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Alt 12.11.2008, 16:53
anamae anamae ist offline
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Registriert seit: 12.11.2008
Beiträge: 9
Standard Meine Oma

Hallo,

ich weiß nicht mehr wohin mit meinem Schmerz und denke ich versuche meinen Zwiespalt nun nieder zu schreiben.

Heute vor einer Woche ist meine Oma gestorben.
Nächsten Dienstag ist die Beerdigung.

Allen voraus geht eine Krebserkrankung. Brust und Gebärmutterkrebs. Das Lymphsystem war auch befallen. Chemo lehte meine Oma ab, bekam aber Bestrahlung. Sie selbst gestand sich das mit dem Krebs lange nicht ein und auch in letzter Zeit sagte sie, der Krebs sei weg.


Vor über 4 Wochen brachten wir sie ins Krankenhaus, geschwächt von einer Durchfallerkrankung und mit starkem Husten. Sie war sehr schwach aber sie wollte nicht ins Krankenhaus.
Ich war Mittags noch bei ihr zu Hause und sie saß in ihrem Sessel und ich spürte, dass es ihr gar nicht gut geht, sie sagte immer wieder das wäre quatscht, alles ist gut etc.
Ich rief meine Eltern an und schilderte die Situation.
Dann musste ich zu meinem Nebenjob, ich sagte für den Abend alles ab und brachte Essen mit und wir aßen gemeinsam.
Ich half ihr auf Toilette und beim gehen.
Bevor ich Mittags ging, umarmte ich sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Das machte ich immer so aber bestimmt nur 3-4 Mal im ganze Leben sagte ich "hab dich lieb" oder "ich liebe dich" zu ihr. das war bei uns in der familie einfach so. ich hatte auch angst, sie würde nichts zurück sagen. aber sie sagte "hab dich auch lieb".

Meine Eltern kamen und waren genauso besorgt wie ich. Wir brachten sie später am Abend ins Bett, weil wir Angst hatten sie könnte alleine stürzen.
Am nächsten Tag kamen meine Eltern morgens zu ihr und weil es nicht besser wurde riefen sie einen Notarzt.
Ich war beim Sport. Abends wollte ich sie besuchen aber sie war schon verlegt in ein anderes Krankenhaus. Dort besuchten wir sie.
Sie verweigerte alles medizinische aber als wir dann da waren, war sie beruhigter und ich erkärte ihr alles und sie stimmte zu.
Es folgte Nierenwäsche und Notoperation aber sie überstand es und erholte sich etwas.
Es wurde festgestellt, dass beide Nieren wohl auch verstrahlt waren.
Dann die Nachricht sie hätte eine Lungenentzündung und einen Krankenhauskeim.
Die Lungenentzündung entpuppte sich als gestreuter Krebs.
Sie setzten sie ins künstliche Koma und berieten wie es weiter ginge.
Ein Luftröhrenschnitt wurde überlegt zu machen, dass wollten wir nicht, weil sie das bereits vor 2 Jahren nach einem schweren Schlaganfall durchmachen musste. Damals wollten die Ärzte schon die Maschinen ausstellen aber mein Opa stimmte nicht zu und sie kam zurück.
Mein Opa starb kurz danach, als ich 2 Jahre alt war.
Sie war immer meine einzige Oma gewesen.
Ich würde sagen, unsere Beziehung wurde mit dem alter immer besser.
Wir telefonierten fast täglich und ich versuchte sie mindestens einmal die Woche zu besuchen.
Wir guckten gemeinsam ihre Lieblingssendungen, Musiksendungen, aber auch Fußballspiele.
Bei ihr zu sein bedeutet für mich immer die Welt "draußen" zu vergessen, das zählte bei Oma immer alles nicht so viel.
Ich glaube andere Leute würden sie vielleicht als nicht leichte Person bezeichnen, aber das bin ich auch nicht und ich liebe ihre Macken, ihren unglaublichen Dickkopf

Die 3 1/2 Wochen im Krankenhaus waren die Hölle.
Ich versuchte so oft wie möglich da zu sein, oft morgens und abends und mittags arbeite ich für meine Eltern in ihrem Geschäft, damit sie zu ihr konnten.
Die meiste Zeit war sie nciht bei Bewusstsein.
Mein Vater kritisierte, dass ich so oft hinfuhr "sie kriegt dass doch sowieso nciht mit" einmal rutsche ihm auch raus "kümmer dich lieber um mama, die lebt wenigstens".


Als dann die Entscheidung mit dem Luftröhrenschnitt anstand, hatten wir uns als Familie dagegen entschieden.
Das wichtigste war für meine Oma immer Selbstständigkeit und Unabhängigkeit und die Ärzte sagten uns sofort, dass sie in ein Heim gehen müsste. Sie war zwar seit ihrem Schlaganfall nicht sehr mobil und verbrachte die meiste Zeit zu Hause aber sie entschied selbst.
Diese entscheidung nahmen uns die Ärzte dann auch ab, sie sagten der Krebs sei förmlich explodiert in der zeit im Krankenhaus und auch ein Luftröhrenschnitt würde höchstens Tage bringen und dabei keine Lebensqualität.
Was allerdings das furchtbare daran war, war dass sie Oma aus dem Koma heraus holen mussten, damit sie quasi selbstständig stirbt.
Da wacht also langsam jemand auf über Tage und der Zustand bessert sich und man weiß, dass es alles nur ist um zu sterben.

