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  #31  
Alt 18.10.2004, 13:50
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Standard Nun bin ich Witwe

Hallo Andrea und alle anderen,
die Worte, die Du gefunden hast, sprechen die Wahrheit. Ich fühle genau wie Du. Du bist eine sehr starke Frau und wirst es zusammen mit Deinen Kindern schaffen.
Ich bin in Gedanken bei Euch.
Anna-Maria
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  #32  
Alt 18.10.2004, 15:22
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Standard Nun bin ich Witwe

Hallo Beatrix, Andrea und Thekla und hallo auch an alle, die hier lesen,

ich habe auch einen lieben Menschen verloren: vor fünf Wochen und einem Tag ist mein Papa von dieser Welt gegangen. Es ist sehr schwer für mich, aber wie schwer muss es erst für Euch als Ehefrau sein! Meiner Mama geht es auch sehr schlecht, ich versuche so gut es geht, mich um sie zu kümmern, sie soll das Gefühl haben, dass ich immer für sie da bin (was ich auch bin!)
Ich bin erschüttert, wie schnell diese Krankheitsverläufe doch oft sind. Mein Vater hatte Lungenkrebs und wir hatten eigentlich bis zuletzt die Hoffnung, dass er zumindest noch einige Zeit mit uns verbringen kann. Leider hat auch er die Chemo (Hammerdosis) nicht vertragen und angeschlagen hat sie auch nicht!
Andrea, meine Eltern hatten auch Kreta gebucht, ist leider auch nichts mehr drausgeworden.
Ich wünsche Euch viel Kraft und überlege, ob ich diese Seite mal meiner Mama zum lesen ausdrucken soll, da sie selbst kein Internet hat.
Ich hoffe Ihr findet irgendwann die Kraft Euer Leben ohne den geliebten Menschen zu leben! Ich lese gerade ein sehr gutes Buch: Einen geliebten Menschen verlieren von Dr. Doris Wolf. Vielleicht hilft es ja jemandem. Meiner Mama werde ich es auch zu lesen geben.
Liebe Grüße
Susanne
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  #33  
Alt 18.10.2004, 20:42
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Standard Nun bin ich Witwe

Hallo alle zusammen,
ich habe wieder einen Tag rumgebracht, meine Arbeit so einigermaßen gemacht und heute sogar mal meinen Schreibtisch vollkommen leer gebracht.
Ich habe gerade gedacht, jetzt lese ich noch ein bißchen, wie es bei Euch heute war. Andrea und Beatrix haben jetzt die schwersten Tage ihres Lebens vor sich. Beatrix, Dein Uli hat wirklich genau das gleiche wie mein Andreas mitgemacht. Auch bei ihm hat die letzten 2 Wochen die Leber total ausgesetzt und seinen Körper immer mehr vergiftet, er konnte nicht mehr sprechen, nichts mehr essen, nichts mehr sehen. Ich glaube aber,dass er trotzdem noch viel mitbekommen hat. Ich habe gar nicht von ihm weggehen dürfen, er wurde ganz unruhig. Und genau wie Du, mache ich mir unendlich Vorwürfe, vielleicht doch nicht genug getan zu haben. Wie Du schreibst, es war, als wenn sich die Leber zersetzt hat und ausgeschieden wurde. Ich habe bis heute mit niemanden über die Details der letzten Tage richtig reden können, so schlimm wars. Ich weiß immer noch nicht, ob es richtig war, dass ich ihn vom Krankenhaus nach vier Tagen wieder mit nach Hause genommen habe. Am schwersten ist mir gefallen, dass er zu keiner Zeit mit mir über das Sterben reden wollte, er wollte einfach nicht gehen, mich alleine zurücklassen. Beatrix genau wie Du, musste ich auch eine richtig große Beerdigung "veranstalten". In so einem klitzekleinen Dorf, wie bei mir, geht es einfach nicht anders. Ich habe auch hin und her überlegt, wegen Leichenschmaus. Mein Sohn hat mir die Entscheidung so abgenomenn: "Papa war ein so geselliger Mensch, er hätte gewollt, dass alle zusammen danach noch ein Bier trinken und was essen." So haben wir das dann auch gehalten, die Arbeitskollegen eingeladen, die Feuerwehr war mit der Fahne dabei - also haben wir sie auch eingeladen. Alle Nachbarn, Verwandten, Angelsportverein, Tennisclub waren da. So schwer wies war, aber es hat mir irgendwo auch gutgetan, wie gern ihn alle gehabt haben.
Liebe Susan, ich lese zur Zeit auch das gleiche Buch wie Du, ist schon gut. Ist nur leider nicht so einfach mit dem Umgang mit der Trauer, wie es geschrieben steht. Braucht alles seine Zeit.
Liebe Andrea, wie hat es Dir heute am Geburtstag Deines Mannes ergangen, wie hast Du es geschafft? Wenn es diese blöde Krankheit nicht gäbe, könntet ihr heute in Kreta das Leben genießen, ist aber anders.
Ich wünsche Dir für morgen ganz viel Kraft. Ich habe im übrigen meinem Mann auch eine etwas andere Anzeige in die Zeitung drucken lassen. Statt dem üblichen blabla habe ich einen großen Teil der Anzeige für ein Gedicht verwendet, das meine Gefühle ausgedrückt hat. Ich schreib es euch noch zum Abschluß:
"Es ist so schwer, wenn sich zwei Augen schließen,
zwei Hände ruhn, die so viel geschafft;
wie schmerzlich war`s vor dir zu stehen,
dem Schicksal hilflos zuzustehen,
schlaf nun in Frieden, ruhe sanft und hab für alle Liebe Dank.
Ich wünsche Euch allen für diese Nacht ein paar Stunden Schlaf.
Liebe Grüße an alle
Thekla
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  #34  
Alt 18.10.2004, 23:05
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Standard Nun bin ich Witwe

