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  #1  
Alt 23.11.2005, 02:18
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bobbel24 bobbel24 ist offline
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Standard Mein kleiner Bruder

Am 16.06.2004 hat mein geliebter Bruder für immer seine Augen geschlossen .
Ich vermisse ihn unendlich und der Schmerz wird nach über 1 Jahr zwar schon weniger , aber ist immer noch nicht in Worte zu fassen .
Die vorgespielte Normalität und das Verdrängen kotzt mich an . Aber für mich ist nichts mehr normal seit diesem Tag .Außer meiner Familie ist keiner mehr in meinen Bekanntenkreis der auch nur ein Wort darüber verliert. Nach der Beerdigung war es für die meisten abgeschlossen . So nach dem Motto jetzt muss es auch mal gut sein .

Wer hat ähnliches erlebt . Ich komme mir fast blöd vor wenn ich auch nur einmal meinen Bruder erwähne . Dann bekomme ich nur zu hören `` Ist das schon so lange her ´´´ Ja die Zeit heilt Wunden```` das wars dann aber auch schon . Tiefgründige Gespräche über das Thema würden nie aufkommen.


bis denne

Marco

...
__________________
Irgendwann sehen wir uns wieder .
Ich freue mich auf diesen Tag .


Mein geliebter Bruder Tommy
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  #2  
Alt 23.11.2005, 09:00
Wolke Wolke ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

Lieber Marco,

auch wenn es bei mir noch nicht so lange her ist wie bei dir. So wird doch das Thema schon jetzt todgeschwiegen. Wenn dann erzähle ich von meiner Mutter, aber das ist auch nicht tiefgreifend, weil die anderen Leute einfach nicht damit zumzugehen wissen.

Darum lasse ich mich hier im Forum darüber aus

Ehrlich gesagt wüßte ic hauch nicht, wie ich damit umgegangen wäre, wenn meine Freundin an meiner Stelle wäre. Vielleicht denken die anderen auch, sie wollen das Thema nicht anschneiden, damit man nicht ständig dran erinnert wird (was man natürlich auch ohne deren Worte wird).

Ich denke wir sollten vielleicht ein wenig Verständnis für die Hilflosigkeit unserer Umwelt aufbringen und vielleicht einfach mal sagen, wie wir die Dinge sehen.

Aber wenn du offene Ohren brauchst, dann teile dich einfach hier mit. Mir hilft es weiter.

Liebe Grüße von der Wolke
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  #3  
Alt 23.11.2005, 09:29
AndreaM AndreaM ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

Lieber Marco,

der Tod und der Verlust - das macht die Menschen um Dich herum einfach hilflos. Ich denke, sie meinen es nicht böse, sie wissen einfach nicht, was sie sonst sagen sollen. Das klingt jetzt verständnissvoller, als ich selbst oft bin.

Ich habe von mir selbst den Eindruck, ich mache es meinem Umfeld auch nicht gerade leicht... mal möchte ich reden, meistens ist dann niemand da. Manchmal habe ich Angst davor, dass jemand meine Mama erwähnt, denn ich weiss genau ich werde die Maske nicht oben halten können und in Tränen ausbrechen. Das möchte ich in diesem Moment aber nciht, also blocke ich das Gespräch ab.

Wenn Du reden möchtest, ist hier genau der richtige Ort dafür. Vermisst Du ihn noch sehr? Ward ihr Euch sehr nahe?

Liebe Grüße
Andrea
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  #4  
Alt 23.11.2005, 09:51
Benutzerbild von AndreaS
AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

Lieber Marco,

ich war 5 Jahre alt, als mein damals 10-jähriger Bruder bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Ein Recht auf Trauer hat mir niemand eingeräumt, wahrscheinlich damals noch viel aus Unwissenheit. "Sie ist ja noch so klein, sie bekommt es ja noch gar nicht mit." Dass das nicht stimmte, merkte offensichtlich niemand. Mein Bruder Michael war meine erste Liebe in meinem Leben, ihn wollte ich heiraten, bei ihm fühlte ich mich geborgen. Auf einmal war er einfach weg. Ich wusste nichts mehr mit mir anzufangen, war einsam und alleine. Ich konnte dieses Gefühl nie richtig einordnen, ich wusste nicht, dass das Trauer war aber ich wusste, dass ich nicht wollte, dass meine Eltern so traurig waren. Also bürdete ich mir noch zusätzlich die Rolle der "guten Tochter" auf, keine Rebellion, immer schön in der Spur laufen, nur keinen Kummer mehr verursachen. Gesprochen habe ich mit niemandem darüber, lange Jahre, viele Jahrzehnte nicht.

