Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Hinterbliebene

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 06.11.2012, 23:31
hamburgschmuck hamburgschmuck ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 15.04.2012
Beiträge: 30
Standard Wielange darf ich um meine Mum trauern? (längere Geschichte)

Hallo Ihr Lieben Mitleser und Schreiber!

Leider habe ich meine liebe Mama am 20.10.2012 verloren.

Natürlich bin ich total traurig, lasse mich gehen, will alleine sein, aber am liebsten liebe Menschen um mich herum haben, aber ich habe eine Frage, denn ich habe Angst, dass ich diese irgendwann vor den Kopf bekomme.

Wie lange darf ich trauern?

Ich muss dazu eine kleine/große Vorgeschichte loswerden.

Mit 18 Jahren bin ich von zu Hause weg, ab dem Moment hat meine Mum mich dafür gehasst glaube ich. Eine gute Mutter war sie eigentlich nie, denn sie liebte Alkohol und sich. Ich habe immer wieder versucht Kontakt herzustellen, was aber schief lief. Letztendlich bin ich seelisch krank geworden, war ca. 15 Jahre Magersüchtig und bin nur mit vielen guten Gesprächen und ganz viel Angst vor dem Tod wieder einigermaßen fit geworden.

Vor 3 Jahren fing ich an meiner Mum mitzuteilen sie dürfe nicht mehr trinken, denn sie ist krank. Sie verneinte natürlich alles. Man muss dazu erwähnen, dass ich erst seit ca. 3 Jahren wieder einigermaßen Kontakt zu ihr habe. Weihnachten 2010 ging es ihr jedenfalls schlecht, sie hatte eine Magenschleimhautentzündung und konnte nichts mehr essen oder trinken, und zum Arzt ging sie auch nicht. Ich habe jedenfalls Sorge getragen, dass Sie ins Krankenhaus kam und sich mal durchchecken ließ. In einigen Gesprächen mit den Ärzten habe ich sie dann dazu bekommen einen Entzug zu machen und danach eine 6 monatige Langzeittherapie, welche sie auch alles toll meisterte. Während des Entzugs wurde ihr ein/e Wernicke Enzophalopathie + Polyneuropathie diagnostiziert. Jedenfalls lernte sie während der Langzeitthera einen Mann kennen, brach die Thera ab und war wieder zuhause. Dort ging es dann wieder los, allerdings kein Billigwein mehr, sondern Klarer und das trank sie nieeee.

Weihnachten verbrachte sie dann mir und meinen Geschwistern, abwechselnd. Schon zu der Zeit merkte ich dass sie immer Halsweh hatte, ich dachte an eine verschleppte Angina und kümmerte mich nicht weiter darum, denn sie war ja schließlich alt genug um zum Doc zu gehen!
Eines Tages Ende Januar 2011 kam dann ein Anruf, sie wäre gestürzt und lag die ganze Nacht ohne dass ihr jemand geholfen hat, weil sie niemand hörte.
Von dort an nahm alles seinen Lauf. Krankenhaus, OP wg Oberschenkelhalsbruch, Reha und dann wieder zu Hause. Dort merkte ich schnell dass sie immer vergesslicher wurde und aus der Wernicke Enzophalopathie entwickelte sich die schwerere Form der Alkoholdemenz das Korsakow Syndrom, denn sie hatte nun überhaupt kein Kurzeitgedächtnis mehr.

Im März beschloss ich mir einen neuen Wagen zu kaufen. Bis dahin wurde sie dann von einer ambulanten Suchtberaterin betreut, welche sie bei allen wichtigen sozialen Sachen begleitete.

Ich merkte jedoch, dass Ihre Halsschmerzen und auch ihre Polyneuropathie immer schlimmer wurden und ihre Suchtberaterin ging mit Ihr zum Doc HNO.
Diagnose Zungengrundkarzinom T4 Ende März 2012.
Sie wollte keine OP, das hätte bedeutet total Entfernung der Zunge. Das konnte ich verstehen.
Sie hat im Übrigen noch zwei weitere Kinder 24 und 26 Jahre alt, nur so nebenbei zur Info.
Dann bekam sie Bestrahlung und eine PEG Sonde, denn Chemo hätte sie nicht überstanden, denn sie aß und trank schon sehr wenig wegen der Schmerzen und wog irgendwie knappe 45 kg.

