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  #16  
Alt 07.10.2014, 19:55
Marmot Marmot ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Ich danke Euch allen für Eure Meinungen und Ansichten!!! Meine Meinung hat sich gefestigt, auf jeden Fall.

Danke Hermann, nochmal für die Erinnerung, um was es bei der Diskussion eigentlich geht.

Das Recht auf einen Suizid darf einem Menschen nicht genommen werden. Niemand und schon gar nicht der Staat, sollte hier eingreifen dürfen. Ist der Mensch dazu nicht mehr selbst in der Lage aus Gründen einer todbringenden Krankheit, sollte ihm geholfen werden dürfen.

Ich möchte Euch ansatzweise die letzten Stunden mit meinem Liebsten beschreiben. Er durfte zu Hause sterben. Er hat monatelang wirklich schwer gelitten, das Schlimmste für ihn war, dass er nach und nach (aus seiner Sicht!) seine Würde verloren hat, sein Körper durch Kachexie abgemagert bis auf die Knochen, jeden Knorpel konnte man sehen, er war immer sehr eitel und stolz im positiven Sinne und ein starker Mann - mein Bär.

Sein Geist war klar bis auf die letzten Stunden und er hat in keinster Weise seine Würde verloren. Auch - und vielleicht gerade - ein hilfloser, hilfebedürftiger Mensch strahlt eine unglaubliche Würde aus.

Ich wusste, dass er - wenn es die Möglichkeit der Sterbehilfe hier gegeben hätte - diese in Anspruch genommen hätte.

Die Ärztin hat ihm hochdosiert Morphium in den Tropf gegeben und mir gesagt, ich solle es selbst dosieren, also die Durchlaufgeschwindigkeit erhöhen, wenn ich merke, dass er unruhig wird. Die Pflegerin meinte, die Mittel reichen für normalerweise für 3 Patienten, aber mein Mann ist so stark. In diesem Tropf war noch irgendein starkes Narkosemittel drin, was bei ihm die Tage zuvor nicht zur Beruhigung beigetragen hat, sondern er wurde immer unruhiger, weil er seinen Geist nicht mehr klar kontrollieren konnte.

Ich habe Schritt für Schritt die Durchlaufgeschwindigkeit erhöht, da er immer wieder unruhig wurde.

Habe ich jetzt Sterbehilfe geleistet???

Und sollte es so sein, ganz ehrlich, das sage ich hier aus tiefstem Herzen und die Tränen laufen mir über mein Gesicht, ich würde es wieder tun!

Das ist für mich Barmherzigkeit und das kann ich mit meinem Glauben vertreten.

Danke wirklich für Eure Meinungen, mir ist einiges klar geworden.

Liebe Grüße
Marmot
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  #17  
Alt 07.10.2014, 20:23
mausi69 mausi69 ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Liebe marmot!

Ich möchte dir hier mal etwas da lassen!
Ich habe eure Leidensgeschichte immer leise mit verfolgt. Ihr wart bis zum Schluss ein starkes euch liebendes Paar. Ihr seit wie so viele hier von uns einen schweren sehr schweren weg gegangen. Ich glaube dir hat dieser thread besonders am Herzen gelegen, weil du bis heute Zweifel hattest habe ich ihn beim sterben unterstützt??? Nein hast du nicht!!! Du hast ihn schmerzen genommen und sein Leiden vielleicht verkürzt. Aber das ist wahre Liebe und nichts anderes! Du hast dir deine Frage ja selbst beantwortet du würdest immer wider so handeln!

Marmot du bist eine sehr starke Frau und ich wünsche dir das du irgendwann noch ist es viel zu früh zurück ins Leben schaffst!
Das musste mal raus! Alles liebe zu dir!!!
Mausi
__________________
Meine Mama
BSDK ED 05.02.2014

28.07.1949 - 22.06.2014

Du warst es wert so sehr geliebt zu werden!
Du bist es wert, das so viel Traurigkeit an deiner Stelle geblieben ist!



http://www.krebs-kompass.org/showthread.php?t=62514
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  #18  
Alt 08.10.2014, 05:20
Benutzerbild von RudiHH
RudiHH RudiHH ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Hallo Marmot
Zitat:
Und sollte es so sein, ganz ehrlich, das sage ich hier aus tiefstem Herzen und die Tränen laufen mir über mein Gesicht, ich würde es wieder tun!

