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  #1  
Alt 30.08.2007, 11:42
Tristanne Tristanne ist offline
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Registriert seit: 28.08.2007
Beiträge: 119
Standard Mami - jetzt bist Du frei

Hallo zusammen,

Ich trauere um meine liebe Mami. Sie ist am dritten August eingeschlafen. Bronchial-CA. Adeno-squamös. G3.
Als der Tumor im Juni kurz nach ihrem 69. Geburtstag entdeckt wurde, hatte er schon überall hin metastasiert, daß uns gleich alle Hoffnung genommen wurde. Es ging alles so schnell. Ich kann es noch gar nicht fassen. Wie soll ich erst das Ausmaß meines Leids und meiner Trauer wahrhaben. Es ist ja auch nicht zu erfassen, weil es unendlich ist...
Mami hat immer gesagt: "Wir haben uns niemals wehgetan". Sie war so ein optimistischer, phantasievoller, naturverbundener, hilfsbereiter Mensch und immer an meiner Seite. Mein Vater hat sich vor meiner Geburt davongemacht und Geschwister habe ich keine. Zum Rest der "Familie" besteht kein Kontakt.

Auch wenn das kein Trost ist, ich danke Gott, daß er am Vorabend ihres Todesabends mein Gebet erhört hat, so daß sie nicht lange so schrecklich leiden mußte. Ich danke Gott, daß sich meine Mutter in meinem Beisein sanft, ruhig und ohne Angst aus dieser Welt lösen konnte. Sie ist jetzt frei von allem Leid. Es ist doch nur ein irdischer Abschied, wir werden irgendwann wieder beieinander sein, das glaube ich.

Ich lese und leide bei euch schon mit, seit wir die Diagnose erfahren haben; und auch wenn ich noch nicht direkt schreiben konnte, habe ich mich immer angesprochen und betroffen gefühlt und so oft geweint über die Schicksale, von denen ich hier erfahren habe. Jetzt kennt ihr auch unseres.
Ich bin sehr dankbar für die vielen Informationen, die ich in diesem Forum gewonnen habe, für die wertvollen Geschichten - mit Bewunderung habe ich viele Beiträge von betroffenen erkrankten Menschen gelesen, die den Mut nicht verlieren und weiterkämpfen - und nicht zuletzt dafür, daß ich durch eure Beiträge Kraft schöpfen konnte und weiß, daß ich nicht allein bin. Das hilft.
Bevor meine Mutter die Augen zumachte, habe ich ihr gesagt, daß ich schon alleine klar käme. Ich wollte es ihr doch nicht so schwer machen. Doch das ist nicht so, ich komme überhaupt nicht klar. Sie fehlt mir so sehr. Jeden Tag hat sie mich gefragt, wie mein Tag war. Selbst noch an dem Tag vor ihrem Tod, als sie kaum noch sprechen konnte und so viel Kraft aufwenden mußte, um mich wahrzunehmen, hat sie gefragt, wie mein Tag war...
Und jetzt, zu unserer gewohnten Zeit, bleibt das Telefon stumm....

Liebe, traurige Grüße,
Tristanne
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  #2  
Alt 30.08.2007, 12:26
Engel07 Engel07 ist offline
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Beiträge: 1.823
Standard AW: Mami - jetzt bist Du frei

liebe Tristanne,

es tut mir so leid. Meine aufrichtige Anteilnahme für dich. Wann immer du das Bedürfnis hast, komm zu uns und schreib über deinen Kummer, deine Trauer. Wir sind für dich da.

Ich halte dich ganz fest und schicke dir ein großes Kraftpaket.
__________________
Engel

Paps: 07.11.1952 - 11.08.2008
Zweifle nicht am Blau des Himmels,
wenn über Deinem Dach dunkle Wolken stehen.
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  #3  
Alt 30.08.2007, 15:14
Tristanne Tristanne ist offline
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Beiträge: 119
Standard AW: Mami - jetzt bist Du frei

Lieber Engel,

ich danke Dir so sehr und von ganzem Herzen für Deine lieben Worte. Mir sind direkt die Tränen in die Augen gestiegen...

Eben habe ich Deine letzten Beiträge über Deinen Dad gelesen, und mit Dir - und vielen anderen hier - gaaaaaanz kräftig aufgeatmet.

Ich schicke Dir und Deinem Dad all meine guten Gedanken!!