Nach der Bestrahlung im Juli 2012 kam sie wieder nach Hause und ich war erst mal beruhigt. Ich besuchte sie nur 4 Wochen nicht uns trennten zu der Zeit 160km. Und als ich dann bei Ihr war nach 1 Monat war ich sehr erschrocken , denn sie hatte meiner Meinung nach mind. 10kg abgenommen. Das Pflegepersonal und ich beschlossen dann Sie wäre besser im KKH aufgehoben um etwas aufgepäppelt zu werden und die Schmerzen besser einzustellen, denn diese wurden immer unerträglicher
Sie willigte gottseidank ein.
Es vergingen 2 Wochen auf der HNO ohne irgendeine Besserung, dann sagte man sie würde auf die Palliativstation verlegt werden, das ist nicht immer die letzte Station, es wäre einfach mehr Pflegepersonal vorhanden und sie bräuchte einfach mehr Hilfe als auf einer normalen Station. Nach CT und Röntgen wurde uns dann mitgeteilt, der Tumor wäre kleiner, es wäre dort etwas, was man aber momentan noch nicht eindeutig benennen könne, aber das könnte auch Narbengewebe sein. Nun gut, das ist auch nur ein Teil vom Ganzen.

In dieser Zeit des KKH Aufenthaltes überlegten die Ärzte, meine Mum und ich wie es weitergehen soll, denn alleine zurück nach Hause wäre nicht mehr machbar. Also machte ich mich mit der Hilfe eines Sozialarbeiters auf die Suche nach einem Pflegeheim hier bei mir in Hamburg, wo es auch gestattet war, dass ihr geliebte Katze Paula mitkommen dürfe. Ich begann also Ihre Wohnung aufzulösen, innerhalb dieses 4-5 Wochen langen KKH Aufenthaltes.
Es kam, sie zog ins Pflegeheim ein, jedoch nur 3 Tage. Donnerstag bis Sonntag, denn Sonntag war das Pflegepersonal restlos überfordert mit den Schmerzen meiner Mum, also kam sie ins KKH.

Dort gab es unglaubliche Situationen, aber dazu schreibe ich nicht mehr, als dass doch tatsächlich ein Assistenzarzt zu mir meine: ich habe gute Nachrichten für Sie, Ihre Mutter hat gar kein Krebs mehr! Ich wäre fast ausgerastet, verständlich, oder? Schon 2 Tage später haben meine Freundin und ich beschlossen ein Hospiz aufzusuchen und es anzusehen. Diese Idee war die Beste, die ich/wir je getroffen hatten.

Jedenfalls ist unsere Beziehung in dieser Zeit so innig und liebevoll geworden, wie ich es seit Kindheit nicht mehr hatte. Sie war liebevoll, führsorglich und lieb, eben wie eine Mama. Und das kannte ich nicht. Und sie war die Kranke, nicht ich, aber sie liebte mich, das sagte sie mir und das spürte ich zum ersten Mal.

Dann kam der Tag an dem meine Mum ins Hospiz einzog und sie fühlte sich das erste Mal richtig gut, sie lachte wann immer ich sie ansah. Und sie hatte nur einen Wunsch: lass mich bitte nicht alleine. Die ersten 4 Wochen kam ich täglich mehrere Stunden zu Besuch, lag mit Ihr im Bett, wir schliefen zusammen, lachten und machten Faxen. Sie war immer gut drauf, aber sie war eben vergesslich und sich ihrer schweren Krankheit wahrscheinlich nicht so 100% bewusst. denn sie fragte mich immer wieder, wann sie denn wieder nach Hause kommen würde. Ich sage euch, es ist so schrecklich diese traurigen Augen ertragen zu müssen, als ich Ihr dann versucht habe, sie wäre zu krank um wieder Heim zu kommen.
Sie arangierte sich mit dem Gedanken. In der 5. Woche jedoch ging es ihr von Tag zu Tag schlechter und schließlich schlief sie friedlich und sanft in meinen und den Armen einer sehr guten Freundin ein. Sie wog keine 25 kg mehr und ich habe soviele Fragen!