Das ist für mich Barmherzigkeit und das kann ich mit meinem Glauben vertreten.
Danke wirklich für Eure Meinungen, mir ist einiges klar geworden.
Was würde ich tun?
Das gleiche!
Denn was ist Barmherziger als einen Menschen beim Sterben zu begleiten und es ihm so leicht wie möglich zu machen?
Wenn man am ende des Weges angekommen ist.
Ist das die letzte Handlung, der Liebe, die man dem geliebten Menschen erweisen kann.
Wenn das leben seinem ende entgegen geht man an der schwelle steht dann sollte der Mensch abschied nehmen können.

Was nur wichtig ist:
Wann ist dieser Zeitpunkt?
War er schon als ich hier meine Liebe wiederbelebt habe, als sie nur noch haut und Knochen war, als sie schmerzen und fast kein Blut mehr in sich hatte?
Was wäre wenn ich ihr dann geholfen hätte zu sterben?

Ich habe um Hilfe gebetet das war es was ich gemacht habe.
Die Entscheidung in seine Hand gelegt.

Wer sagt wann es so weit ist?
Wer trifft diese Entscheidung?

Ich glaube das man das sehr genau spürt wenn es zu ende geht.
Wenn keine Hoffnung mehr besteht.

Jedenfalls habe ich gelernt auf Menschen, in der Sache, nicht mehr zu vertrauen, meine Liebe wäre schon lange Tod wenn ich das gemacht hätte.

Ich übrigens auch schon seit Jahrzehnten.
Das ist meine Meinung geboren aus Erfahrungen und Überzeugung.
__________________
.
Rüdiger
--------------------------------------------------
Gott gebe uns Gelassenheit, hinzunehmen was nicht zu ändern ist, Mut zu ändern was man ändern kann und Weisheit zwischen beiden zu unterscheiden.

Wir werden Kämpfen!
Denn wer nicht mal versucht zu Kämpfen, hat schon verloren. Herr gebe uns Kraft und lasse uns verstehen.
http://krebs-infozentrum.de/index.ph...sch-Nein-BSDK/
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  #19  
Alt 08.10.2014, 17:10
Marmot Marmot ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Hallo in die Runde,

und danke für die lieben, aufbauenden Worte!!!

Vielleicht ging es mir unterschwellig tatsächlich um die Beantwortung einer Frage, die ich mit mir abmachen muss. Vielleicht hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass ich unwissentlich Sterbehilfe geleistet habe.

Ich hatte auch Angst, den Zeitpunkt nicht zu erkennen, heute weiß ich, dieser Zeitpunkt ist unverkennbar!!! Den Zeitpunkt, an dem es keine Hoffnung mehr für dieses irdische Dasein gibt, den erkennt man definitiv in so einer Situation.

Was ich ja auch in "einen Topf" geworfen habe, sind die Themen "Sterbehilfe" und "Suizid".

Nach wie vor bin ich gespannt, wie die Regierung sich hierzu aufstellt und argumentiert. Vielleicht geht es den Gegnern ja tatsächlich wieder nur um Geld und sie möchten das Leiden mit palliativen Möglichkeiten verlängern, verlängern, verlängern und abrechnen können, statt dem (eventuellen) Wunsch des Patienten nach Suizid zu entsprechen. Welche Lobby argumentiert wie? Es bleibt spannend. Ein Volksentscheid wäre doch hier vielleicht ganz gut.


