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  #1  
Alt 29.09.2015, 00:25
Peperoncino78 Peperoncino78 ist offline
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Standard Palliative Sedierung und eingeschlafen - Selbstvorwürfe

Wer nicht alles lesen möchte kann gleich zum letzen Absatz übergehen!

Hallo, mein armer Papa ist am vergangenen Samstag gegen Nachmittag eingeschalafen. Er war ein Man mit Ecken und Kanten, Stur wie ein Bock und es war nicht immer einfach mit ihm. Er war Einzelgänger und liebte die Natur. Zwei Jahre haben wir gegen die verfluchte Leukämie angekämpft. Es wurden ihm noch ein paar schöne und unbeschwerte Monate geschenkt. Wir dachten er wäre über den Berg. Dann wurden die Werte schlechter und er bekam eine DLI. Erneute Injektion von Spenderzellen. Es kam nach Wochen zu einer akuten GVHD (Abstoßung des Darms). Er kam im Juni auf die Isolation. Anfang Juni wurden mit uns die lebenserhaltenen Maßnahmen besprochen. Er stand unter Morphium um die Schmerzen zu lindern. Aber der Teufelskerl hat dem Tod nochmal ein Schnippchen geschlagen und hat sich aufgerappelt. Die GVHD betrug die höchste Stufe 4. Er hat sich damit noch drei Monate gekämpft. Mal besser mal schlechter. Und obwohl er so krank war, haben wir uns trotzdem noch gestritten. Unglaublich, aber so wahr er eben. Die letzen zwei drei Wochen hat er merklich abgebaut und nur noch geschlafen. Er verweigerte das Reden teilweise. Obwohl die Ärzte uns sagten, dass es unmöglich ist was dieser Körper mitmacht, war er bis auf die lezte Woche selbstständig. Die Frage kam auf wie lange das noch geht. Die Ärzte gaben uns keine konkrete Aussage. Bis auf vergangenen Donnerstag. Der Chefartz teilte uns mit, dass mein Vater nicht mehr wolle und die Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind. Er ging mit mir zu meinem Vater, der öffnete die Augen und reagierte ein wenig. Der Chefarzt schüttelte den Kopf und gab mir zu verstehen, dass er nicht mehr wolle. Er teilte uns mit, dass die Therapie eingestellt wird und mein Vater Mophium gegen die Schmerzen nimmt. Das nimmt die Angst und die Schmerzen. Das ist das beste für Ihn, teilte er uns mit. Wir waren entsetzt, traurig überfordert. Mein Vater schlief und reagierte nicht wirklich. Über den Perfusor bekam er 2,5 Morphin (weiß wievile das ist). Er stöhnte, Dosis wurde auf 3,5 erhöht. Er zuckte immer wieder. Riss die Augen auf und schaute ins leere. Wir versuchten mit ihm zu sprechen aber wir konnten nicht erkenne ob er überhaupt noch bewusst etwas wahr nahm. Es war schlimm. Am zweiten Tag war er ruhig, sehr ruhig und atmete friedliche. Ich kam eine halbe Stnde zu spät, allerdings waren meine Geschwister bei ihm. Mein Vater hatte Angst zu sterben und hat auch nie mit uns darüber gesprochen. Er hat den Tod verdrängt. Bis zum Schluss hat er nicht darüber geredet. Viele Fragen blieben dadurch unbeantwortet.

Uns quält der Gedanke, dass die palliative Sedierung der richtige Schritt war? Wir wurden wenig aufgeklärt. Es hieß nur das Morphium nimmt ihm die Angst (und die hatter er definitiv) und die Schmerzen. Die aktuelle Situation sei unwürdig etc. Wir fragten die Ärzte ob er dass so gewollt habe und Sie sagten Ja. Er habe es zu verstehen gegeben, obwohl er der Deutschen Sprache nicht 100% mächtig war. Wir fragen uns ob es Anzeichen für Ärzte gibt, dass es soweit ist oder das der Patient den Willen verloren hat. Uns hätte es gut getan nochmal in einem Wachen Moment mit ihm zu sprechen. Aber alles ging zu schnell. Mein Vater wurde 69 Jahre alt und wir machen uns jetzt Vorwürfe. Aber was hätten wir tun sollen?

