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Alt 17.07.2009, 10:24
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Hasi1965 Hasi1965 ist offline
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Registriert seit: 16.01.2009
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Beiträge: 695
Standard AW: 6 Wochen...

Liebe Blume,
liebe Mariesol,
vielen Dank für Eure lieben Worte. Es schmerzt gerade wieder sehr. Ich erzähle Euch hier mal die ganze Geschichte.

@Blume - es ist eigenartig, aber es klingt wirklich so gleich, was Du sagst. Meine Mama war 71 und hatte Ihr Handy auch noch nicht so lange. Ich hatte mich irgendwann mit Ihr darauf geeinigt, das Sie mir jeden Morgen eine kurze SMS schickt, damit ich weiß, das alles okay ist. Ich wohnte weiter weg und musste ja auch arbeiten. Konnte also immer erst am Nachmittag oder Abend zu ihr fahren.

Irgendwann ging es dann auch mit dem täglichen Telefonieren nicht mehr - das war Ende April - weil der Tumor auf die Stimmbänder drückte und sie nur noch schwer zu verstehen war am Telefon. Persönliche Gespräche gingen.
Sie hatte immer ambulante Chemo und nachher Nachsorge im KH als auf "best supportive care" umgestellt wurde.
Am 14.05. musste sie dann doch ins Krankenhaus auf die Palliativstation, weil sie das mit der Medikamentendosierung zu Hause nicht hinbekommen hat. Die Ärztin fand das dann besser, das man sie stationär einstellt, bevor weitere Schritte in Angriff genommen werden können. Ich war also am 13.5. Abends bei ihr zu Hause, da hat sie mir noch Spargel gekocht. Am 14.5. habe ich sie dann morgens ins Krankenhaus gebracht zum Morphin einstellen, weil die Schmerzen zu groß geworden waren und sie mit Targin und Novalgin nicht mehr klar kam. Sie hat Ihre Tasche für eine Woche gepackt, weil man ihr gesagt hatte: " Wir stellen Sie ein und dann dürfen Sie wieder nach Hause." Davon waren wir auch ausgegangen, wobei ich immer dachte, wenn Sie jetzt ins Krankenhaus geht, kommt sie, wenn überhaupt, nur als Pflegefall wieder raus. Das wusste sie irgendwie wohl auch und sagte dann an dem Morgen zu Ihrer Wohnung: "Tschüss, ich hoffe wir sehen uns nochmal wieder.". Dazu kam es leider nicht mehr. Am 14.5. begannen Sie dann mit dem Morphium und ab da wurde es schwierig - mal ging es ihr passabel, mal war sie garnicht mehr bei sich und das alles zwei/drei Tage nachdem sie noch klaren Verstandes morgens auf dem Markt einkaufen war und mich abends bekocht hat. Für mich nicht greifbar. Die Oberschwester sprach mich dann in der Folgewoche darauf an , das wir nun eine Pfelegstufe beantragen müssten und uns entweder um einen ambulanten Hospizdienst oder ein Hospiz kümmern sollten. Das tat ich dann nach Rücksprache mit Mama gemeinsam mit dem Sozialdienst des KH auch. Ich schaute mir drei Hospize an, zeigte Mama die Fotos und erzählte ihr, was ich gesehen hatte. Und so kam sie dann am 26.5. in ein Hospiz, das sehr gut war. Es war ein Auf und Ab mit ihrem Zustand. Zwischenzeitlich glaube ich hatte sie auch Hirnmetastasen, denn ihre Sehschärfe veränderte sich und manche Worte fand sie nicht mehr. Ansonsten war sie aber, bis auf das sie wirklich schwach war, weil sie so gar nichts mehr essen konnte, eigentlich noch einigermaßen "fit". Sie hatte ihre Schwierigkeiten mit dem "sich helfen lassen", weil sie imer selbstständig war und sie hatte nie Ruhe, die sie aber gebraucht hätte. Immer war irgendwer bei ihr. Entweder die Schwestern, ich oder die Freunde und Verwandten, die verstanden hatten, das Hospiz bedeutet, das Mama auf ihrem letzten Weg ist und die sich verabschieden wollten. Am Pfingstsonntag ging es Mama garnicht gut, am Pfingstmontag war sie wieder fit: Sie konnte wieder laut sprechen, war absolut klar, konnte einigermaßen ohne Hilfe laufen und hatte richtigen Hunger und hat mit Appetit gegessen. Sie sagte dann noch zu mir:"Und jetzt schreibe ich mal auf, was man alles so im Morphiumwahn sieht - das ist sicher spannend für den Rest der Welt." Dann sagte ich ihr, das ich dann vielleicht Dienstag mal zu Hause bleiben wollte, weil sich eh wieder viel Besuch angekündigt hatte und es ihr ja auch ganz gut ging. Sie sagte dann zu mir: "Klar, KInd, bitte tu mal was für Dich - ich bin doch hier gut versorgt, Du musst nicht immer kommen. Du brauchst Deine Kraft noch für später.Vielleicht kann ich ja sogar nochmal hier raus auf Besuch und so...." Ich hab dann gesagt , das sie natürlich raus könne, weil sie ja keine Gefangene ist und wir müssten dann nur gucken wie wir sie von A nach B bekämen, weil sie ja schon recht schlapp war und auch manchmal zwischendurch und sehr plötzlich Medikamente benötigte, weil ihr schlecht war oder die innere Unruhe zu groß. Aber das wollten wir dann noch mal überlegen. Dann gingen mein Freund und ich, fuhren nach Hause, setzten uns in unseren Garten und überlegten wie lange denn die KK dem Menschen das Hospiz bezahlt: es sind 28 Tage... dann muss ein neuer Antrag gestellt werden. Mama war am Pfingstmontag genau 7 Tage dort.
Wir dachten der Professor vom Krankenhaus hätte Recht gehabt als er sagte, wenn die Verwirrung und die Schwäche vom Morphium kämen, würde sich der Körper bei dieser Dosierung darauf einstellen und sie würde wieder klarer und kräftiger. So war das am Pfingstmontag.