Herzliche Grüße
Marmot
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  #20  
Alt 08.10.2014, 20:34
Benutzerbild von wolfsherz10
wolfsherz10 wolfsherz10 ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Hallo marmot

Volksentscheid zu diesem Thema wird es wie so oft nicht geben. Ist generell ja nicht vorgesehen. Irgend so ein verbohrter Politiker hat's mal laut gesagt.: "Wär ja noch schöner wenn das Volk was zu sagen hätte."
Das ganze wird davon abhängen wieviel jeder einzelne Abgeordnete mit diesem Thema schonmal konfrontiert war. Alle Anderen schwingen schlaue Reden ohne zu wissen worüber. Also Alles wie immer. LG wolfsherz
__________________
Ich habe eine Chance, ich werde sie nutzen. What else?!
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  #21  
Alt 08.10.2014, 22:21
simi1 simi1 ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Zitat:
Zitat von Marmot Beitrag anzeigen
Vielleicht geht es den Gegnern ja tatsächlich wieder nur um Geld und sie möchten das Leiden mit palliativen Möglichkeiten verlängern, verlängern, verlängern und abrechnen können, statt dem (eventuellen) Wunsch des Patienten nach Suizid zu entsprechen.
Hallo Marmot,

die Krankenhausfinanzierung läuft seit einigen Jahren über Fallpauschalen. Für Palliativstationen konnten Ausnahmen beantragt werden, doch auch hier rechnet inzwischen der Großteil der Krankenhäuser über sogenannte DRGs ab.
Die Behandlung von Schwer- und Schwerstkranke, die eine umfassende Diagnostik, zahlreiche Behandlungen und viele stationäre Tage benötigen, ist in diesen DRGs noch immer nicht annähernd kostendeckend abgebildet. Das gilt auch für die ansetzbaren Fallpauschalen der Palliativeinheiten.
Kurz und vereinfach gesagt: Je länger die Liegezeit und je intensiver der Behandlungsbedarf, desto größer ist das Defizit.

Wenn man sich ein wenig mit der aktuell gültigen Krankenhausfinanzierung beschäftigt, verliert man die Sorge sehr schnell, alleine aus Profitgier am Leben erhalten zu werden.

Herzliche Grüße
Simi

Geändert von simi1 (08.10.2014 um 22:26 Uhr)
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  #22  
Alt 10.10.2014, 00:35
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Oberste Priorität des Staates ist: der Schutz des Lebens seiner Bürger. Alles, was davon auch nur einen Millimeter abweicht, MUSS sehr wohl und sehr kontrovers diskutiert werden. Um so mehr, wenn es sich um sterbende Menschen handelt, die ihren Willen in dem Moment meist nicht mehr kundtun können.

Wir betrachten uns als selbstbestimmt. Das ist alles, woran wir denken und was wir verteidigen wollen bis zuletzt. Woran wir dabei nicht denken, ist die Verantwortung, die wir damit vielleicht auf andere Schultern laden.

Ich war einmal Mitbeteiligter, einmal Ausführender, als es darum ging, das 'Beste' zu tun für einen anderen Menschen. In nicht all zu ferner Zukunft werde ich wieder Ausführender sein. Patientenverfügung hin oder her: wer glaubt, es wäre einfach, den Willen eines Sterbenden zu befolgen und den Schalter auf Aus zu stellen (ob direkt oder indirekt), der irrt aber so was von gewaltig. Genau in diesem Moment bin ich einzig und alleine meinem Gewissen verantwortlich, denn es geht auch um mich.

Patientenverfügungen, Generalvollmachten sind gut und notwendig. Doch man ist dann letztendlich auf andere angewiesen und man kann für sich selbst nur hoffen, dass das dann Menschen sind, die diese Verfügungen auch verantwortungsvoll befolgen. Dazu kann niemand gezwungen werden. Diese Hoffnung per Gesetz zu regulieren ist sehr, sehr schwer.

Bevor nun Verschwörungstheorien aufgestellt werden, sollte man vorher vielleicht mal lesen. Z.B. hier: http://www.ekd.de/presse/pm134_2010_...erbehilfe.html Ich finde es absolut nicht unsinnig, was da steht.

