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Alt 27.06.2008, 21:23
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RHino RHino ist offline
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Registriert seit: 26.06.2008
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Beiträge: 1
Standard An Mama ...

Wir beide haben uns nicht immer verstanden, haben eine recht arge Spannung zwischen uns gehabt. Alle sagten, das ich ein Papa-Kind bin, doch in Wahrheit komme ich genau nach dir.
Du wurdest nur 50 Jahre alt....
Und vielleicht würdest du heute noch leben, wenn du doch nur früher zum Arzt gegangen wärst. Aber du hast immer alles geschluckt und all deine Sorgen für dich behalten.
Wo die Diagnose Nierenkrebs im Sommer 2002 festgestellt wurde, war der Tumor schon doppelt so groß wie das Organ und es war alles haarscharf und knapp gewesen.
Leider sind wir (Vater, Bruder und wir 2) eine Familie, die nicht miteinander redet. Jeder war und ist mit seinen Ängsten und Sorgen alleine gewesen und keiner wagte es, es auszusprechen.
In der Zeit dführ ich auch für ein paar Wochen nach Wien zu meinem damaligen Freund.

Als du aus dem Krankenhaus entlassen wurdest waren wir alle glücklich. Bei der ersten Kontrolluntersuchung sagtest du uns, das der Tumor nicht gestreut hatte und wir alle waren heilfroh... das glaubst du gar nicht.
Doch ein, zwei Monate später plagten dich Rückenschmerzen. Du sagtest, das der Arzt sagte, es wären die Bandscheiben. Erst nach deinem Tod haben wir die Wahrheit erfahren, das du uns angeschwindelt hattest und wußtest, das es Knochenkrebs war.
Über die Weihnachtstage war ich wieder in Wien. Mein Bruder hat es mir in einer Mail mitgeteilt, was du wirklich hattest. Ich bin zusammengebrochen und mein Freund half mir so gut es ging, er hatte dich sogar angerufen direkt.

Im Laufe des nächsten Jahres ging es dir immer schlimmer. Papa war nicht für dich da, weil er so eine große Angst um dich hatte. Er saß oft im Garten bei seinen Freunden und Kollegen und heulte sich die Seele aus dem Leib. Mein Bruder war oft bei seinen Leuten unterwegs und ich - ich kümmerte mich um dich, hab aufgehört zu arbeiten und war jeden Tag für dich da.

Immer wenn du im Wohnzimmer auf der Couch lagst, hatte ich Angst dich dort tot aufzufinden! Ich bin immer ganz leise von hinten an dich ran und wollte sehen, ob du noch atmest.
Oft habe ich mir die Szenarien ausgemalt wie es wäre, wenn du wirklich nicht mehr lebend daliegst und ich wußte nie, was ich dann sagen sollte, um jemandem Bescheid zu geben.

Deine Nächte waren grausam, denn der Knochenkrebs hat an den untersten Wirbeln den Nerv freigefressen, so das er offen da war. Du konntest dich nicht setzen, nicht liegen. Ich weiß sogar noch, wie du dich von einem Raum zum nächsten geschleppt hast.

Die ganzen Chemotherapien haben nichts genützt.
Es hatte mir nichts gemacht, das du dich auf meinen Händen erbrochen hast, das ich alles wegwischte und saubermachte. Das ich die immer geholfen hatte in der Zeit.
Ich selber bin ja auch nicht gesund und du wußtest von meiner panischen Angst, das Haus zu verlassen, von meiner Sozialphobie... aber ich mußte dir helfen und ich wollte es so.

Weihnachten 2003 wußten wir alle, das es unser gemeinsames fest werden würde....

An den Oberschenkelknochen wuchsen auch schon die Methastasen. Dein Schädelknochen bekam eine Art Beule, die wohl ziemlich schnell gewachsen sein mußte, weil du den vor einigen Stunden noch nicht bemerkt hattest.
Es tat mir immer sehr leid und weh, wenn du geweint hattest und mir sagtest, das du tot sein willst am liebsten und warum es dich getroffen hat, was du getan haben sollst, das du so gestraft wirst.

