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Alt 11.09.2016, 13:42
Kelpie75 Kelpie75 ist offline
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Beiträge: 2
Standard "In Würde gehen" ist anders...

Mein Vater hat Prostatakrebs.


Vor knapp 2 Jahren hat er uns eröffnet, dass er jetzt eine Chemo anfangen muss. Dann kam Bestrahlung, Xtandi, dies und das.

Dauernd habe ich gehört, wie gut er anspricht und wie zufrieden der privat bezahlte Herr Professor Kr. (Wien) nicht ist. Den tät ich endlich gern kennen lernen, den Herrn Professor. Vor 14 Tagen hat man die letzte Anordnung von ihm vernommen, nämlich die Überstellung auf die Palliativstation.

In diesen 2 Jahren hat mein Vater - er spricht so gut an - nur abgebaut: Erst die Augenbrauen (endgültig), dann den Penis (komplett eingeschrumpft), dann die Schmerzfreiheit (Kreuzweh, Kreuzweh, Kreuzweh), dann die Kontinenz (restlos weg), dann das normale Essen (Übelkeit und Durchfälle, dann Stuhlgänge nur mehr mit Abführmittel), dann die Beweglichkeit der Beine (mehrfache Wirbelbrüche, Querschnittlähmung), dann die Beweglichkeit des rechten Arms (Gehirnmetastase, ziemlich groß).
Nun, dafür haben wir ein gigantisch geschwollenes Bein erhalten, dessen Thrombose von oben bis unten reicht.
Ach ja, und den monströs geschwollenen Hodensack nicht zu vergessen.
Und den Nierenstein.
Und die Sepsis.

Und die Erfahrungen mit dem menschlichen Pflegesystem.
So einen 100kg-Mann kriegst querschnittsgelähmt ins Haus zugestellt, so da ist er, auf Wiedersehen. Nach 10 Tagen ruft dann mal ein Kassenbeamter wegen der "Rollstuhlversorgung" an. Da hast du längst das ganze Zeugs privat besorgt, aber die ersten zwei Nächte musste der Vater auf einem alten Sofa schlafen. Dann haben wir den Johannitern 80 Euro bezahlen müssen, damit sie ihn in das zwischenzeitlich gelieferte Krankenbett tragen. Meine Mutter wiegt 50kg und ich habe schweres Asthma.


Mein Vater lebt noch. Er ist auch noch bei klarem Verstand.

Ich weine, seit ich gestern gehört habe, dass jetzt nicht mehr behandelt wird. Die Natur soll dann mal machen... Blöd nur, dass man in der Natur never, ever in so einen Zustand käme. Die Natur schickt lange vorher ein Raubtier vorbei.

Bis zu Weihnachten kann die Quälerei noch dauern.

Mit einem Tod in Würde hat das nichts zu tun.

Wozu das Ganze, wenns eh nichts nutzt?

In Würde gegangen ist vor 6 Jahren unser Schäferhund. Bei dem hat man wegen plötzlicher Lahmheit eines Hinterbeins ein CT gemacht, hat das aus dem Knochen rausgetretene Osteosarkom entdeckt, und hat ihn am nächsten Tag eingeschläfert. Tun Sie dem Tier das nicht an. Nein, sichtbare Lungenmetastasen hat er nicht, aber diese Dinger haben fast immer gestreut, wenn man sie findet. Wir könnten höchstens Ihnen noch Zeit erkaufen, aber tun Sie ihm das bitte nicht an. (Edit: Ein Canines Osteosarkom bei einem 10jährigen, kastrierten Deutschen Schäferhund ist - anders als bei Menschen - tatsächlich aussichtlos. Man kann amputieren und Chemo machen... Das ergibt Monate..,Sinnlos.)
Natürlich kam seine Tierärztin zu uns, und alle Familienmitglieder sind bei ihm gewesen, als er in meinem Bett die Narkose und die T61-Spritze erhalten hat. Er ist ruhig und friedlich entschlafen, den Herzstillstand haben wir nicht bemerkt.

Ich habe eine neue Lebensaufgabe gefunden: Ich will einmal legal Euthanasie haben dürfen, ohne dass ich in die Schweiz reisen muss.

Es ist so schlimm... Wenn er nicht mehr heimkommen kann, verstehe ich mich als Hinterbliebene. Auch wenn ich garantiert noch jeden Tag bei ihm sein werde! Einen Baum für die Bestattung muss ich morgen aussuchen gehen.

Geändert von Kelpie75 (11.09.2016 um 15:09 Uhr)
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