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  #1  
Alt 12.04.2006, 09:24
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Gaby283 Gaby283 ist offline
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Standard AW: Für Mama...

Hallo Mama,

heute ist einer dieser Tage, an dem ich am liebsten alles hinschmeißen möchte. Ich hatte keine Lust auf die Arbeit zu gehen, jetzt sitze ich hier und kann mich überhaupt nicht konzentrieren, das geht schon länger so. Die Schlafstörungen werden immer schlimmer und ich wache nachts öfter auf. Aber ich kann mich an Träume nicht erinnern. Bevor du gegangen bist, habe ich fast jede Nacht geträumt. Und jetzt ist es, als ob eine Schranke da wäre. Nichts mehr…dabei würde ich so gerne von dir träumen.

Warum musstest du so schwer krank werden? Warum du, die immer ein lieber, optimistischer Mensch war und die jeder gerne mochte? WARUM? Ich weiß, darauf werde ich nie eine Antwort bekommen… Der Verlust wird mir von Tag zu Tag bewusster. Deine Stimme fehlt mir so sehr, die mich immer getröstet hat, wenn es mir schlecht ging. Heute wünsche ich mir, dass ich bei dir sein könnte – egal – wo das ist. Aber du würdest es nicht wollen. Es dauert noch so lange, bis wir uns wieder sehen…

Ich denke sehr oft an dich und in meinen Gedanken bist du immer bei mir.

Ach Mama, ich würde ALLES dafür geben, wenn du wieder hier sein könntest.

Deine Gaby
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  #2  
Alt 23.04.2006, 21:26
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Gaby283 Gaby283 ist offline
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Standard AW: Für Mama...

Liebste Mama,

ich schreibe dir jetzt, weil ich mir davon erhoffe, dass es mir dann vielleicht ein klein wenig besser geht. Mir gehts im Moment sehr schlecht. Ich fühle mich innerlich total leer und einsam. Es tut so weh; die Gefühle sind total durcheinander. Anfangs dachte ich, dass ich mich schon während der letzten Monate von dir verabschiedet habe, die Trauer fehlte. Nun ist sie da. Du hast mir mit auf den Weg gegeben, dass ich nicht so lange traurig sein soll, wenn du nicht mehr da bist. Du hast die letzten Wochen nur gelitten und eigentlich sollte ich froh sein, dass du nicht mehr leiden musst. Aber das kann ich nicht. Wie schlimm wird es noch werden, wie lange muss ich da "unten" aushalten? Kann ich es überhaupt aushalten? Ich weiß es selbst nicht und bin verzweifelt.

Früher war ich auch oft traurig, aber nie so wie jetzt. Du würdest wollen, dass ich glücklich bin. Aber werde ich das überhaupt noch einmal? Nachdem, was in den letzten 8 Jahren passiert ist, glaube ich nicht mehr daran. Du warst immer stark, tapfer und optimistisch. Hoffentlich kann ich das eines Tages auch wieder von mir behaupten.

Ich denke immer an dich!

Deine
Gaby

Heute vor 2 Monaten bist du gestorben, aber nicht in meinem Herzen. Da wird immer ein Platz für dich sein.
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Wenn ihr mich sucht, sucht mich in euren Herzen. Habe ich dort eine Bleibe gefunden, lebe ich in euch weiter. (Rilke)

Geändert von Gaby283 (23.04.2006 um 21:28 Uhr)
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  #3  
Alt 30.04.2006, 16:08
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Gaby283 Gaby283 ist offline
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Standard AW: Für Mama...