Es ist sicher sehr wichtig, über dieses Thema kontrovers zu reden. Doch warum gerade hier im Forum für Hinterbliebene? Auch hier kämpfen Menschen um ihr 'Überleben'. Sollten wir uns hier nicht besser mehr mit dem Leben als mit dem Tod beschäftigen?


Liebe Grüße,

Helmut
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Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376
http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070

Die von mir im Krebs-Kompass verfassten Texte dürfen auf anderen Homepages und in anderen Foren ohne meine ausdrückliche Zustimmung weder verwendet noch veröffentlicht werden. Auch nicht auszugsweise.
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  #23  
Alt 10.10.2014, 05:29
Glaube39 Glaube39 ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Hallo,
sicher Marmot, hat ihr Thema , Sterbehilfe genannt und wie man sieht durch die vielen Antworten .... Ist viel Schreib und Lesebereitschaft.

Ich finde gerade weil man soetwas durch gemacht hat , einen Geliebten Menschen verloren hat, kommen hinterher die Gedanken.... Die Gedanken was hätte ich noch oder anderes oder anders tun können .....

In meiner Patientenverfügung- vollmacht habe ich nur Mrnschen die mein volles Vertrauen haben genannt, natürlich mit ihrer Abspache im Vorfelt.
__________________
gLG Heike
___________________________________________
Das Leben ist nicht einfach , manchmal ist es mir auch Zuviel , doch dann gibt es wieder so schöne Momente, die mir mehr als nur ein Lächeln schenken. Danke liebes Leben.
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  #24  
Alt 10.10.2014, 16:51
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Hallo an Alle,
„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ Psalm 90. Leben und Tod gehören zusammen, daher ist es für mich richtig, nachzudenken, wie und unter welchen Umständen ich leben möchte. Mein Leben gehört mir. Damit wende ich mich gegen alle Kirchen und Religionen, die den Suizid verbieten. Ich respektiere religiös motivierte moralische Grundsätze. Aber die Kirchen haben nicht das Recht, alle ihre Grundsätze gesetzlich durchzusetzen. Ich respektiere ja auch dass die Muslime den Konsum von Alkohol verbieten, wäre aber dagegen, dass der Staat Alkoholkonsum bestraft. Die EKD spricht nicht in meinem Namen. Hier geht es allein um die Frage der Sterbehilfe auf Verlangen in einer Krankheitssituation wie wir sie alle kennen. Das ist eine Gewissensentscheidung, ich weiß nicht, wie ich mich in einer eindeutigen Situation entschieden hätte. Ich hatte Probleme mit Sterbehilfe und habe das nicht getan, die Situation war aber damals nach Einschätzung von Ärzten nicht so, dass eine Besserung nicht zu erwarten war. Trotzdem frage ich mich noch heute, ob ich richtig gehandelt habe. Als dann völlig klar war, dass eine Besserung nicht möglich war und sie sterben würde, war keine Sterbehilfe mehr nötig. Aber was wäre gewesen, wenn es anders gewesen wäre? Ich bin dagegen, dass man eine Gewissensentscheidung eines Arztes mit Berufsverbot oder anders bestraft.
Liebe Grüße
Hermann
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  #25  
Alt 11.10.2014, 15:01
Glaube39 Glaube39 ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

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Ich bin dagegen, dass man eine Gewissensentscheidung eines Arztes mit Berufsverbot oder anders bestraft.
Hallo Hermann,
Ich auch.....
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gLG Heike
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Das Leben ist nicht einfach , manchmal ist es mir auch Zuviel , doch dann gibt es wieder so schöne Momente, die mir mehr als nur ein Lächeln schenken. Danke liebes Leben.
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  #26  
Alt 11.10.2014, 21:25
simi1 simi1 ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Guten Abend zusammen,

ich denke, das Thema Sterbehilfe ist weitaus vielschichtiger und kann aus der persönlichen Sichtweise, dem Empfinden und Erleben des Einzelnen nicht umfassend beurteilt werden.

