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  #1  
Alt 01.01.2013, 22:23
Larimari Larimari ist offline
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Standard Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Nachdem ich nicht weiß, wie man einen Thread schiebt, und zu faul bin, mich irgendwie bei den Admins bemerkbar zu machen, fange ich einfach einen neuen Thread an. Im Angehörigenthread ist so viel Angst und Hoffnung, und noch mehr Angst, das ist wirklich schwer mit anzusehen. Und es liefert viel Stoff für blöde Hirnaktivitäten. Schließlich bin ich jetzt traumatisiert, wie es scheint, und jedes Hüstelchen und jedes Wehwechen meiner Lieben, also derer, die noch übrig sind, wird zum Krebs, zum Herzstillstand oder einem sonstigen Todesurteil. Ich hab grad Verlustängste, die sind kaum in Worte zu fassen.

Ich hab am 03.11. meinen Dad an ein kleinzelliges Bronchialkarzinom verloren, naja, eigentlich an ein paraneoplastisches Syndrom, aber das macht das ganze nur noch tragischer... Am 21.12. starb mein Bruder an Herzversagen. Er war nach einem Unfall schwerstbehindert, und wurde die letzten 21 Jahre von meinen Eltern toll gepflegt. Nachdem mein Dad gegangen war, war die häusliche Pflege nicht mehr darzustellen. Und nach etwas mehr als anderthalb Monaten im Heim, vier fiesen Infekten, hat das Herz meines Bruders beschlossen, dass es nicht mehr kann...
Wer mehr wissen mag, die Sorge um sich selbst im Angehörigenforum beinhaltet die ganze Geschichte.

Es fällt mir im Augenblick sehr schwer, positives im Alltag zu sehen. Auch wenn ich nicht exzessiv trauere. Da beide Todeskandidaten waren, die nicht zu retten waren, und jeder dieser Tode auch eine enorme Erlösung war, kann ich von einem halbwegs rationalen Standpunkt nicht trauern. Denn diese Trauer wäre immer selbstsüchtig. Dieser Standpunkt ist allerdings einer, den ich nicht konsequent einnehmen kann. Im Gegenteil. Ich merke, wie ich mich manchmal selbst verliere an die Gedanken um meine Jungs. Und diese Ahnung, - ich weiß, es ist keine Ahnung, es ist Gewissheit, nur hab ich manchmal dazu keinen Zugang - dass ich die beiden nie wieder sehen werde, dass ich mit meinem Vater nie wieder sprechen werde, die macht mich fertig. Die macht mir solche Angst, dass ich manchmal nicht weiß, wohin mit mir...

Und es wird nicht besser...
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  #2  
Alt 01.01.2013, 23:13
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Hey Mari,

der rationale Standpunkt ist nur eine Seite, deine Gefühle sind ja auch noch da. Wenn jemand innerhalb so kurzer Zeit so viel Verlust hinnehmen muss, dann ist es vielleicht eine normale Reaktion, dass man nicht die ganze Trauer zulassen kann, weil sie einen sonst umzureißen droht... Ich weiß es nicht. Ich denke immer, dass die Gefühle scheibchenweise in uns hochsteigen, so wie unsere Seele sie eben verkraften kann.

Ich finde es gut, wenn du hier weiter schreibst. Hier kannst du immerhin alles loswerden, was dich bewegt und musst keine Rücksicht nehmen. Dass du derzeit kaum etwas Schönes wahrnehmen kannst, finde ich nur allzu verständlich. Die letzte Zeit war einfach sehr traurig und schwer für dich und auch für deine Mama. Es wird dauern, bis du wieder nach vorn schauen kannst. Auch wenn der Kopf versteht, was geschehen ist und der Verstand sagt, dass es besser so ist, weil dein Dad nun keine Schmerzen mehr hat und auch dein Bruder seinen Frieden gefunden hat, so vermisst du die beiden doch unbeschreiblich. Diese Erkenntnis, dass du sie hier nie wieder sehen wirst, sie nie mehr in den Arm nehmen kannst, ihr nicht mehr miteinander lachen könnt... das ist grausam und tut weh. Es reißt eine extrem tiefe Wunde. Hier findest du hoffentlich einen Platz, wo du auch "schwach" sein kannst und "selbstsüchtig". Das wünsche ich dir von Herzen und ich wünsche dir, dass du deinen Weg finden wirst, mit dem Verlust zweier geliebter Menschen zu leben.