Nico
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  #2  
Alt 29.09.2015, 01:28
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HeikesFreundin HeikesFreundin ist offline
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Standard AW: Palliative Sedierung und eingeschlafen - Selbstvorwürfe

Hallo Nico,

zuerst einmal möchte ich Dir mein Mitgefühl zum Tod Deines Vaters aussprechen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass Du Dich in der Situation unwohl fühlst
und Dir Vorwürfe machst - aber das musst Du nicht.

Vermutlich wird es so gewesen sein, dass die Ärzte mit Deinem Vater eingehend gesprochen
haben, als niemand von euch dabei war.
Bei uns (in unserer Situation und auch in dem Hospiz in dem ich arbeitete)
wurde IMMER zeitnah nach der Aufnahme ein solches Gespräch mit den Patienten selbst
geführt - wenn es denn noch möglich war.

Darin wurde immer abgeklärt, was der Patient sich für den Fall, dass er Schmerzen oder
eben auch die Gedanken und Ängste nicht mehr aushält (oder aushalten will) wünscht.
Und - wie Du Dir sicherlich vorstellen kannst - wünscht sich kein Patient, starke Schmerzen
aushalten zu müssen oder eben unter Ängsten zu leiden.
Du selbst würdest Dir das auch sicherlich nicht für Dich wünschen, hm?
Vor allem nicht, wenn keine Aussicht mehr besteht, gesund zu werden.

Also entscheiden die Patienten meistens mit den Ärzten gemeinsam, dass
sie ein Zeichen geben, wenn sie ihren Zustand nicht mehr aushalten - darin eingeschlossen
sind nicht nur die Schmerzen, sondern auch das ständige angstvolle Denken ans Sterben.
Und die meisten Patienten entscheiden sich für die Gabe von Morphium - auch in dem Wissen,
dass das Morphium ihre Lebenszeit noch verkürzen kann.

Meine Freundin hatte auch ein solches Gespräch - und irgendwann bekam sie
Palladon gegen die Schmerzen und auch, weil sie psychisch das Ganze nicht mehr verkraftete.
Mit dem Palladon war sie in einer Art Dämmerschlaf mit ganz kurzen Wachphasen und irgendwann
wachte auch sie nicht mehr auf. Vielleicht hätte sie ohne Morphium noch 2 Tage länger "gelebt", aber hätte
sie das wirklich? Um welchen Preis?

Für uns war es ein Segen, dass sie keine Schmerzen mehr leiden musste
und auch keine Angst - und wir haben respektiert, dass sie es für sich so entschieden hat.,
obwohl sie erst 48 war.

Du schreibst, dass Dein Vater 2 Jahre gekämpft hat - mit guten und schlechten Tagen und dass es ihm
am Ende nicht mehr gut ging, dass er Angst und Schmerzen hatte. Für mein Gefühl habt ihr alles richtig gemacht -
außer dass ihr nicht mehr mit ihm sprechen konntet.
Das ist sehr sehr schade, aber jetzt nicht mehr zu ändern.

Was ihr hättet tun können, wäre gewesen, dass ihr schon viel eher miteinander gesprochen hättet.
ABER: das wollte er nicht (vielleicht weil er es nicht konnte) und das solltet ihr nun zu respektieren versuchen.

Vielleicht könnt ihr mit etwas Abstand dahin gelangen, für ihn froh
zu sein, dass er nicht mehr leiden musste und muss und vielleicht könnt ihr dann auch Verständnis dafür aufbringen,
dass er nach 2 Jahren Kampf, als er merkte, er kann nicht mehr, aufgegeben hat.

Möglicherweise wollte er euch einfach nicht so schwere Gespräche und eine so schwerwiegende Entscheidung auflasten.