Aber ich war ständig auf der Suche. Etwas wichtiges fehlte / fehlt mir bis heute in meinem Leben. Ich sah neidisch auf die Freundinnen, die Brüder hatten. Irgendwie "suchte" ich ihn immer in anderen Männern, die ich symphatisch fand, mit denen ich mich gut unterhalten konnte.

Mit 40, 35! Jahre später brach es endlich aus mir heraus. Zuerst dachte ich, es sei eine Lebenskrise vor dieser magischen Zahl (fühlt sich ja auch nicht wirklich gut an, dass man plötzlich schon so alt ist :-) ) Ich hatte regelrechte Depressionen, konnte kaum noch mein Tageswerk bewältigen. Erst nächtelange Gespräche mit meinem Mann, machten es möglich, dass ich meinen Kummer in Worte fassen konnte.

Soviel zum Thema Zeit heilt alle Wunden. 35 Jahre, die Trauer war noch immer präsent. Aber die Gespräche verhalfen mir zur Linderung. Ich konnte endlich "abschließen", akzeptierte und ließ endlich los. Gerade rechtzeitig, um Platz zu haben für den nächsten Schmerz, den Verlust meines geliebten Mannes.

Die Umwelt versteht es nicht. Mein Gott, es war ja "nur" der Bruder und wie gesagt, erst war ich zu klein und später? Wer hätte verstanden, dass ich nach 35 Jahren immer noch ein Problem damit hatte? Und heute höre ich auch, dass es nach einem Jahr doch langsam nochmal gut sein müsste. "Du musst raus" unter Leute. Du findest bestimmt nochmal einen Mann u.s.w.

@ Wolke. Du hast sicherlich Recht. Ein gewisses Maß an Unwissenheit ist vorhanden. Nur halte ich es für sehr viel verlangt, dass wir Trauernden mit all unserem Schmerz, teilweise auch mit den Existenzängsten, die durch den Verlust entstanden sind, diejenigen sein sollen, die Verständnis haben. Es wäre doch schön, wenn u n s etwas mehr Verständnis entgegengebracht würde. Unsere kranke Seele bräuchte es dringend.

LG
Andrea
__________________
Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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  #5  
Alt 23.11.2005, 11:02
Benutzerbild von Kerstin63
Kerstin63 Kerstin63 ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

Hallo Marco,

offenbar haben alle Trauernden, egal welchen Alters und woher sie auch immer kommen, immer wieder die gleichen Erlebnisse. Die Umwelt ist häufig entweder hilflos oder gleichgültig. Wenn ich gerade nicht sauer darüber bin, versuche ich den anderen zugute zu halten, dass es "nur" Hilflosigkeit ist.

Leider habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass in so einer schweren Zeit sich manche vermeintliche Freunde richtig abwenden. Aber was soll man machen? Hilft uns der Groll irgendwie weiter? Ich versuche inzwischen, nicht mehr so wütend zu sein und lieber etwas nachsichtig. Es gibt auch Menschen von denen ich "mehr" erwartet hätte und die mich bitter enttäuscht haben und denen ich (noch?) nicht verzeihen kann, dass sie mich allein gelassen haben bzw. auch meinen Vater als er noch lebte. Mein Vater ist am 13.6.04 gestorben. Sogar gegenüber meinem Bruder und meiner Mutter kann ich nicht über meinen Vater reden, weil er in 2. Ehe verheiratet war uind beide dies nie akzeptieren konnten und es schon vor dem Tod meines Vaters zu Streit darum kam, wer zu wem hält und wer welche "Rechte" an ihm hätte.... Na egal, auf jeden Fall gehört es zu meinen bittersten Erfahrungen dass meine Familie sich in der schwersten Zeit so entzweit hat. Anstatt zusammen zu halten.

