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  #1  
Alt 19.10.2006, 14:29
MMaria MMaria ist offline
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Standard Lieber Paps, liebe Mama

Lieber Paps,
langsam jährt sich wieder dein Geburtstag. Es wäre der 77. Aber ich kann mir dich nicht als so alten Mann vorstellen. Ich erinnere mich noch an den Oktober 1986 als wir den letzten Geburtstag feierten. Du warst schon im Krankenhaus, und Mama und ich haben dich besucht. Wusstest du da eigentlich dass du Speiseröhrenkrebs hast? Wir haben nie darüber gesprochen.

Lieber Paps, ich möchte versuchen ein Art Tagebuch über die letzten Jahre zu schreiben. Es ist schön, dass es diese Möglichkeit gibt.
Ich melde mich wieder.
Deine Muck
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  #2  
Alt 02.11.2006, 08:44
MMaria MMaria ist offline
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

Liebe Mama,
heute ist dein Geburtstag und es ist der erste, den wir ohne dich feiern müssen. Aber schon in den letzten Jahren hast du nicht mehr viel vom Geburtstag mitbekommen. Nicht nur Krebs ist schlimm, auch Alzheimer ist scheußlich.
Das letzte Mal schön gefeiert haben wir 1999. Da wußte ich schon was mit dir los ist, und habe alle Verwandten und Freunde eingeladen. Ich glaube, da hat noch keiner was von deiner Erkrankung gemerkt.
Heute nachmittag gehe ich zum Friedhof und bringe dir Blumen.

Bis bald, deine Moni
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  #3  
Alt 02.11.2006, 12:22
Julie C. Julie C. ist offline
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

Zitat:
Zitat von MMaria
Lieber Paps, ich möchte versuchen ein Art Tagebuch über die letzten Jahre zu schreiben. Es ist schön, dass es diese Möglichkeit gibt.
Ich melde mich wieder.
Deine Muck
Liebe Moni !

Ich möchte Dich dazu ermuntern, dieses Tagebuch zu schreiben. Es erleichtert die Seele und man kann seinen Gefühlen und Empfindungen freien Lauf lassen. Und der wunderschöne Nebeneffekt dabei ist: alle anderen Benutzer dieses Forums können mitlesen, finden vielleicht Parallelen zu ihrer eigenen Geschichte, können sich anhand dieser Dinge selbst trösten oder auch ermutigen lassen. Ich selbst bin auch sehr froh, dass ich dieses Forum hier gefunden habe und das Unterforum "öffentliche Tagebücher" ist wirklich eine sinnvolle Sache. Ich habe auch ein Tagebuch begonnen. Wenn es Dich interessiert, findest Du es hier unter "Michael"

Kopf hoch, Moni - alles wird gut !
__________________
Viele Grüße
Julie

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Deutschland

Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht
(B. Brecht)
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  #4  
Alt 05.11.2006, 11:11
MMaria MMaria ist offline
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

Liebe Julie,
danke für deine Zeilen. Dein Tagebuch habe ich gelesen und finde es sehr bewegend. Ich wünsche Dir und Michael alles Gute.
In meinem Tagebuch möchte ich mich an besondere Tage erinnern, die mich auch nach langer Zeit noch berühren. Dies soll das Schicksal meiner Eltern und meine eigene Krankheit betreffen.
Viele Grüße Monika
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  #5  
Alt 06.11.2006, 12:31
MMaria MMaria ist offline
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

Lieber Paps,
heute vor 20 Jahren haben wir das letzte Mal miteinander gesprochen. Es war der Vortag deiner Operation und du warst so voller Hoffnung, dass es dir danach besser gehen würde. Du hattest ja schon monatelang Schluckbeschwerden gehabt, nur wir wußten das lange nicht. Erst als du fast nichts mehr essen konntest warst du beim Arzt. Und der meinte es ist Schleim, auf die Idee zu röntgen ist er nicht gekommen. Viel zu spät kamst du ins Krankenhaus, und viel zu spät war die Operation.
Für mich war das damals auch ein komischer Tag. Ich war beim Frauenarzt gewesen, und der meinte ich wäre wahrscheinlich schwanger..Erst eine Woche später sollte ich erfahren, ob das stimmt. So wollte ich dir das nicht mitteilen, dachte auch, hinterher ist es um so schöner, wenn es stimmt, denn wir warteten schon länger darauf. Dazu ist es nicht mehr gekommen.