Ich bin immer noch geschockt und es tut so weh, alles ist leer und ich fühle mich so allein.

Diese Geschichte soll es Euch nur etwas erleichtern mich/meine Frage besser zu verstehen.

Ich darf doch trauern solange ich will, oder?

Auch wenn wir erst so spät zueinander gefunden haben, sie anfangs eine nicht so nette Mama war, aber in den letzten Wochen einfach alles wieder gutgemacht hat was vorher falsch lief?

Es war doch richtig sie zu begleiten und Ihr ihren einzigen Wunsch den Sie hatte zu erfüllen, oder?

Liebe Grüße
Cindy
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 07.11.2012, 05:57
Benutzerbild von fraunachbarin
fraunachbarin fraunachbarin ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 04.11.2010
Ort: ulmer ecke
Beiträge: 1.150
Standard AW: Wielange darf ich um meine Mum trauern? (längere Geschichte)

liebe cindy..
erstmal mein aufrichtiges beileid zum heimgang deiner mutter. ich kann dich so gut verstehen, meine mami ging am 15.okt. auch bei uns war die beziehung vorher immer etwas schwierig und wurde erst durch ihre krankheit intensiver. genieß es, daß ihr noch so eine schöne zeit miteinander hattet.
mach dir bitte keinen kopf, du hast alles richtig gemacht. und du bestimmst, wie lang du trauerst. da gibt es keine richtlinien. jeder trauert anders. ich weine oft um meine mutter und werd dies wohl auch noch lange tun. ich habe bis zur beerdigung schwarz getragen. jetzt bin ich eher dunkel angezogen. trauer so, wie du es möchtest.
ich wünsch dir ganz viel kraft für die kommende schwere zeit. und schreib hier ruhig weiter, du wirst sehen, es tut sehr gut.
stille grüße von tine
__________________
MISS YOU MAMA
24.02.1944-15.10.2012
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 07.11.2012, 08:37
Benutzerbild von Mirilena
Mirilena Mirilena ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 11.05.2011
Ort: Schleswig-Holstein
Beiträge: 1.519
Standard AW: Wielange darf ich um meine Mum trauern? (längere Geschichte)

Liebe Cindy,

deine Geschichte berührt mich sehr und deine Frage möchte ich dir gern beantworten: du darfst solange um deine Mama trauern, wie du es für nötig hältst! So wie Tine es dir schreibt, da gibt es keine Regeln und Richtlinien, an die wir uns halten müssen. Wir alle trauern unterschiedlich und das ist auch gut und richtig so.

Ehrlich gesagt wird dich die Trauer um deine Ma wohl den Rest deines Lebens begleiten. Allerdings wird sie nicht so übermächtig und wuchtig sein, wie sie sich jetzt anfühlen mag. Sie ändert sich im Laufe der Zeit. Sie wird weniger bitter, weniger brutal. Aber sie ist da!

Trotz aller Traurigkeit und Schwere finde ich es unglaublich schön, dass deine Mutter am Ende ihres Lebens den Weg zu dir gefunden hat, dass sie dann die Mama für dich sein konnte, wie es ihr vorher nicht möglich war und dass ihr beiden so viel Nähe zulassen konntet. Das ist ein wunderbares Geschenk und ich denke, dein kostbarer Schatz. Und ich möchte dir gern sagen, dass du eine wundervolle und liebevolle Tochter bist, die trotz vieler Verletzungen und Enttäuschungen zu ihrer Mutter gehalten hat. Vor allem in einer Zeit, da sie dich am meisten brauchte. Da wird sie auch erkannt haben, wie sehr sie dich liebt und sie hat die Zeit, die ihr blieb, genutzt. Schade, dass es euch nicht mehr Zeit verblieb, aber es ist müßig, sich darüber Gedanken zu machen. Halte dich an den schönen Momenten und Erinnerungen fest. Diese werden dir hoffentlich die nötige Kraft geben. Und alles was vorher schief gelaufen ist, interessiert auch nicht mehr. Wichtig ist, dass du ihr vergebe hast und ihr beide diese Liebe füreinander gespürt habt und immer noch spürt. Die wird auch tief drin in dir bleiben und niemand (auch nicht der Tod) kann dir das Gefühl wegnehmen.