Viele Themen die mich seitdem beschäftigen kann ich nur mit ganz wenigen Menschen überhaupt besprechen, kaum jemand will über Krankheit und Tod und Sterben hören, nicht mal über Grabpflege oder sowas... das ist das absolute Tabu, anscheinend.... wenn ich Freundinnen (?) erzähle was ich für Pflanzen für den Garten aussuche, dann hört jeder zu, aber wenn ich das gleiche übers Grab erzähle und was ich da plane dann ist betretenes Schweigen und keiner sagt mal wenigstens "oh das sieht bestimmt schön aus....".

Aber ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich auch aufgrund meiner Erziehung immer grosse Probleme mit Friedhöfen hatte (es gab bei uns keine "Friedhofskultur", habe ich jetzt für mich selbst entdeckt), mit Tod und all dem. Wenn bei uns in der Familie jemand starb dann war der/die immer nur plötzlich weg, in meiner Kindheit wurde das immer ganz fern von uns gehalten. Wenn es dann später in der Nachbarschaft oder im Kollegenkreis einen Todesfall gab, war ich auch immer sehr unbeholfen und habe im Zweifel wohl auch die Flucht ergriffen.

Es gibt offenbar nicht viele Menschen, die einen da begleiten wollen und können. Es gibt bestimmt Menschen, die das auch können OHNE so einen Verlust erlitten zu haben. Aber die meisten lernen es vielleicht erst wenn sie selbst betroffen sind, so wie ich. JETZT würde ich nicht mehr ausweichen. Aber das musste ich auch erst lernen. Also denke ich, darf ich mir nicht erlauben die anderen zu verurteilen, im Gegenteil denke ich oft beschämt an Situationen in denen ich so steif und unbeholfen weggekuckt habe. Bei einer ehemaligen Kollegin habe ich mich inzwischen deswegen entschuldigt. Aber damals konnte ich es offenbar nicht besser.

Ich weiss nicht, ob Dir das jetzt irgendwie weiter hilft. Du stehst nicht allein da mit diesem Problem.... Natürlich kotzt es einen auch oft genug an (ich denke ich höre mich jetzt auch vesrtändnisvoller an als ich es oft empfinde), aber ich VERSUCHE es zu akzeptieren. In der ersten Zeit hat mir vor allem mein Therapeut enorm geholfen, weil ich bei dem alles immer und immer wieder loswerden konnte....

Wenn Du 1 oder 2 richtig gute Freunde hast, versuch doch noch mal es anzusprechen wie wichtig das für Dich ist... dass dein Bruder nicht vergessen ist, dass es wichtig ist über ihn zu reden und über die Trauer... vielleicht schafft es der eine oder andere ja doch, sich zu öffnen.

Dieses Gedicht hat mir eine Freundin geschickt die auch trauert, weiss nicht von wem es ist, hat mir aber sehr gut gefallen.

MEINE BEIDEN GESICHTER

Geht es Dir gut,
werde ich gefragt
im Vorübergehen.
Doch, gut, sage ich
und zeige
das passende Gesicht;
mein gutgehendes Gesicht

Mein anderes Gesicht
verberge ich liebevoll
unter meiner Kleidung.
Zuhause ziehe ich mich
aus.
Dann darf es
seine Trauer tragen

......................

Alles Gute
Kerstin
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  #6  
Alt 23.11.2005, 12:48
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bobbel24 bobbel24 ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

Hallo

....ich vermisse ihn wahnsinnig . Zwar nicht im Alltag weil wir 800km auseinander gewohnt haben , er in München und ich im Norden .Wir telofonierten oft und haben uns auch gegenseitig besucht.Aber die letzte Woche habe ich im Krankenhaus verbracht . Kaum Schlaf , Angst und durch den Schlafentzug bekam ich auch schon Halluzinationen. Ihn so leiden zu sehen war das schlimmste was ich je erlebt habe.Einmal bin ich sogar durchgedreht im Krankenhaus habe tierisch geschrien und geweint .Mir kam das auf dieser Station alles so unwirklich vor wie auf einem anderen Planeten . Die Ärzte kamen mir da so weiß ich nicht, hilflos und machtlos vor .