Ganz liebe Grüße und Wünsche und weiterhin viel Mut und Kraft! Und eine virtuelle Umarmung,
Tristanne
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  #4  
Alt 31.08.2007, 12:06
Tristanne Tristanne ist offline
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Registriert seit: 28.08.2007
Beiträge: 119
Standard AW: Mami - jetzt bist Du frei

Liebe Wahey,

ich danke Dir so sehr und ich drücke Dich ganz ganz fest zurück. Mein tiefes Mitgefühl für Dich - ich fühle auch, was Du durchmachst.

Wie ihr sind wir auch in ein Hospiz gegangen. Genau wie Du das Sterben Deines Vaters erlebt hast - danke , daß Du es erzählt hast, ich habe es unter Tränen gelesen - war es auch für mich ein Geschenk, beim Sterben dabei sein zu dürfen und die Hand meiner Mutter zu halten, meinen Kopf auf ihre Schulter zu legen, ihr etwas zuzusprechen. (Leider konnte ich wie Du nicht so viel sprechen, weil mein Hals wie zugeschnürt war). Ich habe sie an schöne Dinge aus ihrer Kindheit erinnert, die sie mir immer erzählte. Wie sie als Kind durch die Kornfelder lief und stundenlang auf dem Rücken im Gras lag und die Wolken beobachtet hat.
Ich konnte ihr den letzten Wunsch erfüllen, nicht im Zimmer zu sterben. Sie war doch immer draußen in der Natur und unterwegs. Daß sie fast 2 Monate ans Bett gefesselt war (Metastasen in der Wirbelsäule, im Rückenmark, Osteolysen im Becken, in den Hüftgelenken, Lähmung der Beine) war die schlimmste Qual für sie.
Wir haben sie raus auf die Terrass gebracht. Dort verbrachten wir ca. 2 Stunden. Als sie vorher mit letzter Kraft sagte, daß sie raus wollte (sie hat ja kaum noch Luft bekommen und Sauerstoff und auch Morphin abgelehnt an diesem Tag abgelehnt), wußte ich, daß es soweit sein sollte und daß sie bewußt sterben wollte.
Ich habe ich ihr die Wolken am Himmel beschrieben. Durch die Hirnmetastasen konnte sie nicht mehr sehen, aber sie hat den Wind gefühlt - es war ein sehr schöner Sommerabend. Sie hatte keine Angst und hat sich hingegeben, das Atmen wurde ganz langsam immer weniger. Es war nichts Erschreckendes, nichts Gruseliges, gar nichts Schlimmes. Und vorher hatte ich soviel Angst. Ich habe sogar zu meinem Freund, der es noch geschafft hatte, zu uns zu kommen, gesagt: "Bist Du sicher, daß Du bleiben willst?", weil ich ihm "das" (eventuelle Todeskämpfe) nicht zumuten wollte. Er blieb und er war hinterher so dankbar, dabei sein zu dürfen und war überwältigt. Genau wie ich. Mamis beste Freundin war vorher noch da und hat Mami eine "Gute Reise" gewünscht. So konnten alle ihr Nahstehenden Abschied nehmen.
Meine Mutter hat mir Mut gemacht. Bei all der Traurigkeit bin ich unendlich stolz auf meine Mutter, daß sie mir so etwas Großes mitgegeben hat. Der Hospizarzt sagte, das sei Selbstbestimmung gewesen, entsprechend des Hospizgedankens. Im Krankenhaus hätte man ihr Leben unter Umständen noch künstlich verlängert. Freitag, der 13. Juli, als die Krankenhaus-Ärzte Mami aufgegeben haben und ich sie am 16. Juli in ein Hospiz bringen mußte, war der schlimmste Tag. Doch sie konnte dort in Würde sterben.
Nach dem Tod ist sie noch so liebevoll geschmückt worden, mit bunten Gartenblumen in der Hand. Rosen waren ihr immer zu pompös.. Eine Schwester ist daraufhin in den Hospiz-Garten gegangen und hat dort einen Strauß für sie gepflückt. Ich habe dann noch bis spät nachts bei ihr gesessen. Die Atmosphäre im Raum war irgendwie erhaben, so als wäre ihre Seele noch nicht ganz fort. Sie sah so entspannt aus, als wäre sie nie krank gewesen. Mein Freund meinte, sie sah wieder aus wie früher, doch ich fand sie noch schöner, wie sie in Frieden ruhte....
Heute bin ich genau 4 Wochen in Trauer. Ich vermisse meine Mami unendlich und es tut so grausam weh.
Doch jetzt finde ich auch Worte und wollte diese Erfahrung mit euch teilen. Bestimmt würde sich meine Mutter darüber freuen, daß ich euch jetzt sagen möchte, daß das Sterben etwas Natürliches ist, wovor man keine Angst zu haben braucht. Ich glaube, daß jedes Sterben so individuell ist wie eine Geburt, wie die Person selbst, aber vielleicht hilft es euch ja ein wenig, den Tod eurer Liebsten, wenn er unvermeidbar bevorsteht, anzunehmen.

