetze/GG/1.html

Art. 1 GG umfaßt natürlich auch das Recht, seinen eigenen Tod bzw. den Sterbevorgang beeinflussen/gestalten zu können.

Allerdings nur im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung, wozu Du z.B. hier etwas findest.
http://www.cdl-rlp.de/Unsere_Arbeit/...utschland.html

Insoweit ist relativ klar, wie man selbst seinen Tod/sein Sterben gestalten kann.
Schriftlich vorliegende Willens-Erklärungen erleichtern allen Beteiligten das richtige Vorgehen/die Unterstützung dabei.

Am besten bereitet man das vor, wenn man geistig noch in der Lage dazu ist, Willens-Erklärungen abgeben zu können.
Solche, die dazu geeignet sind, Beteiligte "straffrei" halten zu können.

"Jeder ist seines Glückes Schmied" - so makaber das in diesem Zusammenhang auch klingen mag.


Liebe Grüße
lotol
__________________
Krieger haben Narben.
---
1. Therapie (2016): 6 Zyklen R-CHOP (Standard) => CR
Nach ca. 3 Jahren Rezidiv

2. Therapie (2019/2020): 6 Zyklen Obinutuzumab + Bendamustin => CR
Nach ca. 1 Jahr Rezidiv, räumlich begrenzt in der rechten Achsel

3. Therapie (2021): Bestrahlung
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  #4  
Alt 27.07.2017, 13:11
poy poy ist offline
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Registriert seit: 27.07.2017
Beiträge: 8
Standard AW: Vor drei Wochen war die Welt noch ok

Zitat:
Zitat von lotol Beitrag anzeigen
Am besten bereitet man das vor, wenn man geistig noch in der Lage dazu ist, Willens-Erklärungen abgeben zu können.
Noch am 2.Tag im Krankenhaus hat meine Schwiegermutter eine umfassende Patientenverfügung unterschrieben.
Für weitergehende Maßnahmen ist jetzt zu spät. Meine Schwiegermutter würde es auch nie fertig bringen, sich selbst ein tödliches Medikament zu verabreichen. Dazu ist sie zu ängstlich.

Aber diese Erlebnisse sorgen dafür, dass ich für mich auf jeden Fall Vorsorge treffen werde.
Zitat:
Zitat von Clea Beitrag anzeigen
Meine Mutter hatte zum Morphin immer Haldol bekommen.
Das sollte in dem Fall gegen die Übelkeit bei Morphin helfen.
Die Ärzte haben schon zig Mittel ausprobiert, jedoch hat keines gewirkt. Das, was minimal geholfen hat, kann nur oral verabreicht werden. Das bekommt sie nicht mehr runter.

Morphin bekommt sie noch nicht. Schmerzen hat sie glücklicherweise bisher nur leichte, die mit Novalgin behandelt werden. Aber ich wünschte, sie würden ihr Morphin geben, da Morphin ja auch eine sedierende, dämpfende Wirkung hat.
Zitat:
Zitat von Clea Beitrag anzeigen
Dir wünsche ich viel Kraft.
Danke, aber meine Frau nimmt das viel stärker mit. Die beiden haben eine innige Bindung. Meine Schwiegermutter hat die letzten 15 Jahre bei uns im Haus gewohnt. Glücklicherweise haben wir gerade Urlaub, so kann meine Frau bei ihrer Mutter im Krankenhaus sein.

Nachtrag:
Zitat:
Zitat von Clea Beitrag anzeigen
Meine Mutter hatte zum Morphin immer Haldol bekommen.
Seit heute Nachmittag bekommt sie nun Haldol. Und es hat tatsächlich etwas geholfen. So musste sie heute im KH noch in ein anderes Zimmer ziehen (zum x.ten Mal). Bisher ging das so gut wie gar nicht wegen ihrer Übelkeit.

Wenn 4 Tage zurück 100% wären, wäre sie heute bei 40%. Das Sprechen fällt ihr schwerer, sie läßt zunehmend den Mund auf, die Füße zittern und sie ist insgesamt unruhiger.

Aber sie kämpft noch. Sie weicht tieferen Gesprächen aus, haben ein paar Mal in den letzen Tagen versucht mit ihr über den Tod zu sprechen, dass sie sich nicht um uns sorgen muss. Aber sie denkt die ganze Zeit darüber nach, was aus uns wird, wer zukünftig vormittags auf unsere Hunde aufpassen kann. Die beiden Hunde hat sie tief in ihr Herz geschlossen.

Wir haben sie heute gefragt, ob sie Morphin möchte. Aber sie hat darauf nicht geantwortet. Wir glauben, dass sie diesen Schritt nicht gehen möchte, weil sie den Verlust des klaren Denkens befürchtet. Sie kann nicht loslassen.

Geändert von gitti2002 (27.07.2017 um 23:24 Uhr)
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  #5  
Alt 27.07.2017, 19:41
Clea Clea ist offline
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Beiträge: 560
Standard AW: Vor drei Wochen war die Welt noch ok

Ja, die Angst vor dem Kontrollverlust kann ich nachvollziehen.
Aber wenn sie dazu noch ihren Willen äußern kann,
ist sie auch noch nicht in der finalen Phase.
Dann ist Kommunikation kaum mehr möglich.
Ich freue mich, dass das Hallo wirkt, wenigstens für den Moment.
Für meinen Mann War das auch alles nicht schön, als meine Mutter ging, aber für mich War das eine ganz andere Hausnummer.
Die eigene Mutter ist etwas ganz besonderes, auch schon, wenn die Beziehung nicht so innig War wie bei deiner Frau.
Da geht ein Teil von dir und du kannst nichts tun.
Und es reist eine klaffende Wunde.
Und wenn du schon lange nicht mehr daran denkst,
wird sie immernoch in Gedanken ständig bei ihr sein.
Hab Verständnis, das wird sie am meisten brauchen.
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  #6  
Alt 28.07.2017, 18:06
poy poy ist offline
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Beiträge: 8
Standard AW: Vor drei Wochen war die Welt noch ok

Jetzt bekommt sich zusätzlich Morphium. Heute morgen war sie das erste Mal richtig ruhig und es war eine vollkommen friedliche Atmosphäre im Zimmer. Nahezu den ganzen Tag schlief sie.

Sie kann kaum noch sprechen, das Wasser sammelt sich in Bauch und Beinen und heute Abend konnten wir Flecken an den Beinen sehen, dort wo die Beine auflagen.

Als meine Frau ging, wurde meine Schwiegermutter unruhig. Wir werden daher um 22.00 Uhr nochmal mit der Nachtschwester telefonieren.

Mit deutlichen Schritte bewegt sie sich auf ihre letzte Reise zu...
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  #7  
Alt 28.07.2017, 21:53
Schokolade08 Schokolade08 ist offline
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Beiträge: 20
Standard AW: Vor drei Wochen war die Welt noch ok

Mein Gott wenn ich das alles so lese wird mir ganz anders. Es ist so traurig und macht mich so wütend das man einfach nichts machen kann .... einfach nur zusehen und da sein. Ich finde es bewundernswert wie toll ihr das alles meistert und wie stark ihr in den richtigen Situationen seid 😔
Ich wünsche mir das auch ich das mal so kann wenn es denn so weit ist .... aber den Gedanken schiebe ich jetzt erstmal wieder ganz weit weg .....
Meine Gedanken sind nun erst einmal bei euch und eurer Schwiegermutter. Ich wünsche ihr das sie nun schnell loslassen kann und nicht leiden muss.

Ich denke an euch und schicke ein dickes Kraftpaket rüber 📦📦📦
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