Deine Muck
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  #6  
Alt 07.11.2006, 09:45
MMaria MMaria ist offline
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

Lieber Paps,
7.11.1986

Der Tag deiner Operation. Ich war bei der Arbeit im Büro. Gegen Mittag rief Mama an, weinend. Sie sagte du würdest nie wieder aufwachen, das hätten die Ärzte ihr gesagt. Heulend bin ich zur Toilette gelaufen, konnte und wollte das nicht glauben. Du lebtest doch noch. Wir haben gehofft, die Ärzte irren sich.
Deine Muck
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  #7  
Alt 10.11.2006, 10:12
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

1986

Lieber Paps,

natürlich haben wir dich täglich im Krankenhaus besucht. Du warst an diverse Maschinen angeschlossen. Ich war nicht fähig auch nur ein Wort zu sprechen, habe nur deine Hand gehalten und geweint.
Am 10.11. wurde mir von meiner damaligen Firma gekündigt. Da konnte ich nur sagen, dass ich wahrscheinlich schwanger bin. Von dir habe ich nichts erwähnt.

Deine Muck
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  #8  
Alt 11.11.2006, 12:38
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

1986

Lieber Paps,

am 11.11. habe ich erfahren, dass ich tatsächlich schwanger war. Damit war wenigstens erstmal mein Arbeitsplatz gesichert.
Aber natürlich hat mich vielmehr dein Schicksal bewegt. Du lagst unverändert angeschlossen an Maschinen. Ich habe weiterhin kein Wort sagen können, konnte dir nicht mitteilen, dass du Opa wirst.

Deine Muck
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  #9  
Alt 12.11.2006, 14:34
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

Lieber Paps,
heute hat mein Mann Geburtstag.
1986 wollten wir schön Essen gehen, hatten einen Tisch reserviert. Dann kam der Anruf, dass es mit dir zu Ende ginge. Da habe ich nur gedacht, wenn es schon geschehen muss, dann bitte nicht heute, wir können dann doch nie mehr Geburtstag feiern. Dieser Wunsch wurde mir immerhin erfüllt.

Deine Muck
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  #10  
Alt 14.11.2006, 20:32
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

14.11.1986

Lieber Paps,
als wir dich besuchten, hast du dich heftig bewegt, mit dem Kopf gewackelt...
Wir schöpften Hoffnung, doch die Ärzte sagten, die gibt es nicht. Vielleicht wolltest du dich von uns verabschieden.

Deine Muck

14.11.05

Liebe Mama,
dir wurde eine Magensonde gelegt. Wochenlang habe ich versucht das zu verhindern, aber man sagte mir, du würdest sonst verhungern. Wenn ich dich füttern wollte, hast du immer die Lippen fest zusammengepresst.
So waren wir im Krankenhaus.

Deine Moni
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  #11  
Alt 15.11.2006, 08:00
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

15.11.1986

Lieber Paps,

morgens gegen acht kam der Anruf, du wärst verstorben.
Wir haben nur geweint, konnten es nicht glauben, hatten wir doch bis zuletzt gehofft.
Dein Tod hat mich wirklich bis ins Mark erschüttert. Alles was danach kam, hat mich nicht so sehr berührt. Auch noch heute denke ich fast jeden Tag an dich. Dass die Zeit alle Wunden heilt, kann ich nicht bestätigen.