Die Gespräche die mein Bruderherz und ich da geführt haben werde ich den Rest meines Lebens nicht vergessen. Wir haben uns alles gesagt was man sich sagen kann.Er hat sogar gesagt das er mich liebt und ich ihn . Und das ist ja bei Brüdern eher selten .Nur über das Sterben haben wir nicht geredet .
Ihm wurde es nicht gesagt das er sterben würde. Aber ich denke mal das er es mitbekommen hat weil eines Abends sagte er das er Angst habe einzuschlafen und nicht wieder aufzuwachen.

Ich könnte schon wieder heulen .


Ich schreibe ein anderes Mal weiter .


bis denne

Marco

.....
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Ich freue mich auf diesen Tag .


Mein geliebter Bruder Tommy
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  #7  
Alt 23.11.2005, 12:55
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bobbel24 bobbel24 ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

@ Kerstin

....das Gedicht passt 100%
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Mein geliebter Bruder Tommy
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  #8  
Alt 23.11.2005, 13:57
nordisch nordisch ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

Ich kenne das auch und ärger mich da sehr drüber!
Mein Papa lebt zwar "erst" knapp 3 Monate nicht mehr, aber eigentlich war es da auch so - nach der Beerdigung war das Thema für alle erledigt.. Auch wenn ich nun ma sage na ja in letzter Zeit gehts mir nich so gut wegen Papa dann kommt immer nur was wodrüber ich mich noch mehr ärgern könnte..
Eigentlich sag ich es auch keinem, ich glaub keiner weiß wie es mir wirklich geht, aber das will wohl auch keiner wissen, sonst würde man ja mal gefragt werden oder?
Es fragt nicht mal mehr jemand "wie gehts dir?" nicht mal um ein "gut" zu hören, es wird einfach nich gefragt.
Eigentlich weiß jeder das ich da nich drüber red, weil ich ja so langsam weiß wie da alle mit umgehen.. Aber ich finde es schrecklich, klar ich weiß auch nich wie ich sein würde, wenn ich nicht "betroffende" wär.. Aber für mich ist da durch klar geworden, das ich nicht so sein möchte, wobei ich ehrlich gesagt auch nicht weiß ob ich so sein würde.
Ich rechne es meiner einen Freundin aber sehr hoch an, das sie mir angeboten hat das nächstema mit auf den Friedhof zu kommen, als ich gesagt hab das es voll komisch für mich war und die hat auch gemerkt das es uns anders geht, als wir zeigen das es uns geht.

Und irgendwie finde ich das Freunde für einen da sein sollten und auch wenn es ihnen schwer fällt darüber zu reden, man kann es doch nicht verdrängen, wollten wir mit dem Thema konfrontiert werden? Hat uns jemand gefragt? Warum können die dann nicht auch mal über ihren Schatten springen?
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  #9  
Alt 23.11.2005, 15:15
Imke Imke ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

Lieber Marco,

da kann mich den anderen nur anschließen. Es gibt wirklich Menschen die
einfach eine Hemmschwelle haben und diese auch nicht durchdringen
können. Wobei es wohl nich´t so schwierig sein kann mal nach dem Befinden
des Hinterbliebenden zu fragen.
Mein Onkel ist auch so jemand, er kann es einfach nicht.
Obwohl es hierbei um seine Schwester (meine Mama) geht die wir im Juli diesen Jahres verloren haben.
Andere wiederum fragen vielleicht kurz, aber hoffen darauf keine ausführliche Antwort zu bekommen.
Mein Vater, meine Schwester und ich erzählen so gerne von meiner Mama und wenn eben nur wir uns über "alte" Zeiten unterhalten.