Du warst wieder im Krankenhaus aber kurz vor deinem Geburtstag am 03.02.04 warst du wieder im Kreise deiner Familie. Du hattest deinen 50. Geburtstag und schienst so schmerzfrei, so glücklich.
Ich weiß noch heute vor 2 Jahren, das ich ganz ganz früh morgens raus aus dem Haus bin und mich mit meinem Bruder, der damals noch zur Schule ging, in der erste Pause getroffen habe und wir ein schönes Geschenk kauften.
Ich hatte noch so einen kleinen Korb gehabt daheim. Michael und ich kauften Traubensaft, deren Flasche ganz edel aussah, dazu noch rote und grüne Trauben. Chocolat Pavot, andere edle Schokolade, die Müsli-Riegeln, die du so sehr mochtest, und 2 langstielige Baccara-Rosen.
Zuhause hab ich das so hübsch dekoriert und hab dir erst die Rosen gegeben und dann den Korb.
Ich glaube (nein ich weiß), das es für dich das schönste Geschenk von allen Geburtstagen war.
Es war nichts aufwendiges oder derart teueres und unpersönliches. Nur ein einfacher Korb mit Sachen, die du so mochtest.
Du hat jeden erzählt, wie sehr du dich freutest und mußtest es allen zeigen, was du da bekommen hatte.
Die Rosen kamen in schmalen, durchsichtigen und hohen Vasen auf dem Boden unter dem großen Fenster.
Und es gab noch ne Karte zu deiem 50.

Da warst du noch zuhause und es ging dirr eigentlich "gut". Dann Tage später wieder ins Krankenhaus, wo du auch geblieben bist bis zum Schluß.
Ich war nicht die letzten Tage im Krankenhaus gewesen und als wir alle hinfuhren zu dir, hab ich zum ersten mal erfahren, das du vor lauter Schmerzmitteln so high warst, du hast nur an die Decke gestarrt und konntest dich nicht mehr verständlich machen.
Als ich DAS gesehen habe, kam alles in mir hoch. Mein Bruder und mein Vater waren am vorherigen tag auch bei ihr gewesen und als sie nach Hause kamen, hatten sie es wohl nicht für möglich gehalten, mir das zu sagen. Es ist so abartig und entsetzlich - heute immer noch.
Papa weinte und sagte mir, das er so einen komischen Knubbel am Magen hätte, er aber Angst habe zum Arzt zu gehen... (und tatsächlich stellte es sich raus, das er Magenkrebs hatte und auch beinahe dran gestorben ist). Du hattest mittlerweile überall Tumore gehabt und der Arzt sagte, das es in den Nächsten Tagen zuende geht.

Und am 27.2. (also genau 2 Wochen später) bist du, Mama, um 15:35 Uhr gestorben.
Ich war mit meinem Vater da gewesen, mein Bruder war zuvor die ganze Nacht dortgewesen. Es hatte am Vortag geschneit und das liebtest du doch (ich weiß nicht, ob sie was mitbekommen hat, da sie vollgestopft mit Tabletten war). Und all die Jahre zuvor hat es kaum bis gar nicht geschneit. Es war so, als würde man ihr eine Art Geschenk machen, bevor es soweit war.

Mein Onkel kam und fuhr mich nach hause und mein Bruder nahm er dann ins Krankenhaus mit zurück. Als Michael und mein Vater am abend nachhause kamen, war alles so wie immer, als wäre nichts passiert. Die 2 saßen im Wohnzimmer und schauten fern, lachten und keine Ahnung.
Und es ist eigentlich bis heute so. Nur ich heule fast jede Nacht und zerbreche mir den Kopf.
Ab und an sagt man ja, das es schlimm ist und überhaupt....

Mama, du fehslt mir so..... Es tut mir alles leid... es tut mir so leid, das ich dich nicht oft im Krankenhaus besuchen kam und du sogar angerufen hast,das ich dich doch besuchen kommen möcht....
Wie du den Kontakt zu mir gesucht hattest, wie sehr du meine Nähe gesucht hattest.... Es tut mir alles so leid... Mama.

Ixh war wie gelähmt, obwohl es dir noch schlechter ging....

Geändert von RHino (27.06.2008 um 21:25 Uhr)
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