Liebe Mama,

es wird einfach nie mehr so wie früher sein oder jemals werden! Alles, was ich mache oder unternehme ist ja gut und schön, aber ich kann überhaupt keine Freude dabei empfinden. Selbst auf meinen 2-wöchigen Urlaub kann ich mich gar nicht freuen, obwohl ich nach vielen Jahren endlich wieder in mein Lieblingsland reise :-). Ich weiß, das ist völlig normal in der Situation. Aber weisst du, manchmal denke ich, was soll ich hier überhaupt noch? Vermutlich würde mich auch keiner großartig vermissen. Wie bei dir....anfangs war das Geheule groß und jeder wollte etwas tun; es verging kaum ein Abend, an dem das Telefon stillstand. Typisch wie ich bin, habe ich versucht, den Kontakt aufrecht zu erhalten, aber denkst du von den Verwandten kommt etwas zurück. NEIN! Ich bin einfach enttäuscht, könnten sie doch auch mal fragen, wie es mir geht. Sie wissen doch, dass ich alleine bin. Werde mich komplett zurückziehen und mich nur noch mit Freunden austauschen. Du würdest dich freuen, dass sich Eva wenigstens um mich kümmert, selbst wenn sie tausende Kilometer entfernt wohnt. Das war wenigstens eine echte Freundin von dir. Ach Mama, ich vermisse dich so sehr. Gestern und heute war ich in deinem Garten (habe ich hier in den Beiträgen aufgeschnappt; es gefällt mir besser als das Wort Grab). Leider herrscht dort immer noch Baustellen-Atmosphäre; um einige Gräber wird sich überhaupt nicht gekümmert und es sieht total trostlos aus. Es wird noch einige Zeit vergehen, bis die Reihen voll sind. Bin gespannt, wie dein Grabstein aussieht, den wir schon bestellt haben. Er soll im August/September gesetzt werden.

Auch wenn ich dich nicht sehen kann, so hoffe ich doch, dass du mich sehen kannst und immer bei mir bist.

Ich habe dich sehr lieb

Deine Gaby
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  #4  
Alt 30.04.2006, 17:10
paulas03 paulas03 ist offline
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Standard AW: Für Mama...

Liebe Gaby!
Habe mir deine Briefe an deine Mami durchgelesen. Denke daran es geht aufwärts, es ist die Angst vor dem unbekannten,da man den Weg ohne den Menschen (vor allem ohne die Mutter) nicht kennt. Deiner Ma geht es jetzt besser und das ist doch wichtig....oder!?

Liebe Grüße
sonja
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  #5  
Alt 10.05.2006, 20:32
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Gaby283 Gaby283 ist offline
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Standard AW: Für Mama...

Liebe Mama,

Montag war ich bei dir gewesen, um nach den Blumenschalen zu sehen, die Papa für dich bepflanzt hat. Es tut mir im Herzen weh, wenn ich andere Gräber sehe, auf denen nicht mal ein Blümchen steht. Aber vielleicht haben diese Leute keine Angehörigen. Papa und ich gießen immer den Blumenkübel deiner "Nachbarin" mit. Dein Grab ist eines der Schönsten und Buntesten. Vielleicht kannst du es ja sehen?!

Morgen ist es soweit, ich fahre für 8 Tage an den Gardasee. In meinem Herzen und in meinen Gedanken bist du bei mir. Bitte pass auf uns auf und sei unser Schutzengel. Die lange Autofahrt macht mir jetzt schon zu schaffen (du weisst schon).

Ach Mama, ich vermisse dich so. Würde dir gerne so viel erzählen, dich in den Arm nehmen. Ich weiß, dass ich loslassen muss, aber die Zeit ist noch nicht gekommen. Ich kann nicht! Deswegen habe ich seit Wochen Probleme mit dem Rücken. Sobald ich wieder zurück bin, muss ich das mal vom Arzt abklären lassen.

Aber ich denke, dass du weiterhin stolz auf mich sein kannst. Ich gebe mein Bestes , so wie ich es dir versprochen habe.

Wie mag es dir wohl gehen? Kannst du mich sehen, hören?

Ti voglio bene, bacio
Gaby
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  #6  
Alt 21.05.2006, 22:02
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Katti Katti ist offline
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Standard AW: Für Mama...