Schlaf gut
Miri
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

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  #3  
Alt 01.01.2013, 23:45
monika100 monika100 ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Hallo Larimari,

obwohl ich mich eigentlich ganz aus dem Forum zurückziehen wollte, lese ich doch noch hin und wieder bei bestimmten Menschen mit.

Du hast 2 Riesenverluste erlitten.
Der Verstand sagt dir zwar, dass es für deinen armen kranken Vater keinen anderen Ausweg gab und nur der Tod ihn erlösen konnte.
Und auch deinem Bruder, der Zeit seines Lebens eigentlich kaum was vom Leben hatte, gönnst du seinen Frieden und hoffst für ihn auf ein besseres Leben.
Soweit der Verstand - aber dein Herz, das hinkt hinterher.
Dein Herz will die Beiden nicht gehen lassen, will dass sie hier auf der Erde ganz nah bei dir sind!

Du hast gerade erst 2 deiner engsten Angehörigen verloren und es wird dauern das zu verarbeiten.
Du schreibst, es ist noch nicht besser geworden.
Liebe Larimari, das kann es auch nicht, es ist noch viel zu frisch.
Trauer braucht einfach seine Zeit und nimm sie dir auch, das ist wichtig.

Wir können leider nicht viel für dich tun, außer hier für dich da sein.
Und besonders an Miri hast du ja schon eine sehr gute Schreib-Freundin gefunden.

Ich drück dich mal,

Monika

Geändert von monika100 (01.01.2013 um 23:48 Uhr)
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  #4  
Alt 02.01.2013, 21:23
Larimari Larimari ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Danke, es tut gut, diesen Ort hier zu haben.

Und die Menschen, die hier unterstützend wirken.

Es ist traurig, dass wir uns ausgerechnet über den Verlust, den wir erlitten haben, begegnet sind. Wäre anders schöner gewesen.

Ich hab das Gefühl, dass mein Leben noch nicht ganz meins ist. Obwohl es eigentlich gar nicht so schlecht läuft. Mein Freund ist hier, um mich zu unterstützen. Er bleibt auch noch ein bisschen, also bin ich nicht alleine. Er war auch bei der Beerdigung von meinem Bruder dabei, und hat in meiner Verwandtschaft nun einen Fanclub par excellence.

Es war ein schönes Wochenende, trotz bescheidenem Anlass. Wir waren diesmal ja schon mit dem Ablauf vertraut. Mein Bruder wurde wie ein Kind in einem weißen Sarg beerdigt. Irgendwie unpassend-passend. Die Blumen in den Kränzen und Gebinden waren am nächsten morgen vom Raureif bedeckt, ein schöner Anblick. Und ich hab mir vorgestellt, dass die beiden, mein Dad und mein bruder, sich durch die Särge hindurch Geschichten erzählen. Das fand ich dann aber ziemlich beengend und hab sie also spazieren geschickt. Ich finde die Vorstellung, dass sie gemeinsam durch die Straßen unserer Stadt laufen, sehr schön. Es gibt ja auch viel zu sehen.

Ich hab das unglückliche Blümchen, das mein Bruder war, sehr geliebt. Aber gerade an dem Wochenende, mit all den Kids um mich herum, die seine Generation sind, habe ich mich oft gefragt, wie er wohl gewesen wäre, wenn der Unfall nicht passiert wäre. Müßig, ich weiß, aber ich konnte nicht anders.

Die Erinnerung an meinen Dad ist etwas weniger schmerzhaft. Das klingt jetzt blöd, weniger schmerzhaft bedeutet, es wird mir grad nur ein Arm abgerissen statt beide - ich bin kein guter Metaphoriker des Schmerzes. Es war lustig in Kroatien. Wir haben uns an viele Sachen erinnert. Und allein unser Haus dort ist ein Symbol für meinen Dad. Er hat es mit viel Liebe und absolutem Dilettantismus, was die Inneneinrichtung betrifft, gebaut. Und wenn darin dann Anekdoten erzählt werden, gibt es ein gutes Gefühl.

