Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Hinterbliebene

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 10.09.2010, 21:46
Dani T Dani T ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 16.01.2009
Beiträge: 29
Standard Sterbebegleitung

ich bin grad ganz kaputt. Mein Onkel ist am Mittwoch gestorben (Leberkrebs), am gleichen Tag wie meine Freundin vor 1 Jahr (08.09.) (Unterleibskrebs, nach 10 überraschend zähen kranken, schwachen, aber überlebten Jahren. Wie bei meiner Freundin saß ich bei ihm am Montag abend das letzte mal am Bett. Seine Frau ging jeden Tag von 11 bis 14 Uhr ins Hospiz zu ihm - er hatte Leberkrebs, als wenn die zig Schlaganfälle und Herzinfarkt nicht reichten um ihn sterben zu lassen... abends war er allein. ich erfuhr es spät und war sonntag mit seiner familie bei ihm. um 15 uhr ging ich mit meiner tante, und er hatte tränen in den augen. da setzte ich mich montag abend nach der arbeit in die bahn und fuhr mit Bahn und Bus ins hospiz zu ihm.. ich war 3 stunden bei ihm, ganz intensiv. er erkannte mich, ich versuchte ihm liebe und zuwendung zu geben. alleine daliegen und sterben - ist das nicht schrecklich? ich möchte auch nicht alleine gelassen werden, wenn ich sterbe, man ist doch noch da, und braucht gerade dann zuwendung, vielleicht hat man angst, schmerzen,braucht beistand. er flüsterte: sie haben mir 2 tage nichts zu essen gegeben - ich sagte: doch Onkel, du bekommst zu essen, aber du bekommst nichts mehr runter. ich versuchte ihn zu füttern, aber er bekam nichts runter. es war wie bei mama (+22.12.2008, Bauchspeicheldrüsenkrebs) zum schluss und bei meiner Freundin. schon der 3. der mir nahestand an dessen sterbebett ich saß und der an diesem grausamen Krebs star. gut, er hatte sein alter mit 88, aber niemand wünscht man so zu sterben. und dann abends war er immer alleine. ich musste zu ihm und wenigstens diesen einen abend ihm gesellschaft leisten. ihm war warm, und ich deckte ihn auf. er wurde gewaschen und lag dann da und schlief war kaputt -wie Mama und Freundin am Schluß. dann wachte er wieder auf und bekam furchtbare schmerzen. er langte sich nach oben und ich dachte er hätte ohrenschmerzen. der pfleger sagte nur das kann sein und brachte flüssiges schmerzmittel zum schlucken. das wirkte nicht, mein onkel war schmerzverzerrt und seine Hände gingen hoch zum Hals. "Schmerzen" brachte er nur hervor, und "hol den Arzt". Gott sei Dank war ich da.... konnte bei ihm sein in diesem Moment... rannte auf den gang und holte den arzt. der sagte: Herr... wir müssen Ihnen jetzt Spritzen geben - gegen die Schmerzen und zum Einschlafen, dass Sie nachts schlafen können. Sind Sie damit einverstanden?" Mein Onkel sah den Arzt groß an und nickte. der Arzt sagte mir, dass die metastasen in der Halswirbelsäule wären und alle knochen furchtbar weh taten. die schwester kam und brachte die spritzen, und ich sagte: onkel, da kommt die rettung. als die morphiumspritze anfing zu wirken, fing er im drogendelirium an zu lallen, das jammern wegen der schmerzen wurde aber langsam weniger, doch noch eine weile gingen die hände hoch zum hals. mir liefen die tränen, ich konnte ihn so nicht alleine lassen. ich wartete, bis morphium und schlafmittel wirkten. da lag er da und schlief tief und fest. nun wusste ich, er hat keine schmerzen mehr und ich kann ihn alleine lassen. am mittwoch, am 1. todestag meiner freundin, blieb ihm das herz stehen. am donnerstag machten sie eine kleine trauerfeier im pflegeheim, er war in seinem zimmer aufgebahrt, aber ich konnte nicht frei nehmen. es war mir wichtiger, in diesem schlimmen moment bei ihm und für ihn da gewesen zu sein. nun geht es ihm gut.

er wird eine günstige sammelbeisetzung mit 9 anderen urnen in einem grab haben, bis die anderen 9 zusammen sind, ob es wochen oder monate dauert, keine ahnung.

jedenfalls habe ich jetzt erfahrung am bett von an krebs sterbenden zu sitzen.... aber ich in jetzt erschöpft und sehr traurig. meinem freund ging es mittwoch auch nicht gut, da starb ja meine freundin -seine frau!!! vor 1 Jahr. das schicksal wollte es so, dass wir danach zusammenkamen, es hat uns zusammengeschweißt, uns, die noch übrig geblieben waren.


Diese Gedanken habe ich mir gemacht nach alledem und aufgeschrieben:

Der Umgang mit Sterbenden fällt vielen schwer, aber gerade dann brauchen sie Zuwendung und nicht das Gefühl, allein gelassen zu sein. Die Balance zwischen Zuwendung und ruhen lassen zu finden ist die Kunst, die zu versucht werden, es wert ist. Nicht aus Traurigkeit vor dem Verlust sich abwenden.... auch wenn es weh tut, da sein...
kein Schmerz- und Betäubungsmittel der Welt kann die Liebe ersetzen. Kein ehrenamtlicher Sterbebegleiter den Nahestehenden, sofern es einen gibt...

Sofern man die richtige Balance findet, dass es einen nicht selbst kaputt macht, gewinnt man an Stärke durch solche Erfahrungen/Erlebnisse. Manche haben da einen harten Weg über Jahre hin weg, und nicht bloß für ein paar Stunden, Tage, Wochen oder wenige Monate.

aber selbst ein paar wenige Stunden am Bett eines Sterbenden können heavy sein.

‎... und letztendlich ist es eine gute Sache, dass es auch so viele ehrenamtlich engagierte warmherzige, mitfühlende Menschen gibt, die Sterbenden UND Angehörigen beistehen.

Trotzdem war es für mich wichtig, sehr intime und aufmerksame Zeit mit meinen Lieben, die ich gehen lassen musste, auch noch alleine zu verbringen.
__________________
22.12.2008 Mama
In Liebe und Dankbarkeit...
________________________

Lass vergehen, was vergeht
Es vergeht, um wiederzukehren
Es altert, um sich zu verjüngen
Es trennt sich, um sich inniger zu vereinen
Es stirbt, um lebendiger zu werden
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 10.09.2010, 21:51
Dani T Dani T ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 16.01.2009
Beiträge: 29
Standard AW: Sterbebegleitung

Ein Negativ- und warnendes Beispiel für Aufopferung im Sinne von Selbstzerstörung war für mich, dass meine Mutter vor Jahren nach dem Tod des krebskranken Nachbarn, den sie gepflegt hatte, mit einem Herzinfarkt zusammenbrach. Ironischerweise ist sie später selbst an einem Krebs gestorben. Aber was heißt hier ironischerweise... die meisten sterben, scheint mir, an Krebs.
__________________
22.12.2008 Mama
In Liebe und Dankbarkeit...
________________________

Lass vergehen, was vergeht
Es vergeht, um wiederzukehren
Es altert, um sich zu verjüngen
Es trennt sich, um sich inniger zu vereinen
Es stirbt, um lebendiger zu werden
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 21:11 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55