Du hattest ein schweres Leben. Geboren als siebtes von dreizehn Kindern.
Mit einem Vater, der nie gearbeitet hat, der seine vielen Kinder zum arbeiten geschickt hat. Du hast wenig davon erzählt, aber schon als Vierjähriger musstest du mit deinen Brüdern Zeitungen austragen. Ihr ward bitterarm, habt zu dritt im Bett geschlafen und hattet zu zweit nur ein paar Schuhe.
Trotzdem hast du deinen Schulabschluss geschafft, im Krieg. Ihr ward ausgebombt und nach Pommern gebracht worden. Ich glaube die anderthalb Jahre dort waren für dich sehr schön. Du hast sogar eine Ausbildung dort begonnen, musstest die aber abbrechen, weil der Krieg zuende war und ihr wieder nach Hamburg solltet. Die Nachkriegsjahre waren sicher hart.
Mit 19 hast du als Hilfsarbeiter angefangen, in der Großdruckerei im Schichtdienst. Dort warst du bis zum Ende. Der Job war körperlich und auch sonst sehr hart für dich, aber du hast bald Mama kennengelernt und nach ein paar Jahren hattet ihr eure Wohnung und mich, euer Wunschkind. Dass du ganz bewusst nur ein Kind wolltest, kann ich verstehen. Du wolltest all die Jahre den Job nicht wechseln, obwohl du deine Arbeit gehasst hast. Hattest immer Angst, uns nicht mehr ernähren zu können.
So viele Pläne hattest du, für die Zeit als Rentner, bist es leider nicht mehr geworden. Auch deine Enkelkinder hast du leider nicht mehr erlebt. Oft denke ich, wie stolz du auf die gewesen wärst, so wie auf mich. Meinem älteren Sohn habe ich deinen Vornamen als Zweitnamen mitgegeben, und in vielem ähnelt er dir sehr.
Ich werde dich nie vergessen.

Deine Muck
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  #12  
Alt 25.11.2006, 15:13
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

Lieber Paps,

25.11.1986

Der Tag deiner Beerdigung. Deine fünf da noch lebenden Geschwister waren dort, ebenso diverse Freunde, Kollegen und Nachbarn. Ich habe fast nichts mitbekommen, habe nur geweint. Mama hat sich gefreut, dass dein Jugendfreund, mein Pate, extra aus New York angereist ist. Auch dir wäre das sicher wichtig gewesen. Mama hat einen schönen Platz für dein Grab ausgesucht, da bin ich heute noch dankbar für.
Gerade zu dieser Jahreszeit bin ich oft auf dem Friedhof und denke an euch.

Eure Moni
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  #13  
Alt 27.11.2006, 00:36
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

Liebe Mama,
heute war ich zum Totensonntags-Gottesdienst im Michel. Dein Name wurde verlesen und ich habe eine Kerze für dich angezündet. Das Ganze im festlichen Rahmen mit Musik von Mozart. Ich bin sicher, das hätte dir gefallen.

Deine Moni
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  #14  
Alt 09.12.2006, 08:54
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

heute vor einem Jahr habe ich den Knoten in meiner Brust entdeckt, morgens beim Anziehen. Eigentlich war es nicht in der Brust sondern obenauf eine Wölbung. Es ist mir bis heute unbegreiflich, dass ich das nicht eher bemerkt habe. Das war ein Freitag, ich habe bei meiner Frauenärztin angerufen und mir für Montag einen Termin geholt. Sonst haben ich Niemandem etwas gesagt. Aber natürlich kam die Angst hoch, ist das Krebs? In unserer Familie ist der Krebs weit verbreitet, das wusste ich auch.

Eure Moni
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  #15  
Alt 12.12.2006, 09:18
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

12.12.05

Nach schlaflosen Nächten bin ich morgens zitternd zu meiner Frauenärztin gefahren. Erst meinte sie, es könnte eine harmlose Zyste sein, aber beim Ultraschall sagte sie nur " eine Zyste ist das nicht". Und als sie die Überweisung zur Mammographie schrieb sagte sie "ich verstehe, dass sie sich Sorgen machen, aber ich kann ihnen die Sorgen leider nicht nehmen". Da stand für mich eigentlich schon fest, dass ich Krebs habe. Ich habe dann meinen Mann und meine beste Freundin angerufen und informiert. Abends dann die Mammographie, die waren dort ziemlich unfreundlich aber ich fand meinen Verdacht bestätigt. Am nächsten Tag sollte ich von meiner Ärztin die Diagnose bekommen.

Eure Moni
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