Selbst meine Mom, sonst ein Bild des Leidens, hatte ihre lustigen Momente. Ihr geht es gar nicht mal so schlecht. Ich hoffe, ich übersehe nichts wichtiges. Sie findet sich gerade mit der Situation ab. Löst weiterhin fleißig die Wohnung auf. Schmiedet zaghafte Pläne für ein Pendlerdasein. Hustet nicht mehr, geht aber trotzdem zum Lungencheckup, was mich in absolute Panik versetzt. Ich hoffe, ich überwinde das mal. Ich kann ja nicht bei jedem Jahrescheck, jeder Mammographie oder ähnlichem in panische Paralyse verfallen...

Naja, auf jeden Fall klingt alles soweit ganz okay. Abgesehen vom gelegentliche. Irre werden. Aber ich fühle mich manchmal so wenig eins mit mir wie noch nie zuvor. Und immer noch so, als würde ich die Luft anhalten. Als dürfte ich immer noch nicht ausatmen. Und ich wünsche mir so sehr, endlich auszuatmen...
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  #5  
Alt 03.01.2013, 08:58
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Guten Morgen Mari,

das kenne ich auch... sich nicht eins mit sich selbst fühlen, immer noch den Autopiloten an, den Atem angehalten... Es dauert... Dein Papa und dein Bruder sind nicht mehr bei euch, zwei ganz, ganz immens wichtige Menschen wurden aus dem Leben gerissen und alles muss sich jetzt neu ordnen in deinem Leben. Nichts ist mehr wie es einmal war. Lass dir Zeit!

Und diese irrationalen Ängste... so irrational sind sie ja nicht in Anbetracht der Tatsache, dass eine so schlimme Krankheit über jeden von uns von einem zum anderen Tag hereinbrechen kann. Wichtig ist nur, wie wir damit umgehen. Wenn wir nun stets in Angst vor der Angst leben, dann verpassen wir all das Schöne und Wertvolle, das uns umgibt, oder? Weil wir ständig damit beschäftigt sind, in uns hineinzuhorchen, ob denn wohl alles okay ist. Ich glaube, dass ohnehin vorherbestimmt ist, wie lange wir hier sein dürfen... (Mag ein Trugschluss sein, doch er macht es mir leichter, mit meiner Angst vor dem Ungewissen umzugehen) Es werden auch wieder bessere Tage kommen (wenn du sie dir heute auch kaum vorstellen kannst).

Gut, dass deine Mama beschäftigt ist! So lange sie etwas zu tun hat, kann sie nicht so viel grübeln. Und ich drücke ganz feste die Daumen, dass ihr Check-up gut verläuft und alles ganz harmlos ist. Schön auch, dass dein Freund jetzt bei dir ist. Halte ihn einfach mal ganz fest oder bitte ihn, dich fest in die Arme zu schließen, damit du spürst, dass du lebst, liebe Mari! Und dann schrei einfach mal ganz laut, bis du außer Atem bist und atme wieder tief ein.... Immer wieder ein und aus...

Umarmung
Miri
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  #6  
Alt 03.01.2013, 09:32
Arelia Arelia ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Zitat:
Zitat von Mirilena Beitrag anzeigen
Und ich drücke ganz feste die Daumen, dass ihr Check-up gut verläuft und alles ganz harmlos ist. Schön auch, dass dein Freund jetzt bei dir ist. Halte ihn einfach mal ganz fest oder bitte ihn, dich fest in die Arme zu schließen, damit du spürst, dass du lebst, liebe Mari! Und dann schrei einfach mal ganz laut, bis du außer Atem bist und atme wieder tief ein.... Immer wieder ein und aus...

Umarmung
Miri
miri hat das wunderbar ausgedrückt! einfach mal schrein bis die luft weg is und gaaaaanz tief luft holen, das hilft.

ich wünsch dir alles gute für die zukunft
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  #7  
Alt 12.01.2013, 10:37
Larimari Larimari ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Mutti ist gesund. Zumindest ist ihre Lunge in Ordnung. Immerhin. Wir sind immer noch auf Wohnungssuche, aber optimistisch. Ich zumindest. Mom eigentlich auch. Aber sie ist noch ein bisschen verloren in ihrem neuen Leben.

Mir geht es soweit ganz gut. Ich heule nicht. Ich arbeite. Ich versuche, Alltag einkehren zu lassen. Ich muss zugeben, ich denke auch nicht mehr so oft an die beiden. Also schon noch eigentlich den ganzen Tag. Aber mit einer anderen Intensität. Manchmal rede ich mit meinem Dad. Vorzugsweise, wenn ich von der Bahn nach Hause gehe. Im Dunkeln.