Du hast recht, solche Aussagen wie "Das wird schon wieder" oder "Kopf hoch" oder "Zeit halt alle Wunden" oder am besten noch " Ist doch schon etwas her, müsste doch nun langsam wieder gehen"
-----So was geht gar nicht-----------

Mein Vater ist entäuscht das sich niemand bei ihm meldet. Das Telefon steht (Privat gesehen) seit über 4 Monaten fast still. (1-2 Ausnahmen)

Weißt Du, Marco, desshalb bin ich auch so dankbar für diesen Forum hier.
Es hift (mir jedenfalls) ungemein.

Ich wünsche Dir alles liebe,
gruß Imke !!!
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  #10  
Alt 23.11.2005, 16:55
Benutzerbild von Sandra!
Sandra! Sandra! ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

Hallo Marco!

Ich kann deinen Schmerz sehr gut nachvollziehen. Ich habe am 06.10.2005 meinen Vater verloren. Zwar ist es noch nicht so lange her, aber der Schmerz tut noch so unendlich weh als wäre es erst gestern gewesen. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass einige Freunde und Bekannte der Ansicht sind, dass nun genug Zeit ins Land gezogen ist und die Trauer nun langsam abflachen müsste. Aber dem ist leider nicht so. Wenn ein geliebter Mensch geht, kann man die Gefühle nicht einfach mal so verdrängen und abschalten.
Ich vermute auch, dass die anderen einfach nicht damit umzugehen wissen. Sie wissen es vielleicht einfach nicht besser! Vielleicht haben sie selber noch nicht so eine Erfahrung selber gemacht? Daher versuchen auch einige mit irgendwelchen Geschichten vom Thema abzulenken!? Wer weiß?! Daher nimm dir einfach die Zeit, die du brauchst.

Mein Vater und ich haben auch immer über alles geredet, außer über das Sterben. Mein Vater sagte nur zu mir, dass er noch nicht sterben wolle, da er doch noch bei uns bleiben und noch viel Zeit gemeinsam mit uns verbringen möchte. Damit war für ihn die Sache erledigt. Wir alle wussten zwar, dass ihm nicht mehr so viel Zeit bleiben würde, aber keiner sprach darüber. Mein Vater spürte auch von Anfang an, dass die Krankengeschichte nicht so positiv verlaufen würde. Denn plötzlich konnte und wollte er nachts nicht mehr schlafen. Er hatte auch Angst davor, dass ihn nachts „der Tod holen“ würde und er den Morgen nicht erleben würde. Und weißt du was, lieber Marco, so war es dann auch letztendlich gekommen. Mein Vater ist eines nachts einfach für immer ganz friedlich eingeschlafen. Und seit dem habe ich Schlafstörungen. Werde ständig nachts wach oder kann erst gar nicht abends einschlafen. Automatisch denke ich dann immer an meinen Vater. Was er wohl gerade macht oder wie es ihm geht oder ob er mir wohl gerade beim Schlafen zugeschaut hat! Das sind alles Dinge, die mich beschäftigen, über die ich aber nicht mit Freunden und Bekannten reden kann. Denn so was können sie einfach nicht nachvollziehen. Von denen kommt dann höchstens der Rat, dass ich es mal mit Schlaftabletten versuchen sollte. Aber was sollten sie mir auch sonst raten?!

Letzte Woche hatte ich Geburtstag. Es war einfach nur grausam. Der erste Geburtstag ohne meinen Vater. (Wobei ich glaube, dass der zweite Geburtstag ohne meinen Vater nicht besser bzw. einfacher wird!) Und nun kommt auch noch Weihnachten. Ich mag gar nicht dran denken.

Aber gut, dass es dieses Forum gibt! Hier ist man nie alleine und viele stehen einem gerne mit Rat und Tat zur Hilfe, das ist wirklich sehr viel wert.