Alles Liebe
miriam
__________________
Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 07.11.2012, 10:01
hamburgschmuck hamburgschmuck ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 15.04.2012
Beiträge: 30
Standard AW: Wielange darf ich um meine Mum trauern? (längere Geschichte)

Hallo!

Liebe Fraunachbarin:
Danke für deine lieben Worte! Ich habe deine Beiträge auch still mitverfolgt und möchte dir meine Anteilnahme mitteilen.

Irgendwie ist es doch bei uns Hinterbliebenen fast alles gleich bis auf kleine Ausnahmen und das zeigt, das wir Jeder von uns EINZIGARTIG sind.

Ich trage übrigens gerne weiss, weisse Brille, weisses Auto, weisses Rad usw.
Ist glaube ich auch eine Trauerfarbe, in Asien?

Was mir auch unglaublich hilft sind die Bücher von Elisabeth Kübler Ross. Dazu muss ich sagen, ich habe noch nie ein Buch zuende gelesen und nun habe ich 2 von ihr durch und lese paralell gerade 2 weiter von ihr.

Liebe Miriam:

Ich danke auch Dir für deine so wahren Worte.

Du hast es 100% getroffen: Es ist mein Schatz, ganz allein meiner und der meiner Mum. Wie gesagt ich habe noch 2 Geschwister, jedoch diese nur am Rande erwähnt.

Ich weiss nicht warum ich diejenige war die diese Aufgabe übernommen hat, aber es sollte wohl so sein.

Ihr könnt Euch nicht vorstellen wie sehr ich sie liebe und vermisse und wie leer alles ist. Das schlimmste ist, ich muss die Füsse stillhalten, denn ich kann die Beerdigung nicht alleine tragen und somit mussten wir Beihilfe dafür beantragen und ich bin auf die Mitarbeit meiner Geschwister angewiesen. Es ist sooo traurig zu wissen, dass meine Mum dort nun irgendwo in einer kalten Halle liegt, dabei liebte sie es so kuschelig und warm. Ich weiss, es ist nicht mehr sie, nur Ihre Hülle, aber sie ist irgendwo und beobachtet sicher alles. Denn drei Tage vor ihrem Tod waren ihre Augen offen, als ob sie immer schauen wollte ob alles richtig läuft. Selbst danach gingen sie nicht zu schliessen. Sicher gibt es eine medizinische Erklärung dafür, aber das ist nur eine meiner vielen Fragen.

Wieder ein halber Roman, aber es tut so gut sich Euch mitteilen zu dürfen.

Liebe Grüße
Cindy
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 07.11.2012, 13:57
Benutzerbild von fraunachbarin
fraunachbarin fraunachbarin ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 04.11.2010
Ort: ulmer ecke
Beiträge: 1.150
Standard AW: Wielange darf ich um meine Mum trauern? (längere Geschichte)

liebe cindy..
schön, daß es dir hier gut tut.. :-)
ich hatte auch schwierigkeiten damit, daß mami in dieser dunklen kalten halle lag. hat mich fast wahnsinnig gemacht. ich wollt ihr am liebsten eine decke bringen. aber mittlerweile weiß ich, daß sie dort wo sie jetzt ist, nicht friert. sie hat es schön. und das freut mich für sie soooo sehr.
ist völlig egal, welche farbe du trägst. trauer so wie es dir gut tut.
ich wünsch dir einen schönen tag.
fühl dich lieb gegrüßt von tine
__________________
MISS YOU MAMA
24.02.1944-15.10.2012
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 09:22 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55