Liebe Andrea,
ich denke sehr an dich, wie hast du den Geburtstag deines Mannes bloß überstanden? Und morgen werden meine Gedanken noch mehr bei dir sein, wir hatten auch eine Bestattung im engsten Familienkreis, da meine Kinder und ich den Gedanken an eine Feier mit vielen Menschen nicht ertragen hätten. Wir haben deswegen viel Unverständnis geernet. Aber wir wussten, dass auch Ralph es nicht anders gewollt hätte.
Dass du zusätzlich zu der ganzen Trauer noch finanzielle Probleme hast, ist schrecklich. Mein Mann war auch selbständig und wir bekommen vom Staat nichts, außer die Kinder pro Monat 33€ Halbwaisenrente.
Auch ich kann nur bestätigen, was ihr schreibt, hätten die Ärzte keine Chemotherapie angeordnet, wären vielleicht wenigstens noch einige Monate mit größerer Lebensqualität übrig geblieben.
Liebe Thekla,
mein Mann hat mit mir während seiner Erkrankung und vor allem am Ende nie über das Sterben gesprochen. Er ist ja zu Hause (das wollte er so) und ganz schrecklich gestorben. Unser Sohn hatte Geburtstag und genau 1,5 Stunden nach dem Geburtstag ist er gestorben. Wir haben alle gedacht, dass er den Geburtstag, den 16. meines Sohnes noch erleben wollte. Er hat es auch noch mitbekommen, konnte aber schon keine Glückwünsche mehr artikulieren. Im Augenblick des Todes war ich allein mit meinem Mann, und ich weiß jetzt, was Todeskampf bedeutet. Ich werde es nie vergessen, und nachts holt es mich immer wieder ein, obwohl es nun schon 10 Wochen her ist. Ich habe es auch noch keinem erzählt.
Trotz allem dürft ihr euch keine Selbstvorwürfe machen, jeder hat sicherlich in jedem MOment gedacht, das Richtige zu tun, auch wenn es sich später als doch nicht richtig herausgestellt hat. Bloß wer soll wissen, was bei einer solchen Krankheit wann richtig ist?
Ich wünsche uns allen, dasss wir etwas Schlaf finden und umarme euch.
Beate
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  #35  
Alt 18.10.2004, 23:14
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Hallo alle zusammen,
Habe lange hier im Forum nicht reingeschaut und lese jetzt euere Zeilen. Plötzlich ist alles wieder so nah und ich habe das Gefühl alles nochmal zu erleben.
Mein Mann verstarb im November 2003 kurz nach seinem 51.Geburtstag an Darmkrebs. 5 Jahre haben wir gekämpft und der verdammte Krebs hat gewonnen, aber wir hatten wenigstens noch ein paar Jahre. Ich selbst bin heuer 40 geworden und unsere Tochter ist 7 Jahre. Auch heute nach fast einem Jahr habe ich an manchen Tagen das Gefühl es nicht zu schaffen. Er fehlt mir so......
Der Schmerz in der Brust läßt nicht nach er ist nur nicht mehr dauernd da. Die letzten 5 Jahre und der Tod eines geliebten Menschens lassen einen manche Dinge anders sehen. Ich versuche mein Leben jetzt so zu leben wie ich es will, denn jeder hat nur ein Leben, und versuche nicht dauernd es den anderen recht zu machen. Manchmal fühlt man sich stark und sobald es um Dinge geht die meinen Mann betreffen ist man total verletzlich und ganz unten. Ich sag mir dann immer, mein Mann wollte, daß es mir gutgeht.
Im Moment bin ich gerade dabei die letzten Sachen meines Mannes wegzuräumen, denn man kann nicht nur in der Vergangenheit leben, daß ist man seinem Kind schuldig.