Er ist "seinen" Weg auf "seine" Weise gegangen - bis zuletzt.

Behaltet euren sturen Papa in liebevoller Erinnerung - und vielleicht könnt ihr aus der Situation lernen,
dass man mehr miteinander reden sollte

Von Herzen ganz viel Kraft
wünscht

Angie

darüber nachdenken,

Geändert von HeikesFreundin (29.09.2015 um 01:32 Uhr)
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  #3  
Alt 29.09.2015, 16:25
Benutzerbild von Heimchen
Heimchen Heimchen ist offline
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Beiträge: 143
Standard AW: Palliative Sedierung und eingeschlafen - Selbstvorwürfe

Hallo Nico,
auch von mir mein herzlichstes Beileid.
Ich schließe mich HeikesFreundin an. Ihr habt alles richtig gemacht. Mein Sohn ist am 2. Januar d.J. gestorben, auch auf der Palliativstation. Sie haben sich dort sehr liebevoll um ihn gekümmert.
Heute noch schlage ich mich mit den Fragen herum, ob er nicht zu früh sediert wurde. Riesige Ampullen mir Morphium und Schmerzmitteln erhielt er. An Neujahr hat meine Tochter ihn noch im Rollstuhl durchs Krankenhaus gefahren, viele seiner Freunde waren zu Besuch. Obwohl ihn das sehr nervös gemacht hat. (Thread: Keine Chance)
Aber da wollte er sich schon nicht mehr den Mund befeuchten lassen. Er hat alle Nährstoffe durch Infusion erhalten. Essen konnte er auch zu Hause nicht mehr, weil durch die Nebenwirkungen seine Mundhöhle erheblich entzündet war. Er hat mir sehr leid getan. Auch Sprays und Pasten haben nicht geholfen.
Am 1. Januar haben wir bei ihm im Zimmer geschlafen, er hat sich von der Schwester losgerissen und ist zu mir aufs Bett gesprungen. Die ganze Nacht hat er auf meiner Brust gelegen, ab und zu bei meinem Mann. Am 2.1. ist er dann mittags gestorben an der Hand seiner Schwester. Wir waren zu dem Zeitpunkt zu Hause.
Jeden Tag denke ich, rufe ich mal im Krankenhaus an und frage??
Was wäre wenn?? Hat er noch etwas mit den Ärzten abgesprochen?
Nützt es mir etwas, das zu erfahren?
Kay hat gesagt, er hat keine Angst vor dem sterben, es erwarte ihn ein schöneres Leben nach diesem Leben. Das hätte Gott versprochen. Ich hoffe sehr, dass er nun glücklich ist, da wo er ist.
Die Ärzte haben uns ja gesagt, dass die Morphingaben das Leben verkürzen, aber dass das soo schnell ging...da haben wir nicht mit gerechnet. Er war noch so jung, hatte viel vor. Ich bin soo traurig, er fehlt uns.
Lieber Nico, ich wünsche dir und deiner Familie alles Gute.

Eva
__________________
Kay

geb. 14.06.1977

Nierenzellkarzinom
OP am 17.03.2014
gest. 02.01. 2015


https://www.facebook.com/pages/Kay-K...68035399929024

Geändert von Heimchen (29.09.2015 um 16:28 Uhr)
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  #4  
Alt 29.09.2015, 16:53
Namida Namida ist offline
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Registriert seit: 25.06.2013
Beiträge: 12
Standard AW: Palliative Sedierung und eingeschlafen - Selbstvorwürfe

Hallo Nico,

auch ich möchte Dir mein herzliches Beileid zum Verlust deines Vaters aussprechen.
Und ich möchte dir ebenfalls gerne sagen, dass Ihr Euch keine Vorwürfe zu machen braucht. Wenn das Unvermeidliche nicht aufzuhalten ist, war eine palliative Sedierung sicher der richtige Weg.

