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Alt 04.06.2012, 05:19
saschafcu saschafcu ist offline
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Registriert seit: 04.06.2012
Ort: 16727 Velten
Beiträge: 4
Standard Eine kurze Leidenszeit mit einem Lungenkrebs

Hallo liebe Leute,

ich habe mich heute bei Euch angemeldet, um mir ein bisschen was von der Seele zu schreiben. Um mehr geht es mir vorerst nicht

Mein Name ist Sascha, bin 24 Jahre alt und komme aus dem nördlichen Umland von Berlin.

Mein Vater ging am Mittwoch, den 16.05.2012 mit Bauchschmerzen und einem geschwollenen Bauch zu seinem Hausarzt.
Der Verdacht: Magendurchbruch.
Am gleichen Tag wurde er ins Krankenhaus nach Oranienburg überwiesen, wo Metastasen auf der Leber festgestellt wurden. Trotzdem wurde er anschließend nach Hause entlassen mit der Info, doch bitte am darauffolgenden Montag wieder zu kommen.
Also wurde er an diesem besagten Montag stationär aufgenommen, da ein Verdacht auf Lungenkrebs bestand.
Die Woche über wurden etliche Bluttests gemacht, reden wollte mit ihm und mit uns aber irgendwie niemand.
Als ich Freitag Abend von der Arbeit nach Hause kam und anschließend zu meinen Eltern fuhr, traute ich meinen Augen nicht. Mein Papa saß zuhause, am ganzen Körper wegen des Leberschadens gelb angelaufen und auch sonst ging es ihm ziemlich dreckig.
Selbst der einfache Gang vom Wohnzimmer zur Küche war nicht mehr ohne Schmerzen möglich. Laut den Ärzten kommen die Befunde erst in knapp 2 Wochen und solange könne man sowieso nichts unternehmen. Der behandelnde Arzt meinte zu meinem Vater, ohne bald beginnender Chemotherapie hätte er noch knapp 4 - 6 Wochen zu leben.
Und da soll man noch 2 Wochen auf diese blöden Befunde warten??

Am Pfingstmontag beschloss ich also, ihn in ein anderes Krankenhaus zu bringen. Da am Feiertag weder eine Überweisung möglich war, noch die Befunde bis dahin vorlagen, fuhr ich mit ihm in die Notaufnahme des Krankenhauses Waldfriede in Berlin-Zehlendorf.
Ich wählte diese Klinik, da ich bisher nur Gutes über die Ärzte und den Umgang der Pfleger mit den Patienten gehört und gelesen hatte.

In der Notaufnahme wurde er anschließend gleich mal 4 Stunden durchgecheckt, mit dem Ergebnis, dass die komplette Leber mit Metastasen übersät war. Auch seien wohl die Nieren leicht angegriffen.
Ich war erleichtert, als die behandelnde Ärztin meinte, er müsse auf jedenfall stationär aufgenommen werden.
Ich konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass er dieses Krankenhaus nicht mehr verlassen würde.

Am nächsten Tag telefonierte ich mit der behandelnden Ärztin, um mich über den Zustand meines Vaters zu informieren.
Dem aktuellen Krankheitsverlauf nach zu urteilen, scheint der Tumor nicht mehr operabel zu sein. Sie sagte mir, mit einer Chemotherapie könnte man das Leben noch etwas verlängern, aber ohne entgültige Befunde ist alles nur Spekulation.

Von Tag zu Tag verschlechterte sich der Gesundsheitszustand zunehmens.
Selbst ein zur Seite drehen im Bett war kaum noch möglich.
Am vergangen Freitag wurde trotzdem mit den Vorbereitungen auf die Chemotherapie begonnen, indem eine Kammer neben das Schlüsselbein gesetzt wurde, wo später die Flüssigkeit hereingespritzt wird. Aber Ihr kennt das ja mit Sicherheit.

Freitag Nachmittag war dann die Klinik auf unserem Anrufbeantworter zu hören, genauer gesagt die Intensivstation. Der Schock war beim Abhören des Bandes grenzenlos.
Man sagte uns, dass er kurz vor der Verlegung zurück nach Oranienburg plötzlich Blut spuckte, da sich eine Art Zysten in der Speiseröhre öffneten.
zudem versagte die Leber komplett, die Nieren gaben ihren Dienst auf, das Blut gerinnte und die Blutwerte gingen in den Keller.

Was das letztlich bedeutet, war meiner Mutter und mir sofort klar, spätestens aber nach dem Gespräch mit dem Arzt der Intensivstation.
Lange würde mein Papa also nicht mehr leben, vielleicht ein paar Wochen, eventuell aber auch nur noch wenige Tage.