Liebe Gaby, ich hab mir gerade Deine Geschichte durchgelesen und mir liefen die Tränen. Habe meine Mum auch vor etwa 3 Monaten verloren. Alles ging ganz schnell, innerhalb von fünf Tagen und dann ist sie auch noch an meinem Geburstag gestorben. Sie war grad mal 60 Jahre. Meine GEschichte findest Du hier http://www.krebs-kompass.org/Forum/s...ad.php?t=16882
Ich weiß genau wie du Dich fühlst. Am Anfang hab ich auch immer gedacht, sie ist im Urlaub und kommt bald zurück. Mir kommt es heute immer noch so unwirklich vor.
Ich wünsche Dir für die kommende Zeit viel Kraft alles durchzustehen!
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  #7  
Alt 26.05.2006, 13:20
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Gaby283 Gaby283 ist offline
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Standard AW: Für Mama...

Liebste Mama,

am Gardasee war es toll und ich habe mich bestens erholt und meine Kraftreserven aufgefüllt.

Der traurigste Tag war Muttertag. Der Morgen fing eigentlich sehr schön an, denn ich habe das erste Mal real von dir geträumt. Du hast mich einfach nur im Arm gehalten . S. und ich waren an diesem Tag mit dem Auto am See unterwegs und haben eine Pause in einem Restaurant in Bardolino gemacht. Es hat mir sehr wehgetan, die Töchter und Söhne zu sehen, die ihre Mutter an diesem Tag ausgeführt oder Blumen für sie hatten. Ich saß hinter meiner Sonnenbrille und mir kullerten die Tränen nur so runter. Papa hat dir (den Auftrag habe ich ihm noch schnell gegeben) ein rotes Herz aus Holz in die Blumenschale gesteckt.

Ich habe sehr viel im Urlaub erlebt, es war ein echter Abenteuerurlaub. Kannst du dich noch daran erinnern, als du mir in der 4. Klasse eine Entschuldigung schreiben musstest, nur weil ein Wanderausflug in den Taunus anstand und ich absolut keine Lust dazu hatte? Ich habe wandern gehasst! Du hättest dich jetzt amüsiert, mich in 2000 m Höhe laufen zu sehen, und das täglich 4-6 Stunden. Es hat so gut getan und mein Kopf, meine Gedanken sind frei von Kummer und Sorgen.

Wie gerne würde ich dir von unseren Abenteuern erzählen….von der riesigen schwarzen Schlange, die auf einmal vor uns im Weg lag (wie war das mit Ruhe bewahren? ), von der Horror-Seilbahnfahrt (der nette Führer „vergaß“ zu bremsen und wir knallten über den Masten; dachte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen), von der Wanderung direkt am Abgrund, Verona, von den Menschen, die wir kennen gelernt haben.

Gerne hätte ich diesen Urlaub mit dir gemacht. Es hätte dir bestimmt sehr gut gefallen, denn du magst Italien auch so gerne wie ich. Aber wer weiß, vielleicht warst du ja dabei!

Seit einiger Zeit brennt mir eine Frage auf der Seele. Leider habe ich sie dir nie stellen können:

Mama, warst du eigentlich glücklich?

Vielleicht gibst du mir die Antwort in meinen Träumen….würde mich freuen.

Du fehlst mir….

Deine Gaby
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  #8  
Alt 31.05.2006, 21:00
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Gaby283 Gaby283 ist offline
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Standard AW: Für Mama...

Ach Mama,

habe eben mit Papa telefoniert. Konnte ihn kaum verstehen, so hat er geweint. Wie kann ich ihm helfen? Er sagt, dass er hat keine Lust mehr hat und dass er bestimmt auch nicht mehr lange lebt. Ich habe ihn ausweinen lassen und meine Tränen unterdrückt, will nicht, dass er noch trauriger wird. In eine Trauergruppe möchte er nicht; vielleicht ist das auch nur ein schlechter Tag. Hoffentlich! Das Weinen wäre ganz plötzlich gekommen und er denkt schon heute an deinen 55. Geburtstag in 2 Wochen. Mama, es tut mir so leid, dass du nicht mehr bei uns sein kannst. Ich weiß, dass du nicht mehr leiden musst, aber es tut trotzdem weh, dich loslassen zu müssen. Wie sehr hast du gelitten, als du gemerkt hast, das du von uns gehen musst? Was ging in dir vor, uns hier zurücklassen zu müssen?