Als ich heute diese Zeilen hier las, ging es mir wieder sehr schlecht, es war als wenn alles nochmal hochkommt.
Ich kann eueren Schmerz gut nachfühlen. Nach meiner Meinung nach, kann man die Trauer nie verarbeiten. Sie ist immer da, nur die Form in der man sie zeigt verändert sich.
Mir hat sehr viel meine Arbeit geholfen. Ich finde, man braucht das Gefühl etwas geleistet zu haben und gebraucht zu werden.
Man muß lernen den Menschen gehen zu lassen und auch loslassen zu können. Warum, warum? wie oft hab ich mich das gefragt. Man bekommt keine Antwort. Ich denke jedem Menschen ist seine Lebenszeit vorbestimmt und seine war abgelaufen. Ich hoffe es geht unseren Lieben wo immer sie sind gut. Laut dem Buch "Die blaue Insel" ist es dort oben sehr schön. Ich gönne es ihm.

Nun möchte ich allen viel Kraft wünschen und hoffe ihr habt gute Freunde bei denen ihr einfach zu reden könnt und die euch das Gefühl geben, daß sie euch etwas verstehen.
Wünsche euch alles Gute und drück euch ganz fest
PetraS
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  #36  
Alt 19.10.2004, 10:37
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Standard Nun bin ich Witwe

Heute ist ein schlimmer Tag. Die Nacht ging herum mit wirren Träumen, immer wieder Wachliegen und wenn dann der Schlaf kam, wieder wirre Träume. Leider habe ich nicht von Uli geträumt, das wäre wenigstens tröstlich gewesen. Gestern abend auf der Terrasse, ich war gerade beim Blumengießen und stand mit der Gießkanne in der Hand am Wasserkran, hatte ich auf einmal das Gefühl, dass Uli ganz nahe bei mir war. Aber bevor ich es richtig registrieren konnte, war es schon wieder weg. Richtig habe ich es erst wahrgenommen, als das Gefühl vorbei war und ich mich nur noch an die Wärme und Geborgenheit für diesen kleinen Augenblick erinnern konnte. Hoffentlich kommt dieses Gefühl nochmal, damit ich es genießen kann. Jetzt warte ich richtig darauf, gestern kam es unverhofft.
Heute ist ein ganz schlimmer Tag. Gestern abend hat noch eine Cousine von mir angerufen, die bis Sonntag in Urlaub war und hat mich nach Einzelheiten gefragt. Da ist alles noch einmal ganz frisch in mir hochgekommen und ich habe es nochmals erlebt. Davon habe ich mich bis jetzt, glaube ich, noch nicht erholt.
Liebe PetraS, es ist schlimm, dass Dein Mann im letzten Jahr so früh gehen und Dich mit Deiner kleinen Tochter allein lassen musste. Wie trägt es denn Deine Kleine? Sie vermisst doch sicher ihren Papa sehr und wie hast Du es ihr erklärt.
Unser Enkel, 3 1/2 Jahre fragt immer wieder nach seinem "Popi", wie er ihn immer nannte. Wir sagen ihm zwar immer wieder, dass Popi jetzt ein Engel ist, aber er fragt trotzdem immer wieder.
Alles Liebe
Beatrix
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  #37  
Alt 19.10.2004, 23:36
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Liebe Andrea,
ich wünsche sehr, dass du den Tag einigermaßen überstanden hast . Bestimmt haben dir deine Kinder Trost und Rat gegeben.
Liebe Beatrix, ich hoffe mit dir, dass das Gefühl nochmal kommt, aber warte nicht darauf, es kommt, wenn man gerade damit nicht rechnet, zumindest war es bei mir so.
Liebe Thekla, wie geht es dir heute? Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich mich mal über Kondolenzbriefe freue, aber letzendlich war ich doch froh, wie viele Menschen so liebe Wort über meinen Schatz verloren.
Mir fehlt mein Schatz an allen Ecken und Enden, manchmal siegt die Vernunft, die mir sagt, dass er es jetzt besser hat und dan siegt wieder die Wut, die fragt, warum er, warum wir?
Wir waren so froh, wir waren fast die einzigen aus unserem Freundes- und Bekanntenkreis, die nach 24 Jahren immer noch glücklich verheiratet waren. Ich weiß aber, dass mein Schatz nicht gewollt hätte, dass ich in Selbstmitleid zerfließe und deswegen will ich mir auch Mühe geben.
Seit umarmt von Beate
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  #38  
Alt 19.10.2004, 23:48
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Standard Nun bin ich Witwe