Ansprechbar war er aber weiterhin und so äußerte er auf meiner Nachfrage den Wunsch, nicht weiter behandelt zu werden. Seine Kräfte waren nach dieser kurzen aber äußerst intensiven Zeit am Ende.

Wir beschlossen also, meine Schwester, welche in Hessen lebt, zu informieren, dass sie schnellstens zu uns kommen soll, wenn sie ihren Vater noch einmal lebend sehen möchte.

Am nächsten Tag stand sie mit ihrem Mann und ihrem 8 Monaten alten Sohn bei uns.
Es war mittlerweile Samstag, der 02.06.2012. Wir fuhren sofort nach Berlin ins Krankenhaus, so dass Papa noch einmal seine Tochter, seinen Schwiegersohn und seinen kleinen Enkel sehen konnte.
Für einen kurzen Moment war ein Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen.
Leider mussten wir nach gut 2 1/2 Stunden schon wieder gehen, da er einfach keine Kraft mehr für Besuch hatte, da er fast die gesamte Woche nichts mehr essen konnte. Die Leber drückte wohl zu sehr auf den Magen.

Am gestrigen Sonntag fuhren wir selbstverständlich wieder zu ihm ins Krankenhaus, wo sich sein Zustand noch einmal deutlich verschlechterte.
Sein Körper war komplett kalt, er schwitzte aber ohne Ende.
Laut der leitenden Schwester war dies kein gutes Zeichen.
Die Ärztin teilte uns im persönlichen Gespräch mit, dass sein Krebsleiden sich im Endstadium befindet und man ihm nur den Schmerz bis zu seinem baldigen Tod nehmen könne.

Natürlich hatten wir uns schon spätestens am Freitag mit dem Gedanken abgefunden, dass wir uns schon sehr bald von ihm verabschieden müssen.
Wir verabschiedeten uns mit den Worten "Bis Morgen" von ihm, nicht ahnend, dass es keinen Morgen mehr geben werde.

Die Station hatte selbstverständlich meine Telefonnummer, unter der man mich Tag und Nacht anrufen sollte, sobald sich der Zustand dramatisch verschlechtert.

Um 00:40 Uhr heute morgen klingelte dann mein Telefon. Die leitende Ärztin Frau Dr. Friebel, die meinen Vater die ganze Woche liebevoll betreute, sagte mir, dass er soeben friedlich und ohne Schmerzen mit 69 Jahren eingeschlafen sei.

Sie sagte mir außerdem, um ca 22:30 Uhr habe sich sein Zustand deutlich verschlechtert. Auf die Frage, ob die Ärztin seine Familie verständigen solle, antwortete er mit Nein, wahrscheinlich, um uns das Leid am Sterbebett zu ersparen.

ich holte meine Mutter und fuhr mit ihr sofort zur Klinik, um noch einmal in Ruhe Abschied zu nehmen.

Es war ab dem Erstbefund eine mit 19 Tagen extrem kurze Leidenszeit, worüber ich letztlich sehr dankbar bin.
Eine mögliche Chemotherapie hätte sein Leben vielleicht um 3-4 Wochen verlängert, was niemand von uns und schon gar nicht mein Vater unter diesen Umständen wollte.

Die entgültige Todesursache kann nur geklärt werden, wenn mein Vater obduziert würde, was von unsere Seite aber sofort verneint wurde.
Wir möchten einfach nicht, dass nach seinem Tod noch an ihm herumgeschnitten wird.
Die Todesursache lautet so zu 95 % Lungenkrebs im Endstadium mit Metastasenstreuung auf der Leber.

Ich danke dem gesamten Team der Notaufnahme, der Intensivstation und vor allem der Station 7 um Frau Dr. Friebel des Krankenhauses Waldfriede, die sich bis zum Ende medizinisch wie niemand anderes bemühten und deren Pflege vom ersten bis zum letzten Tag extrem liebevoll war.

Meinem Vater wurde dort in einer ausweglosen Situation ein würdiger Abschied bereitet.

Ich bin unheimlich Stolz auf meine Mutter und meine Schwester, die diese Situation sehr tapfer durchstehen. Auch werde ich immer Stolz auf meinen Papa sein, der bis zum Ende jede Untersuchung tapfer mitmachte und bis zuletzt einen lockeren Spruch auf den Lippen hatte. Davor ziehe ich meinen Hut


Vielen Dank fürs Lesen

Geändert von saschafcu (04.06.2012 um 23:11 Uhr)
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