Warum müssen immer die Menschen gehen, die ich am meisten liebe? Warum habe ich so viel Pech in diesem Leben?

Ich bin total traurig und kann meine Tränen nicht mehr zurückhalten.

Mama, werden wir uns jemals wiedersehen???

Ich liebe dich
Deine Gaby
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  #9  
Alt 16.10.2006, 20:49
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Gaby283 Gaby283 ist offline
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Standard AW: Für Mama...

Liebe Mama,

lange habe ich hier nicht geschrieben, aber ich denke jeden Tag an dich!

In vielen Beiträgen habe ich gelesen, dass sich die Hinterbliebenen den Verstorbenen für einen Tag zurückwünschen möchten. Bei mir war das Samstag auch so. Ich hörte eine unserer Lieblings-CD’s im Auto und irgendwie kam es so über mich und ich konnte nicht mehr aufhören zu weinen. Ein Lied hat mich an die Zeit erinnert, als ich etwa 19 war. Da war die Welt noch in Ordnung. Keinen großen Kummer und du warst gesund – das wäre für mich heute das Größte, wenn du noch da wärst. Hätte ich damals schon gewusst, dass du so früh sterben musst….ich hätte einiges anders gemacht und den Widder in mir gezähmt Aber du wusstest wie ich manchmal war und hast mich wieder von der Palme geholt. Du warst ein toller Mensch und die beste Mama, die ich je haben konnte. Oft kommt mir in den Sinn, dass ich dir hätte noch viel mehr sagen wollen in deinen letzten Tagen. Die 10 Tage im Hospiz schleichen sich in meine Gedanken…vor allem der Mittwoch. Vor den Besuchen hatte ich immer Angst, denn ich wusste nicht, was mich erwartet. Die Angst, es könnte dir schlecht gehen und ich kann dir nicht helfen, hat mir sehr zu schaffen gemacht. Aber als ich an diesem Mittwoch in dein Zimmer kam, da strahltest du mich an, als ob nie etwas gewesen wäre und du gleich mit nach Hause kommen wolltest. Du hast munter mit mir geplappert, obwohl du die ganzen Tage vorher kaum gesprochen hast, außer einem schwachen „okay“ und „ja/nein“ bekamen wir nichts mehr von dir zu hören. Ich hatte mich an dem Mittwoch so sehr darüber gefreut. Tja, das war wohl das letzte Aufbäumen wie du es früher genannt hast. Das Schöne aber ist, dass ich dein strahlendes Gesicht nicht vergessen habe und nie vergessen werde.

Ich hätte dir noch so viel sagen wollen…Du warst immer für mich da und wenn ich Liebeskummer oder andere Probleme hatte, dann hast du mit mir gelitten und mich getröstet. Du warst meine beste Freundin und ich konnte dir alles anvertrauen, ohne Angst haben zu müssen, dass du es gegen mich verwenden könntest. Ach Mama, vielleicht siehst du, was bei uns alles passiert. Ich bin zwar ein ganz rationaler Mensch, aber trotzdem hoffe ich, dass wir uns eines Tages wieder sehen.

Du bist jetzt seit 8 Monaten, 1 Woche und 1 Tag nicht mehr hier. Mein Schmerz hat sich verändert; ich habe inzwischen akzeptiert, dass du nicht wiederkommen wirst. Inzwischen sind es einzelne Momente und Erinnerungen, die mir wehtun und das wird sich wohl niemals ändern. Vor Weihnachten habe ich schon etwas Angst. Letztes Weihnachten war ich schon sehr traurig, denn ich wusste, dass es unser letztes sein wird. Dieses Jahr wird sich einiges ändern….