Man muss sich darüber bewusst werden, dass eine Freigabe der Sterbehilfe andere Probleme mit sich bringen würde. So entstünde sowohl bei Patienten als auch bei Angehörigen u.U. Druck, zu Ende gehendes Leben oder unheilbare Erkrankungen frühzeitig zu beenden: Um die Familie nicht weiter zu belasten, um dem Kranken Leid zu ersparen, um keine weiteren Behandlungskosten zu verursachen etc.

Mit vergleichbaren Schwierigkeiten sind bereits heute Familien mit behinderten Kindern konfrontiert. Dadurch, dass sich über die Pränataldiagnostik viele Gendefekte bereits während der Schwangerschaft erkennen lassen, stößt man bei der Entscheidung zu einem solchen Kind immer häufiger auf Unverständnis bis hin zu unverhohlener Ablehnung. "Muss man so ein Kind heute noch bekommen?" "Das ist doch kein Leben." Bis hin zu "Was das die Allgemeinheit kostet."

Deutschland hat in dieser Hinsicht eine unrühmliche Vergangenheit. Schon einmal in unserer Geschichte haben Ärzte entschieden, welches Leben lebenswert ist und welches einem "guten Tod" zugeführt werden muss. In anderen Ländern wird hier unbelasteter entschieden. So gibt es in Belgien eine sehr weitreichende Freigabe der Sterbehilfe und in England eine restriktive Aufteilung der vorhandenen Ressourcen des Gesundheitssystems auf die Patienten. Ab einem bestimmten Alter oder bei bestimmten Krankheitsbilden stehen dort teure Behandlungen nicht mehr zur Verfügung.

Im persönlichen Erleben erscheint Sterbehilfe teilweise wünschenswert. Dennoch darf man nicht außer Acht lassen, dass eine diesbezügliche Änderung der Gesetzgebung auch Unsicherheiten, Gefahren, Gewissensnöte und damit neues Leid und Leiden beinhalten würde.

Herzliche Grüße
Simi

Geändert von simi1 (11.10.2014 um 21:27 Uhr) Grund: Tippfehler
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  #27  
Alt 12.10.2014, 17:02
Marmot Marmot ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Hallo in die Runde,

und Danke für die neuen interessanten Aspekte.

Ich teile die Meinung von Hermann.

Lieber Helmut, nun war ich ja wohl auch irgendwie Ausführende (?) und selbstverständlich ist es nicht einfach, solche Entscheidungen zu treffen, aber ich habe das Gefühl und die Gewissheit in seinem Sinne entschieden zu haben, da wir vorher darüber sprachen und er dies auch in der Patientenverfügung festlegte, das ist tröstlich.

Und für ihn war es kein Leben mehr, das sagte er mir schon Monate vorher. "Wenn das das Leben sein soll, dann will ich das nicht mehr." Vom Bett zur Toilette, von der Toilette zur Couch, von der Couch zur Toilette, von der Toilette ins Bett unter qualvollen Schmerzen, jeden Tag sehen und spüren, wie der eigene Körper verfällt. DAS wollte er nicht mehr und er war ein sehr gläubiger Christ und auch davon überzeugt, dass Gott gnädig ist, hat Jesus doch schon all unsere Schuld auf sich genommen, so kann es auch keine Sünde sein, diese Qualen beenden zu wollen.

Ja, wir kämpfen hier als Hinterbliebene auch, mussten doch aber schmerzvoll erfahren, dass der Tod dazu gehört. Warum also nicht über ihn reden, lässt er sich doch nicht verdrängen und vertreiben, egal wie sehr wir uns darum bemühen, manchmal ist er sogar gnädig, haben wir doch die christliche Hoffnung, uns in die Liebe Gottes fallen lassen zu dürfen, keine Schmerzen mehr zu leiden. Immer noch laufen mir unaufhaltsam die Tränen über das Gesicht, wenn ich an seinem Grab stehe, so auch heute wieder. Ob ich will oder nicht - der Tod gehört dazu, begleitet mich jede Sekunde, streichelt meine Wange. Vielleicht begreife ich genau deshalb erst jetzt, wie wertvoll das Leben ist.