Liebe Grüße
Sandra
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  #11  
Alt 24.11.2005, 01:48
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bobbel24 bobbel24 ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

.... ja ich bin auch sehr froh das es das Forum hier gibt . Auch wenn e Sch...
ist das ich vom HK in das Hinterbliebenen Forum wechseln musste .


bis denne

Marco

...
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Mein geliebter Bruder Tommy
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  #12  
Alt 24.11.2005, 09:14
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bobbel24 bobbel24 ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

Hallo ,

@ Sandra , ich wünsche dir alles Gute nachträglich zu deinem Geburtstag .

Ich bin in so ein tiefes Loch gefallen , ich habe über ein Jahr gebraucht bis ich wieder einigermaßen draußen war . Ich bin ca 1 Woche nach dem Tod meines Bruders nachts zu Hause völlig durchgedreht . Meine Frau schnappte mich und brachte mich ins Krankenhaus . Nach 2 oder 3 Tagen und mehreren Verwüstungen meines Krankenzimmers stand für die Ärzte fest das ich an eine akuten Psychose leide .

Ich kann mich an 3 Wochen die ich in der Psychatrie verbracht habe überhaupt nicht errinnern . Nur das ich immer irgendwelche Stimmen gehört habe und sich ständig irgendwelche Filme vor mir abgespielt haben . Sie hatten alle was mit der Krankheit meines Bruders zu tun . Das war die Hölle.

Sie haben mich da mit allen zugepumpt was es so gibt an Antideppressiva und Phsychopharmaka . Ich habe zeitweise bis zu 10 Tabletten am Tag schlucken müssen. Nach 3 Wochen wurde ich ruhiger ,habe auch wieder meine Frau oder meine Mutter erkannt .

Für meine Familie war es besonders hart , erst mein Bruder gestorben und jetzt ich durchgedreht.

Die Ärzte sagten zu meiner Frau das es sein kann das ich nie wieder der alte werden würde . Nach 4 Monaten wurde ich entlassen ! Mit 25 kg mehr Gewicht auf den Rippen und absolut keiner Lebensfreude.Aber wenigstens waren die Stimmen im Kopf weg .

In der Zeit haben mich auch nur 5 oder 6 von meinen Freunden besucht , im Nachhinein bin ich auch froh drüber, weil ich wirklich nicht mehr ich selbst war .

Ich habe dann noch ca 3 Monate ca 6 Tabletten genommen die mich ruhigstellen sollten . Ich habe nur noch auf der Couch rumgelegen und über 13 Stunden am Tag geschlafen .

Ich habe immer mehr an Gewicht zugelegt der Höchsstand waren mal 95kg
und ich bin nur 176 groß und war immer sportlich .Im Februar habe ich die Tabletten dann auch gegen den Rat meiner Ärztin abgesetzt, und seitdem ging es bergauf .

Ich kann so froh sein das meine Frau noch bei mir ist .Meine Frau sagt ich habe über ein Jahr nicht gelacht .

Mittlerweile kann ich aber wieder lachen , habe auch wieder Lebensfreude und habe auch schon wieder über 20 kg abgenommen.Trotzdem ist durch den Verlust meines kleinen Bruders mein Lachen anders geworden .

Aber er hätte es nicht gewollt das ich mich vergrabe .



bis denne


Marco



....

Ich umarme alle die einen Nahestehenden verloren haben .....
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  #13  
Alt 24.11.2005, 17:57
Benutzerbild von Sandra!
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