Als meine Mama vor 4 Monaten starb, wurde im Sterbeprozess aufgrund innerfamiliärer Unstimmigkeiten aus meiner Sicht zu lange mit der palliativen Sedierung gewartet. Ich habe meine Mutter in dieser Phase ohne Sedierung erlebt, habe die Nächte mit ihr durchwacht, ihre Angst- und Panikattacken mit ihr durchgestanden. Sie hat gejammert und geschrien wie ein kleines Kind. Ich kann Dir sagen, diese Situation war wirklich unwürdig. Und wir waren unglaublich dankbar, als die Palliativärztin mit Zustimmung meines Vaters und mir, aber gegen den Willen anderer Familienmitglieder die palliative Sedierung durchführte. Aus meiner Sicht konnte meine Mutter damit ruhig und friedlich und in Würde gehen.

Du schreibst, am Ende war dein Vater ruhig und atmete friedlich. So war es bei meiner Mutter auch und so war es auch gut. Sie bekam zwar nicht mehr wirklich etwas mit (zumindest schien es nach außen hin so), hatte aber auch keine Angst mehr und musste keine Schmerzen mehr erleiden.

Als Angehöriger steht man in einer solchen Situation sowieso völlig neben sich, ist entsetzt und überfordert, wie ihr es ja auch wart. Aber die finale Sterbephase ohne Sedierung des geliebten Menschen aushalten zu müssen, fanden zumindest mein Vater und ich viel, viel schlimmer als das „Wegdämmern“ mitzuerleben. Und dabei ging es uns nicht um uns, sondern wir fanden es einfach nicht richtig, dass der Mensch, der alles für uns war, seine Schmerzen (die unvorstellbar gewesen sein müssen) und Todesangst erleiden musste, wenn es auch Möglichkeiten gab, ihm das zu ersparen. Zumal das Ende ohnehin nicht aufzuhalten war.
Ihr konntet nicht mehr für Deinen Vater tun. Daher versucht Euren Frieden damit zu machen – es ist schwer, das weiß ich. Aber die Sedierung war sicherlich besser für Deinen Vater.
Auch ich wünsche Dir viel Kraft für die kommende Zeit. Der Schmerz wird besser – irgendwann.

Viele Grüße
Namida
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  #5  
Alt 29.09.2015, 22:43
Peperoncino78 Peperoncino78 ist offline
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Beiträge: 2
Standard AW: Palliative Sedierung und eingeschlafen - Selbstvorwürfe

Hallo,
erstmal herzlichen Dank für Euro Anteilname und natürlich auch mein Beileid an Euch. Keiner hat es verdient durch diese elendige Krankheit von uns zu gehen.

Mein Trost ist es auch, dass er höchstwahrscheinlich den Tod nicht bewusst wahr genommen hat. Wäre es anders, wäre es eine fürchterliche Vorstellung. Wie schon geschrieben hatte er drei Monate Zeit sich mitzuteilen. Aber er wollte immer alles selbst erledigen und hat sich keinem anvertraut. Vor einer Woche war ich bei ihm und er wollte nur schlafen. Er hatte eine aufgelöste Tablette genommen und ich ermutigte ihn diese zu nehmen. Aber nach der Einnahme hatte er sofort Bauchschmerzen und das Gefühl sich übergeben zu müssen. Als es besser wurde wollte er nur noch schlafen. Ich bin dan gegangen.

Im Nachhinein fragt man sich immer was hätte ich besser machen können. Die Trauerbewältigung ist auch so eine Sache. Ich habe meinen Vater geliebt, ich bin sehr traurig aber doch sehr gefasst. Ich muss meinem Alltag sofort weiter nachgehen, sonst fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich habe nicht einmal heulen müssen. Aber in Stillen Momenten denke ich sehr viel nach. Es tud mir so leid für ihn und jeden anderen de so gehen muss. Ich bin ihm da sehr ähnlich.

Aber eines ist eigenartig. Ich habe auch Angst vor der unbekannten Tod. Aber irgendwie beruhigt es mich, dass mein Vater auf mich warten könne und auch er von meinem Opa empfangen wude. Eine schöne Vorstellung.

VG
Nico
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