Vielleicht liegt es daran, dass ich "erst" 42 Jahre alt bin, aber ich finde, dass man die unrühmliche Vergangenheit Deutschlands bei dieser Diskussion außer Acht lassen kann. Das, was der Gesetzgeber jetzt diskutiert, hat aus meiner Sicht nichts mit den Verbrechen im Dritten Reich zu tun. Das waren völlig andere falsche, grauenvolle Beweggründe.

Und schlussendlich muss jeder Einzelne sein Tun und Handeln verantworten, egal ob mit dem Segen des Gesetzgebers oder ohne.

Herzliche Grüße
Marmot
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  #28  
Alt 12.10.2014, 20:48
Lella Lella ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Hallo zusammen

Ich habe mich erst heute hier im Forum angemeldet, vorher aber schon lange mitgelesen, auch euren Beitrag zum Thema Sterbehilfe... Ich habe die Fernsehdiskussion, der die Diskussion ausgelöst hat, nicht gesehen.

Aber ich komme aus der Schweiz, also aus einem Land, in welchem die Sterbehilfe legal ist. Es gibt hier zwei grosse Organisationen (exit und dignitas), welche Sterbehilfe anbieten.

Trotz der Legalität wird das Thema aber auch hier sehr kontrovers diskutiert, viele Stimmen fordern immer wieder ein Verbot dieser Organisatinen, oft wird dabei auch der Vorwurf des "Geschäfes mit dem Tod" laut. Es ist aber auch nicht so, dass hier jeder Mitglied einer solchen Organisation ist oder diese Art, aus dem Leben zu scheiden, für sich auch effektiv in Betracht zieht. Ich kenne nicht mal vom Hörensagen, jemanden der Mitglied ist, und mir ist persönlich auch niemand bekannt, der jemanden kennt, der diese Art von Freitod genutzt hat. Die gesetzlichen Hürden sind ziemlich hoch, ganz so einfach kann man nicht einfach aus dem Leben gehen.

Ich habe mir auch gerade mal die Zahlen der Sterbehilfeorganisation "Exit" angesehen. Diese Organisation hat 75'000 Mitglieder. Da sich darunter auch Ausländer befinden, sind dies weniger als 1% der Schweizer Bevölkerung. Pro Jahr gehen 2000 Anfragen zur Freitodbegleitung ein, 600 davon werden bewilligt, 450 Menschen sterben jährlich mit Hilfe von "Exit". Darunter aber eben auch Ausländer... Ich möchte damit nur sagen, auch in einem Land, in dem die aktive Sterbehilfe legal ist, wird sie nur äusserst selten in Anspruch genommen...

Ich kann den Einwand von Simi nachvollziehen. Dennoch ist dieser Druck hier eigentlich kein Thema. Die Dienste von Sterbehilfeorganisationen dürfen z.B. in Krankenhäusern nicht in Anspruch genommen werden. Auch Angehörige dürfen darüber ja nicht entscheiden. D.h. Der Betroffene muss eigentlich sehr "früh" entscheiden, ob er Sterbehilfe in Anspruch nehmen möchte oder nicht. Dazu muss er aber noch selbst entscheidungsfähig sein. Danach folgen auch noch medizinische und psychologische Abklärungen, also heute anrufen, morgen sterben, das geht nicht. Wer auch nicht schon jahrelang Mitglied ist, wird nicht prioritär begleitet und muss einen hohen Beitrag selbst tragen.

Trotz legaler Sterbehilfe laufen hier bei uns gerade riesige, sehr teure, nationale Projekte zur Palliativversorgung (die Schweiz ist diesbezüglich noch ein Entwicklungsland). Auch seitens Politik ist also kein Druck spürbar.