Heute Nacht hatte ich einen fiesen Alptraum. Beide sind wieder gestorben. Mein Dad einmal, einmal mein Bruder. Der eigentlich zweimal. Beim zweiten mal bin ich jedoch im Sterben aufgewacht. Und hab beschlossen, einen positiven Aspekt aus dem Traum zu erinnern, und den Rest möglichst bald zu vergessen. Es gibt ein Lied, das ich meinem Bruder immer vorgesungen habe. Von Helge Schneider. und im Traum hat er, zum ersten mal, die letzten Verse mitgesungen. Fand ich toll. Finde ich immer noch toll.

Oh, ich merke, dass ich ungeduldiger mit empathielosen werde. Mein Gerechtigkeitssinn grad enorm geschärft für jeden Verstoß. Ich fange an, Leute ostentativ nicht zu mögen. Hab ich früher nicht so gehandhabt. Leute, mit denen ich nix anfangen konnte, gingen mir in der Regel am Allerwertesten vorbei. Ich glaube, ich werde wie mein Dad... O_o
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  #8  
Alt 12.01.2013, 19:48
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Wie schön, dass deine Ma nichts an der Lunge hat!!! Da bin ich echt erleichtert, Mari!!!

Und was deinen Gerechtigkeitssinn angeht... Ja, das kenne ich auch... Wobei, ich war nicht wirklich gerecht! Ich war sogar ziemlich ungerecht gegenüber anderen Menschen... Wie sollen diejenigen, die einen solchen Verlust nicht erlitten haben, Empathie aufbringen und dein Innenleben verstehen können? Meine Ma war da weiser als ich und sie hat mir beigebracht, Nachsicht zu üben statt meine Wut und Rachegelüste auszuüben Aber auch das brauchte seine Zeit. Alles braucht seine Zeit und es ist auch okay, wenn du jetzt aussortierst oder eben mit vielen nichts anfangen kannst. Ich halte es nun so, dass ich versuche, mich nicht über all diejenigen zu ärgern, die unwissend sind sondern mich über all die Begegnungen freue, die mir gut tun.

Liebe Grüße
Miri
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  #9  
Alt 13.01.2013, 00:22
Larimari Larimari ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Hi Miri!

Ich glaube, da hast Du mich evtl. etwas falsch verstanden. Ich meinte nicht die Empathie bezüglich meiner Situation, sondern generell. Wobei, vielleicht resultiert das eine aus dem anderen.

Wie soll ich das erklären. Also, ich hab zum Beispiel eine Vorgesetzte, die immer extrem auf tough macht, im Grunde aber nur total frustriert ist. Und sie legt ihre Maßstäbe an alle anderen an, und das ist total ungerecht. Sie gönnt ner Kollegin, die ne Zahn-OP hat, die anschließenden Krankentage nicht. Sie nervt mit immerwährenden Kommentaren zu Haltung und allem, was sie nix angeht.
Früher war es mir egal. Jetzt macht es mich nur aggressiv.

Das Nichtverstehen, von dem Du sprichst, kenne ich. Ich muss sagen, ich bin ganz froh, um meinen kleinen Freundeskreis. Die Mädels lassen mich in Ruhe. Wenn ich mich melde, ist es gut. Sie melden sich auch ab und zu, um mich wissen zu lassen, dass sie da sind. Und das tut gut. In der Arbeit sind viele selbst Halbwaisen, eine Kollegin hat ne Mom im Pflegeheim. Wir konnten also gut Erfahrungen austauschen. Und die Gedankengänge sind zuweilen sehr ähnlich. Vor allem bei den Kolleginnen, deren Väter auch an Krebs gestorben sind. Da fallen oft Worte wie Erleichterung oder Erlösung und Qual. Und Tod als Ende von Qual.