Hallo Marco,

der Tod deines Bruders hat dich wirklich heftig aus der Bahn geworfen. Du kannst absolut glücklich darüber sein, dass du so eine starke und loyale Ehefrau hast, die dir in der ganzen schweren Zeit beigestanden und zu dir gehalten hat. In solchen extremen Situationen zeigt sich auch meist, ob der Partner wirklich zu einem steht oder ob die Beziehung einfach nur Schall und Rauch ist.
Mein Mann musste teilweise auch sehr starke Nerven beweisen, da ich auch manchmal vor lauter Wut und aus Verzweiflung sehr ausfallend und angreifend geworden bin. Im Nachhinein tat mir dann alles immer sehr leid und nahm mir dann immer vor, dass es ein nächstes Mal nicht geben würde. Aber dann verlief die Behandlung und der „Genesungsprozess“ bei meinem Vater mal wieder nicht so wie erwartet bzw. gewünscht und dann war ich wieder völlig daneben. Meinen Eltern habe ich das gegenüber nie gezeigt, meine Ausbrüche kamen immer erst als ich zu Hause war. Mittlerweile bin ich etwas ruhiger geworden. Hin und wieder überkommt mich die Traurigkeit, so dass ich dann aus heiterem Himmel weinen muss. Aber das ist gut so! Besser man lässt seinen Gefühlen freien Lauf, als dass sich alles anstaut und man irgendwann vor lauter Emotionen zusammenbricht.
Ja, die Tabletten können einen ganz schön außer Gefecht setzen. Meist auch mit der Folge, dass man ein paar Kilos zunimmt. Aber das sind nur Äußerlichkeiten, die nicht wirklich relevant sind! Was zählt sind andere Werte! Denn:
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar!
(Saint-Exupéry)

Aber schön, dass es dir nun wieder besser geht! Dein Bruder hat deinen Leidensweg bestimmt von da, wo er nun ist, mitverfolgen können und wird sich nun sicherlich auch darüber freuen, dass es bei dir nun wieder bergauf geht.
Vor allem musst du immer daran denken, dass es deinem Bruder nun viel besser geht, da er von seinem Leiden erlöst wurde. Das ist zwar nur ein kleiner Trost, aber immerhin einer, der sehr viel wert ist. Und wie du schon richtig sagst, irgendwann sehen wir uns alle wieder! Darauf freue ich mich auch!

Liebe Grüße
Sandra
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  #14  
Alt 30.11.2005, 14:26
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

Ich atme Einsamkeit und werde sentimental.
Die Nacht neigt sich dem Ende zu,
meine Stimmung ist katastrophal!

Ich sitze hier im nirgendwo und starre in mein Bier.
Verloren in Gedanken stehst du vor mir!


Was du wohl machst hab' ich mich tausendmal gefragt.
Fickst du Engel, zählst du Sterne? Oder betrinkst du dich mit Liebe, den ganzen Tag?

Ich warte schon so lange auf ein Wort von dir.
Ein nie endendes Verlangen nach dir lebt in mir.
Ich warte schon so lange auf ein Wort von dir.
Der Schmerz ist vergangen, geblieben ist die Leere und der Platz neben mir!

Es ist einsam ohne dich
ohne dich mein Bruder
Ich vermisse dich!

Du kehrst wieder als mein Traum.
Nur für die Dauer eines Augenblicks bist Du real für mich.
Eines Tages folge ich dir in die Ewigkeit
Gib' mir Zeit!

Ich pflücke Rosen für dein Grab!
Du bist nicht mehr hier, doch du lebst in Mir


....


bis denne

Marco
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  #15  
Alt 03.12.2005, 15:43
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Standard AW: Mein kleiner Bruder

Hallo an alle ,

hab noch mal ne Frage . Wie lange habt ihr so gebraucht bis ihr mit dem Verlust eurer Lieben umgehen konntet.
Ich weiß man wird zwar nie darüber hinwegkommen .
Aber meine extreme Trauerphase hat schon über ein Jahr gedauert .Das heißt das ich mich über ein Jahr über oder auf nichts gefreut habe und mir war so ziemlich alles sch.....egal .
In der Zeit habe mich weder bei meinen Freunden und sogar manchen Verwandten gemeldet.
Ich dachte auch das ich nie wieder unbeschwert lachen kann. Ich war auch fast ein Jahr lang nicht im Internet obwohl ich davor schon fast eine Standleitung hatte .
Mein Bruder ist aber jetzt noch jeden Tag und bei allen was ich tue bei mir .
Kann mich aber erst seit ca 3 Monaten wieder auf etwas freuen und mache auch seitdem wieder Sport usw , was ich vor der Erkrankung meines Bruders sehr gern gemacht habe.

Wie sahs bei euch aus ?


bis denne


Marco


....
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