Wir versuchten ihr Mut zu machen. Dachten allerdings schon während sie im Koma lag, dass es jederzeit vorbei sein kann und verbschiedeten uns mehrmals. Ich saß bei ihrem Bett und sagte was sie mir bedeutete und alles, was ich fand, was ich ihr noch sagen müsste. Bin überzeugt, dass man wärme und nähe unbewusst wahrnimmt im Koma.

Als sie dann wieder einigermaßen auf Damm war, wurde sie verlegt.
Auch dort war ich bei ihr, hatte ihre Lieblingsmusik besorgt, Bilder von der Familie mitgebracht und einen Tag bevor sie starb auch schöne Blumen.
Sie konnte kaum sprechen, weil sie lange einen Beatmungsschlauch im Hals hatte. Montag hatte sie noch das letzte Hoch, man verstand sie toll und sie uns sowieso.
Jedesmal fragten wir ob sie Schmerzen hat und sie sagte nein.
Am Dienstag bevor ich ging, fragte sie mich wann ich am nächsten Tag käme, ich sagte wohl so gegen Mittag, weil ich vormittags im Laden helfen muss.

Mein Bruder und meine Mutter konnten sie nicht besuchen, weil meine Mutter gerade operiert wurde und mein Bruder eine sehr starke Erkältung hatte.

Am Dienstag dann zu Hause hatte ich den ganzen Abend ein unwohles Gefühl und das zog sich am Mittwoch fort. Ich rief sogar im krankenhaus an, weil mich dieses Gefühl nicht in ruhe lies. Dort sagte man mir aber es habe sich nichts verändert. Als ich zu ihr fahren konnte und ich sie sah, wusste ich sofort, dass es ihre letzten Stunden werden.
Man konnte nur noch ja und nein verstehen, sie konnte aber alles verstehen. Sie sagte sie hat keine Schmerzen.
Ich stellte ihre Lieblingsmusik an.
Ich wollte ihr Bilder zeigen,d ass wollte sie nicht. Jemand hatte ihr unsere Bilder direkt in ihr Blickfeld auf einen Monitor geklebt. Die Schwestern sagten dadurch wurde sie ruhiger.
Ich schrieb meinem Vater eine SMS, dass sie heute vorbei kommen sollen nochmal. Dann sprach die Ärztin mit mir und ich weinte schon, und fragte gleich "es geht zu ende oder?". Sie sagte ja in den nächsten Stunden oder Tagen.
Ich ging wieder zu ihr und hielt ihre Hand, dann nahm sie meine Hand und drückte sie. Ich fragte nochmal ob sie schmerzen hat und sie sagte nein.
Ich überlegte,ob ich ihr nochmal sagen solle wie sehr sie mir bedeutet aber ich fand den richtigen Moment nicht.
Ich sagte ihr, dass die Ärztin meint sie schafft es vielleicht nicht. Ich war mir nicht sicher ob sie wusste wie es um sie stand.
Ich schrieb meinem Bruder nochmal, dass sie dringend vorbei kommen sollen heute.
Dann warf Oma mir von der Seite einen seltsamen Blick zu.
Ich streichelte ihren Arm und ich weinte schon die ganze Zeit und dann sagte ich ihr wieder wie sehr ich sie liebe und wie gut es mir bei ihr geht und dann machte sie die Augen zu und hörte auf zu atmen.
Ich stürmte aus dem Zimmer, war total geschockt und rief auf dem Gang nach Ärzten.

Ich bin froh, dass sie nicht alleine war aber ich mache mir auch vorwürfe.
Ich hätte ihr vielleicht nicht sagen dürfen, was die ärztin meint.
es bedrückt mich so, dass sie selbst nciht mehr sprechen konnte.
die letzten momente kreisen immer in meinem kopf.
ich fühle mich in meiner trauer von meiner familie so missverstanden.
mein vater sagte vor einigen tagen zu mir, bevor ich zum studieren wieder zu uni fuhr, als es um die beerdigung ging und ich die tränen kaum halten konnte "du guckst mich immer so an, als häte ich was verbrochen."
ich habe so angst, dass sie sagen "jetzt hör doch endlich mal auf"
eine bekannte meinte, oma hätte mich wohl gar nicht mehr gehört zum schluss..?
ich denke mir im nachhinein, vielleicht hat sie auch auf mich gewartet?
nichts hätte ichs chlimmer gefunden als die vorstellung, dass sie ganz alleine in dem raum gewesen wäre in ihren letzten minuten.
die ungewissheit, ob sie sich vor schmerzen gekrümmt hätte.

ich vermisse sie so, sie fehlt mir so. ich möchte so gerne zur beerdigung etwas persönliches beitragen aber selbst sprechen könnte ich dort nie, man würde mich zwischen den schluchzen nicht verstehen.
habe einen text geschrieben was sie mir bedeutet, aber geht das die anderen etwas an? was für ein recht habe gerade ich, dass ich das so beitrage?
soll ich es lieber für mich behalten und dem redner nur als anregung geben?

Viele Fragen mich sofort wie alt sie denn war, dann sage ich 80 und dann kommt so ein Blick der sagt "na denn".
Aber was hat die Lücke die ein mensch hinterlässt mit dem Alter zu tun?
Entscheident ist doch welchen Platz dieser Mensch im Herzen anderer eingenommen hat und danach richtet sich der Schmerz.
Für mich ist es keine Linderung, dass ich weiß, dass sie 80 war.

Ich bin froh, mal meine Gedanken niedergeschrieben zu haben. Ich möchte meinen Freunden damit nicht zur Last fallen und von meiner Familie fühle ich mich in meiner Trauer missverstanden.
Ich weiß das ist ein riesiger Text und viel privates aber ich habe sonst das gefühl ich explodiere innerlich.
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