Hallo Beatrix,
Ja diese wirren Träume können einem ganz schön durcheinander bringen. Auch ich wünsche mir immer von meinem Schatz zu träumen, ist aber sehr selten der Fall, immer dann, wenn ich was von ihm weggeräumt habe. Ich lasse jetzt auch wirklich alles am alten Platz. Dein Uli war heute bestimmt bei Dir beim Blumengießen, hat sich wahrscheinlich an den letzten Blüten dieses Jahres erfreut. Ich habe dieses warme Gefühl immer im Auto, wenn ich morgens zur Arbeit fahre, komischerweise immer an der gleichen Stelle. Es ist, als wenn plötzlich seine Hand auf meinem Rücken liegt. Ich weiß nicht einmal warum immer an dieser Stelle.
Ja es ist schon schlimm, wenn man immer wieder die Einzelheiten erzählen muß. Eine Frage, geht es Dir auch so, dass trotz allem das Reden mehr bringt als alles andere. Nur leider hören einem die Leute nach einiger Zeit nicht mehr so zu, ich habe daher von selbst aufgehört über meinen Schatz zu reden. Rede nur noch manchmal mit meinen Kindern, für die ist allerdings auch schon wieder weitgehend Normalität ins Leben gekehrt, während es bei mir immer schlimmer wird. Ich vermisse ihn so sehr.
Wie wird es heute wohl Andrea ergangen sein. Sie ist bestimmt total am Boden zerstört. Zwei so schwere Tage hintereinander, dass muss ihr ja den Boden unter den Füßen wegziehen. Ich hoffe, sie meldet sich vielleicht heut noch und schreibt sich ein bißchen Kummer vom Herzen.
Ich wünsche Euch allen zusammen eine gute Nacht, ein paar Stunden Schlaf und einen schönen Traum von Eurem Liebsten.
Viele Grüße
Thekla
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  #39  
Alt 20.10.2004, 00:04
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Standard Nun bin ich Witwe