Meine Mom hat neulich mal was schlaues gesagt. Da war ich mal wieder geknickt, und hab meinen Dad und meinen Bruder sehr vermisst. Und sie meinte, naja, wir hätten uns doch gewünscht, dass die beiden Erlösung und Frieden finden mögen. Weil sie Schmerzen hatten. Weil sie immobil waren. Weil ihr Verstand nicht mehr funktionierte. Weil sie abrupt aufhörten sie selbst zu sein. Oder schleichend. Je nachdem, wen man betrachtet. Weil Lebensqualität. Vor allem aber weil Schmerzen.
Also wir haben uns es gewünscht, und dummerweise übersetzt der Wunsch sich aufgrund mangelnder Alternativen auch in ein "lieber Gott, nimm sie zu dir", falls man an Gott glaubt. Oder in ein "lass los, geh, wir schaffen es". Und wenn sie dann gegangen sind, oder vom lieben Gott abgeholt wurden, je nachdem, wie man es sehe mag, ist es doch ein ziemlich Unfaires, eine Rückgabe zu fordern.
Hat die Mom gesagt. Hat Sinn gemacht. Bedeutet jetzt nicht, dass ich weniger vermisse. Aber es ist gut, daran erinnert zu werden, dass der Zustand, dem sie entkommen sind, einer war, in dem ich selbst nicht existieren möchte.

Ganz liebe Grüße,
Mari
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  #10  
Alt 13.01.2013, 09:12
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Ach, so hast du das gemeint Ich denke, dass du einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn hast und da missfällt es dir eben sehr, wenn jemand (der dazu noch eine Maske trägt) andere schikaniert. Das geht mir genauso und ist halt einer der Gründe, die dazu beigetragen haben, dass meine EX-Geschäftsführung so ihre Problemchen mit mir hatte... Erstaunlicherweise ging es mir da wie dir. Nach dem Tod meines Vaters hat sich diese Eigenschaft noch ausgeprägt. Wenn ich schon vorher meine Klappe nicht halten konnte, dann kann ich jetzt noch weniger! Und viele Menschen, vor allem die in Machtpositionen, mögen halt Kritik und Widerworte nicht. Nun, ich persönlich bin dennoch froh, dass ich diesen Gerechtigkeitssinn habe und auch nicht die Klappe halte, denn letztlich muss ich mich morgens im Spiegel ansehen können, wenn ich mir die Zähne putze, oder?

Ja, das sind wirklich weise Worte deiner Ma! Und sie helfen auch, wenn man es zulassen kann. Hast du vielleicht im Kino schon "Life of Pi" angeschaut? Kann ich dir unbedingt empfehlen, denn der Film ist zum einen großes und bildgewaltiges Kino, zum anderen aber auch sehr lebensklug und ich habe an einigen Stellen weinen müssen, weil ich so ergriffen war. Am meisten berührte mich die Szene, als der Junge sagte: "Die schwerste Lektion, die wir im Leben lernen müssen, ist wohl das Loslassen." Ich dachte, das sei mein Satz... Ich glaube, der Film könnte dir gefallen, Mari! Und dazu entführt er einen für zwei Stunden in eine ganz andere Welt, die auch sehr bunt, faszinierend und schön ist...

Mach dir einen schönen Sonntag!
Miri
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  #11  
Alt 20.01.2013, 08:27
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Hallo Mari,

lange nichts von dir gelesen... Und wenn ich lange nichts lese, mache ich mir Sorgen... Wie geht es dir? Ich weiß, das ist eine nahezu bescheuerte Frage in Anbetracht deiner Geschichte... Ich hoffe, dass du irgendwie durch die Tage und Nächte kommst, dass der Schmerz und die Sehnsucht dich nicht erdrücken, dass da immer jemand ist, der dich in den Arm nimmt, wenn du Nähe brauchst und dir zuhört, wenn du reden möchtest.

Melde dich mal bei Gelegenheit wieder, ja?

Ganz liebe Grüße
Miri
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  #12  
Alt 25.01.2013, 15:03
Larimari Larimari ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Hi Miri!

Sorry, dass ich so lange nicht von mir habe hören lassen.

Es geht mir soweit ganz gut. Die Trauer ist immer noch eher still. Ich träume nur häufig komisch... Aber sonst lebe ich eigentlich relativ normal. Was soll ich denn auch anderes tun, ich muss ja weiter machen.

Mein Freund ist noch da. Er hilft. Ich hoffe, dass sich seine Jobsuche erfolgreich gestaltet. Es gefällt mir, wie wir zusammen leben.

Meine Mutter zieht jetzt auch nach München. Da sind komische Sachen passiert. Und es scheint, als wäre München jetzt der Ort. Das find ich gut. Ich bin neugierig, was sie so alles machen wird in nächster Zeit. Wie sie ihr neues Leben gestalten wird.

