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  #16  
Alt 24.11.2012, 16:08
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Hallo Liloe,

es gibt keine Gedanken, die man nicht denken darf. Die Äußerungen deiner Mutter "Was soll ich hier noch?" sind ganz normale Gedanken einer frisch Trauernden. Was nicht heißen soll, man dürfte sie auf die leichte Schulter nehmen. Doch vom Gedanken zur Ausführung ist in der Regel noch ein gutes Stück. Was ich dabei als ganz wichtig empfinde ist das Reden über die eigene Trauer. Wer sich in der Trauer total von seiner Umwelt abkapselt, sich selbst isoliert, lebt gefährlich. Da kann es schon passieren, daß sich in der Einsamkeit der eigenen Gedankenwelt Dinge einschleichen, die man selbst nicht mehr beherrschen kann. Dann braucht es einfühlsame Angehörige oder Freunde, die mit ihren Gedanken die eigene Gedankenwelt bereichern. Du hast dir bereits gute Gedanken gemacht, wie du reagieren könntest.

Zu den Gedanken zur 'Spaßgesellschaft' kann ich nur voll zustimmen. Alles und jeder muss immer funktionieren und fröhlich sein. Trauer, depressive Stimmungen, ein schlechter Tag, das wird nicht zugelassen. Es gibt ja schließlich diese rosa Pillen. Neulich hab ich mal gelesen, dass die Trauer, wenn nach 2 Wochen nicht bewältigt, als behandlungsbedürftig im Sinne der Psychiatrie eingestuft werden sollte. Auf welchem Planeten leben eigentlich solche Leute??? Da gebe ich deiner Mutter absolut recht: das ist Beutelschneiderei!! Ich will damit die Psychologie nicht verteufeln. Es gibt viele Gebiete, wo sie sinnvoll eingesetzt werden kann. Doch ein Trauernder muss sich selber helfen. Wenn die eigene Kraft nicht reicht, dann ist es richtig, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Keine Pillen, die nur unterdrücken.

Ich will damit nur sagen, daß jeder einigermaßen stabile Mensch seine Trauer durchaus aus eigener Kraft durchleben kann. Der Tot gehört zum Leben wie die Geburt und damit auf der einen Seite die Freude, wenn ein Mensch geboren wird und andererseits die Trauer, wenn ein Mensch stirbt. Trauer ist keine Krankheit sondern neben der Liebe das stärkste Gefühl, das ein Mensch haben kann. Beide gehören zusammen, sind miteinander verbunden. Das Eine geht ohne das Andere nicht. Nur wer lieben kann, kann auch trauern.

Deine Mutter braucht auch ein gutes Stück Einsamkeit. Das Gefühl, ich bin nicht vergessen, das reicht zum Anfang. In ihrem Kopf ist alles Chaos und das kann nur sie wieder wirklich ordnen. Wie sie das macht, bleibt ihre Entscheidung. Von außen kann man nur die Hand ausstrecken. Zugreifen muss sie selbst.

Klar kann ein Telefonat, ein Gespräch, ein Brief sie nicht für den ganzen Tag aus der Trauer reißen. Doch das sind Ereignisse, auf die sie sich auch wieder freuen wird. Es sind Lichtblicke, die ihr deutlich machen, daß sie nicht alleine ist. Wie sie den Rest des Tages gestaltet (oder auch nicht), bleibt letztendlich ihr selbst überlassen. Jemanden mit Gewalt 'bespaßen' zu wollen ist absoluter Unsinn. Das macht auf Dauer mehr kaputt als es hilft. Auf beiden Seiten. Das fördert lediglich Abhängigkeiten, die vielleicht auf Dauer nicht erfüllbar sind.

"Ich bin für dich da. Nicht, weil du mich brauchst, sondern weil ich dich liebe."

Das braucht ein trauernder Mensch. Nicht mehr und nicht weniger.

Sicher 'braucht' sie dich jetzt. Ganz dringend. Doch wenn man nur auf dieser Basis mit einander umgeht, was ist dann, wenn sie dich nicht mehr 'braucht'? Lässt du sie dann wieder allein? Ganz gewiss nicht. Die Liebe zu deiner Mutter ist die Antriebsfeder, nicht der Gedanke: sie braucht mich jetzt. Gebrauchen heißt ja auch benutzen. Wie ein Auto. Wenn etwas daran kaputt ist, wird das repariert und nach der Fahrt wird es in der Garage abgestellt und erst bei Bedarf wieder hervor geholt. Ist das so unter Menschen, die sich lieben? Denk mal in beide Richtungen.


Liebe Grüße,

Helmut
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