Mama, ich umarme dich ganz fest (so wie früher). Ich vermisse dich so!

Dein Engel
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  #10  
Alt 02.11.2006, 13:46
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Gaby283 Gaby283 ist offline
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Standard AW: Für Mama...

Liebste Mama,

mir ging es in der letzten Woche ziemlich schlecht. Du fehlst mir einfach so sehr und die Traurigkeit kam über mich. Vielleicht hast du das von da oben sehen können und hast mir Zeichen gegeben Ich weiß echt nicht, was ich davon halten soll…bin immer noch verwirrt.

Am Montag, auf dem Weg ins Büro, wollte ich die Auto-Uhr am Armaturenbrett umstellen. Als ich drauf schaute war es 9:57 Uhr, klar eine Stunde ging sie vor. Dachte mir, dass ich das an der nächsten Ampel erledigen könnte. Als ich wieder hinsah, war es 8:57 Uhr. Ich habe an der Uhr aber nichts gestellt, geschweige sie angefasst. Wie konnte das passieren? Ich habe mir die Bedienungsanleitung durchgelesen und da steht nichts von drin, dass die Uhr sich automatisch umstellt. Immerhin habe ich den Wagen schon über 2 Jahre und musste das immer manuell machen. Als ich dann abends an den PC bin und meine Mails gecheckt habe, hatte ich eine Mitteilung, dass ich 1 von 10 Halsketten gewonnen habe. Ich habe noch nie etwas gewonnen…ich habe an diversen Umfragen dieser Firma teilgenommen, aber das ICH was gewinne….Also der Montag war schon sehr aufreibend

Weißt du, was noch passiert ist?! Am Samstag war ich auf deiner damaligen Lieblings-Chat-Seite. Damals konnte ich nicht verstehen, dass dir das chatten soviel Spaß gemacht hat. Immerhin warst du doch schon 54 . Mir hast du dann gesagt, dass du so deine Ängste vergisst und dich gut ablenken kannst. Du hast mir damals deinen Namen und dein Passwort verraten. Vor einigen Monaten habe ich versucht, mich damit anzumelden. Leider war es das falsche PW. Am Samstag gab ich dann spontan das richtige ein und landete auf deiner Seite, deinem Profil. In deinem Gästebuch waren sehr viele liebe Einträge deiner Chat-Freunde, die dich sehr vermissen. Sie haben seit deinem Tod jeden Monat ganz liebe Einträge hinterlassen, damit die Seite nicht gelöscht wird. Immerhin warst du seit fast 10 Monaten dort nicht mehr angemeldet. Deiner Freundin S. habe ich gemailt, dass ich es bin, die mit deinem Namen online ist, nicht, dass sie sich erschreckt. Wir haben dann eine ganze Zeit gemailt. Sie kann deinen letzten Anruf, da warst du schon im Hospiz, nicht vergessen. Ich weiß es noch ganz genau: Du hast nach deinem Handy verlangt und ich habe dir die Nummer gewählt, weil du schon zu schwach dazu warst. Das Telefonat macht ihr immer noch zu schaffen und sie weint oft.

Papa fliegt nächste Woche in den Urlaub. Er leidet sehr darunter, dass du nicht mehr da bist, auch wenn es „schon“ 9 Monate sind. Vor 3 Wochen hattet ihr euren 36. Hochzeitstag; er hat es nicht vergessen, was er früher aber schon mal tat. Du übrigens auch…

Oma geht’s auch nicht gut. Ich habe Angst, dass sie bald zu dir kommen wird. Seit du tot bist, ist sie noch älter und gebrechlicher geworden. Sie ist zwar schon 86, aber noch ein Todesfall im Moment wäre zuviel für mich.

Ach Mama, mit dir wäre alles viel einfacher. Ohne dich ist es nur noch halb so schön!