Tristanne

Geändert von Tristanne (18.10.2007 um 17:19 Uhr) Grund: ...
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  #5  
Alt 02.09.2007, 22:22
Benutzerbild von Linde030
Linde030 Linde030 ist offline
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Registriert seit: 05.06.2007
Ort: Berlin
Beiträge: 300
Standard AW: Mami - jetzt bist Du frei

Liebe Tristanne,

ich habe deine Berichte gelesen und ich möchte dir meine aufrichtige anteilnahme aussprechen,
besonders dein letzter bericht ging mir sehr nah und es rollten ein paar Tränen, ich hoffe wenn es bei meinen Mann mal so weit ist das er genau so Friedlich einschläft wie deine Mutter.

Vielen Dank für deine zeilen ich glaube du hast vielen mitteilen können das man vor dem was vielen hier noch bevorsteht keine angst haben muß.

ich umarme dich u. schicke dir ein großes Kraftpaket.

Liebe grüße Linde
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  #6  
Alt 06.09.2007, 16:14
Tristanne Tristanne ist offline
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Registriert seit: 28.08.2007
Beiträge: 119
Standard AW: Mami - jetzt bist Du frei

Liebe Linde,

ich danke Dir so sehr fürs Lesen und für deine herzliche Anteilnahme und Deine lieben lieben Zeilen.
Ich hatte große Angst, das muß ich ehrlich sagen, weil ich ja nicht wußte, was kommen wird. Vor allem hatte ich Angst, daß meine Mutter Angst hat. Dies ist vielleicht unsere größte Angst. Ich glaube, daß das Bewußtsein der Sterbenden nicht mit unserer Wahrnehmung oder mit unserem Vokabular zu erfassen ist. Ich würde sonst sagen: Sie war glücklich. Kurz nachdem meine Mutter die Augen geschlossen hat, habe ich (irdische) Glückseligkeit und Erleichterung gefühlt.

Bei euch heißt es aber jetzt: Kopf in den Nacken, immer weiter kämpfen und den Mut, auch bei etwaigen Rückschlägen, bitte nicht verlieren. Ich hoffe ganz fest für euch, daß die Chemo die bestmöglichste Wirkung zeigen wird! Ich wünsche Deinem Mann, Dir, Deinem Sohn (ich hoffe, er konnte seine Prüfungen gut schaffen) und Deiner Familie alles alles erdenklich Gute und Liebe! Paßt auf euch auf.
Es tut mir leid, daß Du zusätzlich noch Schwierigkeiten mit dem bürokratischen Kram hast. Das ist wirklich das Letzte, wofür man Nerven hat. Ich hoffe, ihr kriegt das schnellstmöglich geregelt.
Ich wünsche euch gemeinsame schöne Stunden, wenn Dein Mann zum Wochenende nach Hause kommt.

Nochmals DANKE für Deine wundervollen Worte.

Ich sende Dir eine kraftspendende Umarmung, oder am besten gleich ganz viele!

Tristanne
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  #7  
Alt 06.09.2007, 15:59
Tristanne Tristanne ist offline
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Beiträge: 119
Standard AW: Mami - jetzt bist Du frei

Es ist wie Du sagst, liebe Wahey, das Schlimmste war die Angst vor dem Sterben und dem "Danach".
Das "Danach" macht mir allerdings noch Angst. Ich weiß nicht, was schlimmer ist, traurige oder glückliche Dinge nicht mehr miteinander teilen zu können. Jetzt, einen Monat ohne Mami denke ich oft, ich möchte am liebsten auch dort sein, wo sie jetzt ist. Ich war ja noch nie die Ausgeburt an Lebensfreude.... Doch würde sie das hören, würde sie "schimpfen". Also - tapfer sein und daran glauben, daß die Zeit, wenn auch vielleicht nicht heilen, aber sicher lindern kann.
Ach, jetzt bräuchte ich den Trost meiner Mutter...
Ich wünsche uns, daß der Schmerz bald weniger wird und wir mehr mit liebevoller Erinnerung als mit Schmerz und Trauer weiterleben können.
Ich fühle auch so sehr mit Dir und denke an Dich!

Sei ganz lieb gedrückt,

Tristanne
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