Hallo Beate,
habe gerade noch Deine Worte gelesen und möchte Dir auch noch schnell schreiben. Ich habe mir auch alle Kondolenzkarten aufgehoben, alle Nachrufe, sowie die Todesanzeige aus den Zeitungen ausgeschnitten. Mein Sohn hat mir ein paar Fotos von den vielen Blumen und vom Grab gemacht. Bitte halte mich nicht für übergeschnappt. Aber ich will mir im Winter ein schönes Album machen zur letzten Erinnerung an meinen Andreas. Es ist wirklich schön, dass Ihr 24 Jahre so glücklich gewesen seid. Wir haben auch fast 30 Jahre geschafft. Jetzt sind wir alleine. Mein Sohn ist auch vor kurzem ausgezogen, kommt nur noch 2 Tage die Woche nach Hause. Meine Tochter hat ihre eigene Familie, nicht so viel Zeit für mich. Aber wenigstens meine Katze wartet noch auf mich, wenn ich heimkomme von der Arbeit.Wenn man sieht, wie viele Ehen, dass kaputt gehen, fragt man sich immer wieder, ob es noch Gerechtigkeit gibt. Ich bin so neidisch auf andere Paare. Ich vermisse die täglichen Gespräche, die Streicheleinheiten und noch vieles mehr. Bin zur Zeit gar nicht gut drauf. Überlege schon, ob ich nicht zum Arzt gehe und mich ein bißchen krank schreiben lasse. War seit der Krankheit von meinem Schatz und dem Tod danach noch nicht einen einzigen Tag krank. Habe die ganze Zeit mit Urlaub aus dem letzten Jahr, dem ganzen Urlaub von heuer und vorübergehender Teilzeitarbeit überbrückt. Er hat aber trotzdem nie alleine zu Hause sein müssen. Auch meinem Schatz wäre es nicht recht, wenn ich so viel Selbstmitleid habe. Ich denke mir oft, jetzt nimm Dich ein bißchen zusammen, er hat immer gesagt, weine nicht. Er hatte doch die ganzen Schmerzen, er musste von dieser Welt weggehen. Es ist wirklich so eine schlimme Mischung aus tiefster Trauer und Selbstmitleid.
Werde jetzt versuchen ein wenig zu schlafen, damit ich morgen wieder fit bin, nur für was ?
Viele Grüße
Thekla
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  #40  
Alt 20.10.2004, 01:29
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Hallo Ihr Lieben,

danke, dass ihr heute an mich gedacht habt. Aber ich muss euch sagen, zumindest für heute habe ich meinen Frieden gefunden. Wir haben den Tag so gestaltet, dass er "richtig" war. Die Pfarrerin hat eine würdevolle und ehrliche Rede gehalten und ist auf unsere Wünsche und Vorschläge sehr einfühlsam eingegangen. Nach der Beerdigung war die Familie noch zum Kaffee bei uns - das ging nicht anders, ohne Gefühle zu verletzen - und das war ok. Den Abend habe ich mit unseren Freunden in einer Pizzeria verbracht, die unser letztes gemeinsam besuchtes Lokal war. Und auch das hat sich "richtig" angefühlt. Wir haben gemeinsam geweint aber auch gemeinsam gelacht, denn wir alle haben auf unsere Weise gemeinsam mit Claus gelebt.

Da ich heute besonders viel Mutlosigkeit und Trauer in euren Beiträgen lesen muss, möchte ich euch einen Teil unserer Trauerfeier hierlassen. Lasst es auf euch wirken, mir bedeutet diese Geschichte sehr viel.

Habt eine gute Nacht

Andrea

Die Geschichte der Traurigkeit

Es war eine kleine Frau, die den staubigen Feldweg entlang kam. Sie war wohl schon recht alt, doch ihr Gang war leicht, und ihr Lächeln hatte den frischen Glanz eines unbekümmerten Mädchens.

Bei einer zusammengekauerten Gestalt blieb sie stehen und sah hinunter. Sie konnte nicht viel erkennen. Das Wesen, das da im Staub des Weges saß, schien fast körperlos. Es erinnerte an eine graue Flanelldecke mit menschlichen Konturen.

Die kleine Frau bückte sich ein wenig und fragte: 'Wer bist du?'

Zwei fast leblose Augen blickten müde auf. 'Ich? Ich bin die Traurigkeit', flüsterte die Stimme stockend und so leise, dass sie kaum zu hören war 'Ach, die Traurigkeit!' rief die kleine Frau erfreut aus, als würde sie eine alte Bekannte begrüßen. 'Du kennst mich?' fragte die Traurigkeit misstrauisch. 'Natürlich kenne ich dich! Immer wieder einmal hast du mich ein Stück des Weges begleitet.' 'Ja, aber ...', argwöhnte die Traurigkeit, 'warum flüchtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?' 'Warum sollte ich vor dir davonlaufen, meine Liebe? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtigen einholst. Aber, was ich dich fragen will: Warum siehst du so mutlos aus?' 'Ich ... ich bin traurig', antwortete die graue Gestalt mit brüchiger Stimme.

Die kleine, alte Frau setzte sich zu ihr. 'Traurig bist du also', sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. 'Erzähl mir doch, was dich so bedrückt.' Die Traurigkeit seufzte tief. Sollte ihr diesmal wirklich jemand zuhören wollen? Wie oft hatte sie sich das schon gewünscht. 'Ach, weißt du’ begann sie zögernd und äußerst verwundert, 'es ist so, dass mich einfach niemand mag. Es ist nun mal meine Bestimmung, unter die Menschen zu gehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen. Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor mir und meiden mich wie die Pest.' Die Traurigkeit schluckte schwer.

'Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich bannen wollen. Sie sagen: Papperlapapp, das Leben ist heiter. Und ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot. Sie sagen: Gelobt sei, was hart macht. Und dann bekommen sie Herzschmerzen. Sie sagen: Man muss sich nur zusammenreißen. Und sie spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken. Sie sagen: Nur Schwächlinge weinen. Und die aufgestauten Tränen sprengen fast ihre Köpfe. Oder aber sie betäuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie mich nicht fühlen müssen.' 'Oh ja', bestätigte die alte Frau, 'solche Menschen sind mir oft begegnet.'

Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen. 'Und dabei will ich den Menschen doch nur helfen.

Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen. Ich helfe ihnen, ein Nest zu bauen, um ihre Wunden zu pflegen. Wer traurig ist, hat eine besonders dünne Haut. Manches Leid bricht wieder auf wie eine schlecht verheilte Wunde, und das tut sehr weh. Aber nur wer die Trauer zulässt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden wirklich heilen. Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich ihnen dabei helfe. Stattdessen schminken sie sich ein grelles Lachen über ihre Narben. Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu.'

Die Traurigkeit schwieg. Ihr Weinen war erst schwach, dann stärker und schließlich ganz verzweifelt.

Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkene Gestalt tröstend in ihre Arme. Wie weich und sanft sie sich anfühlt. dachte sie und streichelte zärtlich das zitternde Bündel. 'Weine nur, Traurigkeit', flüsterte sie liebevoll, 'ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst. Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern. Ich werde dich begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr an Macht gewinnt.'