Ich persönlich denke, dass es jedem selber überlassen sein soll, wie er aus dem Leben scheiden möchte. Und wenn sich jemand für einen Freitod entscheidet (was sicherlich keine einfache Entscheidung ist), dann ist es sicherlich humaner, dies unter professionneller Begleitung zu tun, als sich vor den Zug zu werfen oder von einer Brücke zu springen. Für den Betroffenen selbst, für die Angehörigen und auch für alle Zugführer und Strassenreiniger...

Ich denke, Sterbehilfe ist ein sehr heikles und ernstes Thema, ich denke auch, dass es dazu keine richtige oder falsche Meinung gibt, jeder Aspekt hat seine Wahrheit. Leider eignet sich das Thema aber auch zu gut für reisserische Diskussionen und wird von profilierungssüchtigen Politikern genutzt, mit dem Schüren von menschlichen Urängsten aud Stimmenfang zu gehen.

Liebe Grüsse aus der Schweiz
Lella
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  #29  
Alt 14.10.2014, 12:12
Marmot Marmot ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Hallo Ihr lieben Schweizer Gisella und Lella,

vielen Dank für Eure interessanten Schilderungen aus der Schweiz. Mir war nicht klar, dass trotz der Entscheidung des Patienten für den Suizid dann nochmals solche Hürden genommen werden müssen.

Mir war auch nicht klar, dass man Mitglied in einem Verein sein muss, um diese Möglichkeit in Anspruch zu nehmen. Das habe ich jetzt durch die Beiträge im Fernsehen erst gehört und hier gelesen.

So sollte es meiner Meinung nach in Deutschland nicht organisiert werden. Wenn, dann muss jeder Mensch die Möglichkeit dazu haben und das darf nicht wieder vom Geldbeutel abhängen.

Die Palliativversorgung, wie ich sie hier in Berlin erlebt habe, war wirklich ausgezeichnet. Hoffentlich kann das auch in der Schweiz umgesetzt werden.

Ja, ein wirklich schweres Thema in jeder Hinsicht.

Herzliche Grüße
Marmot
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  #30  
Alt 14.10.2014, 13:58
Lella Lella ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe

Ja, ich hoffe auch sehr, dass die Palliativmedizin hier noch mehr an Bedeutung gewinnt. Ich bin aber sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind, es werden wirklich grosse Anstrengungen unternommen. Leider ist es zur Zeit noch sehr von der Region abhängig, welche Angebote einem Patienten und seinen Angehörigen zur Verfügung stehen.

Was mich aber auch beeindruckt hat, ist die Aussage einer Palliativärztin, die sich dahingehend äusserte, dass viele Menschen ihre Sicht auf die Sterbehilfe ändern, und diese auch gar nicht mehr in Anspruch nehmen möchten, wenn sie erst einmal erfahren haben, was ihnen die Palliativmedizin bieten kann. Sterbehilfe bleibt dann als "Plan B" im Hintergrund.

Und ich denke, genau dies sollte der Weg sein. Linderung und ein "gutes" Leben, solange es geht. Und wenn dies nicht mehr geht, die Möglichkeit allem ein humanes Ende setzen zu können.

Aber wie Du richtig sagst, Marmot, ein schwieriges Thema. Und ich denke, dass sich die Sichtweise darauf auch mit jeder Erfahrung, die man macht ändert. Viele, die einen geliebten Menschen auf seinem letzten Weg begleitet haben, denken sich vielleicht, oh, hätten wir ihn doch erlösen können, es wäre doch so viel einfacher gewesen viel früher und "geplant" aus dem Leben zu scheiden... Ich bin mir aber nicht sicher, ob das jeder, der bei einem Freitod mit Hilfe einer Sterbeorganisation dabei war, dies auch noch immer genauso sieht...
Liebe Grüsse aus der Schweiz
Lella
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