Pass bitte gut auf uns auf. Wir sehen uns….irgendwann in einer anderen Welt…

Dein Engel
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  #11  
Alt 22.11.2006, 09:27
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Gaby283 Gaby283 ist offline
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Standard AW: Für Mama...

Liebe Mama,

ich bin froh, dass ich das Online-Tagebuch habe, denn hier kann ich meine Gedanken besser sortieren und dir schreiben, was mich bewegt.

Mir schwirren so viele Gedanken an dich durch den Kopf. Leider sind es immer nur die traurigen Momente, an die ich denken muss. Aber diese Phase gehört zu meiner Trauer und ich muss sie durchleben. Durch den Trauerkurs und die „Übungen“, die wir dort machen, wird natürlich noch mehr freigesetzt als verdrängt; bin aber ganz froh darüber, dass ich alles aufarbeiten kann, auch wenn’s manchmal einfacher wäre, die Dinge in die hinterste Schublade zu schieben. Außerdem weiß ich wie es ist, wenn die Dinge wieder an die Oberfläche wollen…das wäre dann doppelt so schwer, alles aufzuarbeiten.

Oft frage ich mich, wie du das alles ausgehalten hast. Kleinzelliger Lungenkrebs, einmal Vollremission nach 6 Monaten durch Chemo und Bestrahlung, dann 3 Hirnmetastasen, Ganzkopfbestrahlung, Remission der 3 Metastasen, neues Rezidiv in der Lunge, wieder Chemo und wieder neue Hirnmetas, div. Chemos und am Ende noch Lebermetastasen. Letztendlich konnte dir die Chemo aber nicht mehr helfen. Du hast nie gejammert oder dich beklagt, obwohl du täglich starke Kopfschmerzen hattest. Du hast so tapfer um dein Leben gekämpft. Mama, ich ziehe den Hut vor dir. Meine ganze Bewunderung gehört DIR. Ich war und bin sehr stolz auf dich.

Weißt du noch, als ich dir das 1. Mal die Haare abrasiert habe? Es war im 2. Zyklus der Chemo und sie fielen schon büschelweise aus. Ich hatte einfach Panik, dass du eines Morgens aufwachst und sie liegen auf deinem Kissen. Mir kam die Idee, dass wir die Haare schon vorher abschneiden, damit der Schock nicht ganz so groß ist. Es hat mir so Leid um deine schönen Haare getan.

Nie in meinem Leben hätte ich gedacht, dass du schon so früh gehen musst. Wenn es etwas nach dem Tod gibt – und das hoffe ich ganz stark – dann wünsche ich mir ein Wiedersehen mit dir.

Ich liebe dich...

Dein Rübchen
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  #12  
Alt 26.11.2006, 18:49
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Gaby283 Gaby283 ist offline
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In Memoriam (Heidi *14.06.1951 +26.02.2006)

Mama, heute ist Totensonntag und heute vor 9 Monaten warst du schon fast im Regenbogenland angekommen.

Ich weiß noch genau wie es war, als am So., 26.02.06 um 20:15 Uhr mein Handy klingelte, im Display stand "Hospiz". Mein Herz raste und ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich wusste, nun ist es soweit und ich muss ans Sterbebett meiner Ma. Ich fühlte mich wie in einem fremden Körper, voller Angst, was jetzt auf mich zukommen würde.

Zum Glück war ich in diesem Moment nicht alleine. R. und U. fuhren mich ins Hospiz. Papa war auch noch unterwegs und kam nach. Als wir ankamen sagte die Schwester, dass es dir seit etwa 1 Stunde schlechter geht. Mama, ich hatte solch eine Panik, dich sterben zu sehen. Als ich dann bei dir im Zimmer war und dich röchelnd auf dem Bett liegen sah, wurde ich ruhig und sehr gefasst, irgendwie dachte ich nur noch: Hoffentlich hat sie es bald geschafft!