Es ist komisch, wie die Zeit vergeht. Bei meinem Dad ist es fast ein viertel Jahr. Bei meinem Bruder schon über ein Monat. Manchmal ist es so, als wären sie nie da gewesen. Dann wiederum denke ich mir, dass ich einfach noch immer nicht kapiert habe, dass sie wirklich weg sind. Ich weiß auch nicht. Ich hoffe nur, dass es irgendwann einen Moment gibt, wo ich weiß, dass hinter der Trauer keine Gefahr lauert, eine Depression oder sonst was schlimmes... Denn meine geistige "Stabilität" kommt mir manchmal verdächtig vor. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich es so gut wegstecke...

Wie geht es dir? Genießt du deine Freiheit?

Liebe Grüße,
Mari
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  #13  
Alt 25.01.2013, 18:53
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Liebe Mari,

schön von dir zu lesen! Ja, es dauert, bis du das alles so annehmen kannst und umso besser ist es, dass dein Freund bei dir ist! Klingt so, als wolle er bei dir bleiben?! Das wäre ja großartig, denn ich denke, dass es dir seht gut täte. Eine Beziehung auf Distanz hat auch ihren Reiz und ihre Vorzüge, aber jetzt ist ein guter Zeitpunkt für mehr Gemeinsamkeit.

Ich finde es auch gut, dass deine Mama Pläne hat und etwas verändert. Wenn sie sich eine neue Wohnung sucht, hat sie ein Projekt und vielleicht tut es ihr gut, denn es ist ein neuer Lebensabschnitt, der vor ihr liegt.

Noch bin ich ja nicht frei , doch nächste Woche ist meine letzte... Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wie es ist, nicht mehr morgens griesgrämig und mit Magenschmerzen in die Firma zu fahren Fühlt sich sicherlich gut an! Leider habe ich heute eine Absage von der Diakonie erhalten, wo ich mich am Mittwoch vorgestellt habe. Aber ich bin nicht so enttäuscht, wie ich dachte. Ich sage mir, dass nun alles so kommt, wie es kommen soll. Das wird schon!

Ganz liebe Grüße in den Süden
Miri
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  #14  
Alt 05.02.2013, 10:33
Larimari Larimari ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

d'oh...

jetzt geht das mit den ereignissen im jahr los. ich hab nämlich geburtstag. und es ist der erste ohne meinen dad und ohne meinen bruder. es ist sonderbar. genauso wie es sonderbar ist, dass dad jetzt schon seit einem vierteljahr tot ist. das klingt so lang... irgendwie. irgendwie auch nicht. irgendwie ist alles weit weg. irgendwie ist es zu nah dran. ich fühle mich immer noch in einem zwischendrin. nicht gelähmt, aber auch nicht frei. humpelnd, irgendwie...

auf jeden fall ist es komisch, mein dad hat sonst immer in aller hergottsfrühe angerufen. heute nicht. naja, im endeffekt nur ein weiterer tag, an dem ich es blöd finde, dass er sich nicht mehr meldet.

so, jetzt heul ich wieder...

jetzt heul ich nicht mehr.

jetzt fahr ich zum wertstoffhof. ich hab nämlich seit einer woche kram von meiner mom im wagen, den wir auf ihrem lokalen wertstoffhof nicht abgeben konnten, weil wir den sperrmülltag verpasst haben. damn you, kleinstadt!


freund hat noch keinen job hier. studiert aber fleißig an seinem master herum. nerdet mich den ganzen tag zu, ihr werdet sehen, ich mutier noch zur informatikerin. überlege schon, ob ich nicht aus spaß ne einführung software entwicklung bei akad machen soll.

mom zieht in knapp zwei wochen um. in ihre alte wohnung in münchen. also dorthin, wo wir zu beginn unserer familienzeit gewohnt haben. die vermieterin ist mittlerweile auch witwe und die zwei ladies machen jetzt eine alters-wg auf zwei etagen auf. finde ich gut! da wird sie viel zu tun haben.

so, jetzt auf zum fun-park! recycle for life!
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  #15  
Alt 05.02.2013, 11:36
puppe88 puppe88 ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst... Jetzt, wo fast alle weg sind...

Hey Mari

ALLES ALLES LIEBE ZU DEINEM GEBURTSTAG!

Ich wünsche Dir, dass dein kommendes Lebensjahr viele gute Stunden und Entwicklungen für dich bereit hält und du das vergangene Jahr "irgendwie" verarbeiten kannst!

Hab einen (soweit unter diesen Umständen möglich) schönen Tag (und das nicht nur im "fun-park" ....)
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