Am Dienstag, 02. Juni rief ich morgens im Hospiz Dienstzimmer an, weil ich dachte, ich strenge Mama lieber nicht zu sehr an, wenn ich mit ihr selber telefoniere, sondern frage bei den Schwestern nach und bestelle ihr schöne Grüße. Die sagten mir dann , Sie habe eine ruhige Nacht gehabt und hätte gefrühstückt und dann wollte sie mit mir sprechen, um mir aufzutragen , das ich noch von ihren Kurzgeschichten holen soll für die Schwestern (sie hat geschrieben). Genau das hatte ich aber der Schwester morgens eh schon gesagt und die hat Mama dann meine Grüße ausgerichtet und das ich am Mittwoch mit neuen Kurzgeschichten komme. Dann war Sie beruhigt. Am Nachmittag waren dann ihre Freunde aus dem Literaturkreis bei ihr, da wurde sie plötzlich wohl müde. Aber auch das war ja normal. Um 18:00 h rief mich mein Onkel an und sagte, er sei jetzt bei ihr und ihr ginge es mit dem Atmen so schlecht und sie sei so unruhig und so schlimm hätte er es noch nicht erlebt. Ich kannte diesen Zustand jedoch zu genüge und rief dann wieder im Dienstzimmer an und fragte, ob ich mich jetzt ins Auto setzen solle, weil es vielleicht zu Ende ginge. Die hatten mir versprochem mir Bescheid zu sagen, da ich eben eine Stunde Anfahrt hatte, haben mir aber auch gesagt, das es passieren könnte, das dann falscher Alarm wäre. Aber das war mir egal. ich wollte unbedingt dabei sein. Man sagte mir an dem Abend aber, man habe ihr ein Medikament gespritzt und es ginge schon besser und heute Nacht bräuchte ich mir keine Sorgen machen. Im Übrigen habe sie am Nachmittag auch zu einer Schwester gesagt: Sie wolle endlich ihre Ruhe haben. Ich bezog das auf weitere Besuche.
Meinen Onkel rief ich dann nochmal an , er brachte Mama ins Bett und verließ das Hospiz um 19:45 h.
Um 20:00 h ließ Mama sich von einer Schwester wieder in ihren Sessel helfen, weil sie da wohl besser atmen konnte.
Um 20:15 h ging Schwester Eva am Zimmer vorbei, da saß sie im Sessel und schaute wohl aus dem Fenster.
Um 21:11 h klingelte mein Telefon: Schwester Eva wollte Mama die Medikamente bringen und ihr ins Bett helfen. Sie hat sie nur noch tot im SEssel gefunden.
Ärztlicher Befind: Exitus letalis um punkt 20:30h. Sie hat also genau die Zeit zwischen dem letzten und dem nächsten Kontakt zur Schwester genutzt und sich "davon gemacht". Ich fuhr dann direkt hin - leider war ich erst 1,5 Stunden nach Ihrem Tod dort - Ihre Seele war bereits fort. Was mir blieb , war Ihre Hülle.....

Sie war genau 1 Woche im Hospiz und wurde auf den Tag genau 71 Jahre und 7 Monate alt....

Ich habe von der Diagnose Lungenkrebs in 09/2008 bis zu Ihrem Tod sehr viel Zeit mit ihr verbracht, viele Dinge besprechen und klären können, viel gemeinsam gelacht und geweint - SIE FEHLT MIR SO !

@ Mariesol: Ich bin Einzelkind, Vater vor 16 Jahren verstorben, habe aber einen lieben Lebensgefährten, der mir beisteht.

Das war sie, meine Geschichte. Schön, dass ich Sie erzählen durfte.

Liebe GRüße
Ulli
__________________
Meine Mam: * 02.11.1937 - + 02.06.2009
"Wenn Du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es Dir sein als lachten alle Sterne. Weil ich auf einem von Ihnen wohne, weil ich auf einem von Ihnen lache..."
(Der kleine Prinz)

Mein Papa: *04.11.1935 - + 11.05.1993
Sorry, das ich Dich allein gelassen habe.

Mein Bruder:*02.06.1962 - September 1962

Ich werde Euch nie vergessen !
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