Deine Hand war schon etwas kalt. Dein Wangen gerötet, nur die Partie um den Mund herum war ganz blass. Die Hospizschwester erklärte mir, dass dies ein Zeichen sei, dass der Kreislauf nicht mehr funktioniert und praktisch ein Organversagen mit sich zieht. Papa und ich hielten deine Hände und streichelten dich, wir haben deine Lieblingsmusik spielen lassen. Gegen 22:15 Uhr wurdest du unruhiger und hast schwer geatmet. Wir haben dann nach der Schwester geklingelt (natürlich war auch gerade noch Schichtwechsel) die schnell kam. Kleiner Schock, sie kam direkt von einer Faschingsveranstaltung in Clownshose. Es war wirklich eine sehr komische Situation. Du liegst im Sterben und die Schwester steht da mit bunter Hose. Es hat ihr Leid getan, aber sie wusste nicht, dass es dir so schlecht geht. Ich empfand es nicht als schlimm, aber völlig irre. Sie sah dich und sagte: Ich sehe schon, ging weg und kam mit einer Spritze zurück. Du bekamst das erste und letzte Mal Morphium gespritzt. 1-2 Minuten später fühlte sie deinen Puls und sagte, dass du gegangen bist. Ich konnte nicht weinen und war immer noch sehr gefasst. Wir blieben noch eine Weile bei dir, bevor wir nach Hause fuhren. Am Montag haben wir uns 3 Stunden von dir verabschieden können. Die Tulpen, die ich dir am Vortag mitgebracht habe, lagen auf deinem Bett. Du sahst schön aus, ohne Schmerz und einfach nur erlöst. Deine Augen waren ganz leicht geöffnet und dein Mund hatte ein leichtes Lächeln auf den Lippen, so als ob du sagen wolltest: Endlich habe ich es geschafft, mir geht es jetzt gut. Die Hospizangestellten sagten, du würdest schelmisch grinsen. Als ich mit dir allein im Zimmer war, hatte ich schon ein wenig Angst. Du warst die erste Verstorbene, die ich je gesehen habe. Ich bin um dein Bett herumgeschlichen und dachte, dass du bestimmt gleich wieder die Augen öffnest. Aber nein, das hast du natürlich nicht gemacht! Ich habe mich getraut, dir einen Kuss auf die Stirn zu geben. Damals habe ich lange gezögert, das zu machen. Heute bin ich froh, es getan zu haben. Ach Mama, es tut so weh, dich loslassen zu müssen. Aber soweit bin ich noch nicht, das braucht noch etwas Zeit, die ich mir nehme. Immerhin haben wir 34 Jahre miteinander verbracht, die ich nie vergessen werde. Unsere Urlaube ohne Papa (ja, er konnte manchmal ganz schön anstrengend sein ) in Italien, auf Kreta...die waren toll. An diese Dinge möchte ich mich immer erinnern, auch noch in vielen Jahren, wenn ich alt und grau bin.

Mama, lass es dir gut gehen dort, wo du jetzt bist. Ich wünsche mir, dass du an einem schönen Ort bist, wo die Sonne scheint, bunte Blumen blühen, die Schmetterlinge fliegen....

Dein Herz
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Geändert von Gaby283 (26.11.2006 um 18:52 Uhr)
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  #13  
Alt 20.12.2006, 16:44
vanitas02 vanitas02 ist offline
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hallo gaby,

habe jetzt nur deine ersten einträge gelesen ... und mir geht es so wie dir. eins zu eins. weiter habe ich noch nicht gelesen. weiter bin ich selbst auch noch nicht. meine mutter ist erst am 12.12. als letzte woche dienstag gestorben. aktuell bin ich noch da, wo ich es noch nicht so recht realisiere. ich spare mir insofern deine kommenden briefe erst noch auf und hoffe, dass sie immer positiver und fröhlicher werden.

liebe grüße
__________________
es wird schon wieder
wieder
wieder wie was
wieder wie vorher
es wird nie wieder wie vorher
irgendwann wird es
aber nicht wieder (pirko)
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