Die Traurigkeit hörte auf zu weinen. Sie richtete sich auf und betrachtete erstaunt ihre neue Gefährtin: 'Aber ... aber - wer bist eigentlich du?' 'Ich?', sagte die kleine, alte Frau schmunzelnd, und dann lächelte sie wieder so unbekümmert wie ein kleines Mädchen. 'Ich bin die Hoffnung.’
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  #41  
Alt 20.10.2004, 08:46
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Liebe Andrea,
so eine schöne und wahre Geschichte, hat mir sehr gefallen und wird mir sicherlich auch wieder Kraft geben........
Danke.........
Anna-Maria
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  #42  
Alt 20.10.2004, 12:35
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Liebe Andrea,
Deine Geschicht hat mich sehr angeführt. Schön, dass Du sie für uns aufgeschrieben hast.
Wie geht es Dir heute? Schön, dass der letzte Tag so harmonisch bei Euch verlief. Bei meinem Uli ist die Beisetzung für kommenden Montag angesetzt und ich denke mit Schrecken an diesen Tag. Es haben sich so viele Menschen angesagt, viel mehr, als ich gerechnet habe. Wie soll ich das alles allein mit meiner Tochter bewältigen? Sonst hatte ich ja immer eine große Stütze bei Uli aber jetzt.... Meine Tochter und ich haben eben die Umschläge für die Todesanzeigen geschrieben, da roch es plötzlich im Zimmer ganz zart nach Weihrauch. Nach dem Tod von Uli hatte ich viele Kerzen um ihn herum angezündet, die etwas nach Weihrauch dufteten. Seit dieser Zeit kann ich diesen Geruch nicht mehr gut ertragen. Jetzt roch es heute plötzlich ganz leicht danach. Ob er bei uns war? Wir werden es nicht wissen.
Liebe Thekla, sicher ist Dein Andreas im Auto bei Dir und passt auf Dich auf. Wer weiß, warum er Dir gerade immer an dieser bestimmten Stelle so nah ist. Vielleicht ist es dort für ihn am leichtesten, sich Dir zu nähern. Wir wissen ja nicht, wie es auf der anderen Seite aussieht. Aber schon das Wissen, dass unsere Lieben da sind, hilft.
Das mit Niemandem redenkönnen ist hier in unserer Gesellschaft wirklich ein Problem. Ich habe das schon während Ulis Erkrankung festgestellt. Wenn ich mir mal meinen ganzen Kummer und die ganze Last von der Seele reden wollte, mußte ich immer wieder feststellen, dass entweder nicht richtig zugehört wurde oder der Gegenüber plötzlich von seinen Wehwehchen anfing zu berichten, die ja für ihn "viel viel schlimmer" waren, oder von Erkrankungen anderer ihm Bekannter. Das hat mich damals schon sehr betroffen gemacht. Jetzt hören mir die Leute zwar noch zu, aber ich suche mir auch die Personen aus, mit denen ich über Uli und meinen Kummer rede. Ich denke, nach der Beerdigung will aber auch von denen kaum noch einer etwas davon hören. Meine Freundin hat sich gestern, das erste Mal seit Ulis Tod vor 1 1/2 Wochen, telefonisch gemeldet und will heute abend vorbeikommen. Hoffentlich weint sie nicht, sonst ist es mit meiner Fassung auch vorbei und wir verbringen einen tränenreichen Abend. Dabei habe ich das Gefühl, als wenn ich schon alle Tränen ausgeweint habe, aber es kommen doch immer wieder neue.
Dass für Deine Kinder schon weitgehend Normalität eingezogen ist, ist wohl ganz normal. Ich finde es auch gut so, so schwer es für Dich ist, aber für sie geht das Leben weiter und so junge Leute lassen sich von ihrem Kummer noch leicht ablenken. Sicher werden sie ihren Vater trotzalledem nicht vergessen, sie gehen nur einfach leichter damit um und ich glaube, dass das Deinem Andreas auch recht wäre.
So, Ihr Lieben alle, jetzt werde ich weitermachen mit dem Eintüten der Todesanzeigen und sie zur Post bringen.
Es grüßt auch ganz herzlich und wünscht Euch alles Liebe und Gute
Beatrix
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  #43  
Alt 20.10.2004, 19:41
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Hallo Ihr Lieben,
liebe Beatrix, schön, daß dich deine Tochter so untersützt und dein Enkelchen dir Ablenkung verschaffen kann. Aber es ist nun mal so, im Endeffekt muß man versuchen, alleine zurecht zu kommen. Habe mittlerweile etliche Situationen erlebt, in denen man sich extrem hilflos und verlassen vorkommt. Es ist wirklich bei mir so, daß sich fast alle Bekannten zurückgezogen haben. Ja, Hilfe, die haben sie alle angeboten, nur wenn man sie brauchte, waren sie nicht zu erreichen. Fällt mir nur grade ein, da du nicht weit weg von mir wohnst, habe langjährige Bekannte in Sieglar, wahrscheinlich nicht so weit entfernt von dir, stell dir vor, ich rief sie letztens an und sie sagte doch wahrhaftig, sie wisse gar nicht was sie mit mir reden sollte. Auch im Kollegenkreis habe ich das Gefühl, daß sie denken nach 9 Wochen muß alles so sein wie früher. Die blöden Sprüche "er hat es überstanden", das Leben geht weiter", "die Zeit heilt alle Wunden" etc. kann ich nicht mehr hören. Aber sie haben auch wohl keine Ahnung, wie sie mit uns umgehen sollen und es kann auch keiner, der es nicht erlebt hat, verstehen, daß es immer schlimmer wird. Auch diese Gefühlsausbrüche sind immer noch unberechenbar und kommen wie aus heiterem Himmel, egal wo. Bin nur froh, daß ich meine monatelangen Schlafprobleme jetzt mit einem homöopathischen Mittel in den Griff bekommen zu scheine. Habe den Arzt gewechselt, da die chem. Beruhigungs-/Schlaftabletten keine Wirkung mehr zeigten.
Es tut mir leid, daß ich hier nicht persönlich auf euch alle eingehen kann, aber ich habe dazu im Moment nicht Kraft. Es ist alles so grauenhaft.

Wünsche euch eine durchschlafende Nacht ohne Gedanken und viel Kraft

Liebe Grüsse
Irene
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  #44  
Alt 20.10.2004, 19:51
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@Irene

hätte noch einen doofen Spruch zur Ergänzung: "Du schaffst das, du bist ja eine starke Frau". Blöd nur, dass der Mensch, der einem immer zur Stärke verholfen hat, nicht mehr da ist.
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  #45  
Alt 20.10.2004, 21:00
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@Andrea,

genau, den hatte ich vergessen, aber nur aufzuschreiben, gehört hab ich den auch.

Gruß
Irene
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