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  #1  
Alt 05.03.2013, 17:45
Benutzerbild von Gina79
Gina79 Gina79 ist offline
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Standard Papa, bitte trag mich zurück ins Leben

Hallo ihr Lieben! Mein Name ist Nina, ich habe bis jetzt im Angehörigenforum geschrieben und mein Herz ausgeschüttet. Hier im KK bin ich auf so liebe Menschen gestoßen, die mir durch die schwere Zeit der Erkrankung meines Papas geholfen haben und mir immer beigestanden sind. Das möchte ich nicht missen und schreibe nun hier weiter.
Mein Papa ist nach schönen, wahnsinnig intensiven aber auch sehr schweren 14 Monaten Kampf gegen den Lungenkrebs am 23. Februar 2013 für immer eingeschlafen.
Übrig geblieben auf dieser Welt sind ein großes Haus, ich, Mama und die kleine Hündin Gina.
Papa ist im Krankenhaus gestorben. Am Freitag waren wir noch bis abends bei ihm, er hat noch gut gegessen und hatte einen Fernseher im Zimmer. Wir hatten überlegt ob wir bei ihm bleiben da er schon ein Einzelzimmer hatte, es ging ihm aber nicht so schlecht und wir wollten erst einen Tag später drin bleiben weil wir auch zum Hund heim mussten.
Am nächsten Morgen um 6:24 läutete Mamas Handy. Das KH war dran. Wir sollten kommen, Papa ist ein bisschen verschleimt und er schläft sehr tief, könnte aber auch von der Spritze gegen die Luftbeschwerden sein. Wir sollen uns Zeit lassen denn es wäre ein Schneechaos. So war es auch, wir fuhren los und kamen leider zu spät. Papa lag ganz friedlich, die Augen geschlossen, die Hände ganz locker in seinem Bett. Ich dachte er schläft, er atmete nicht mehr, war aber noch ganz warm. Wir hatten ihn gerade verpasst.
Er strahlte so viel Frieden und Liebe aus.
Nach sehr stressigen und anstrengenden Tagen, ist ja viel zu erledigen weiß ich momentan nicht mehr wo mir der Kopf steht.
Ich fühle mich gefühlskalt, kann kaum weinen, fühle mich hart! Dann, wenn mich wieder irgendwas an Papa erinnert überkommt es mich plötzlich. Wenn mir jemand das Beileid ausdrückt fühle ich mich kaum angesprochen, es berührt mich nicht. Ich weiß nicht was mit mir los ist! Ich hab meinen Papa so lieb, hab ihn jetzt 14 Monate begleitet, wollte alles für ihn tun und jetzt fühle ich nichts mehr!?
Ich trage seine Hausschuhe, nimm seinen Glücksbringer in der Hosentasche jeden Tag mit zur Arbeit und fühle mich wohl und gut aufgehoben damit.

In meinen Träumen kommt er als Person mir kaum unter, einzig seine Krankheit, die Diagnose verfolgt mich. Ich grüble nach über die letzten Tage im KH, wie er sich verhalten hatte, was er gesagt hatte, ob ich irgendetwas übersehen hätte.
Am letzten Tag fragte er mich was wir von seiner Situation halten. Ich nahm seine Hand und sagte dass wir ihn lieb haben und zusammenhalten. Er sagte das weiß er und dass wir das auch noch hinbekommen würden. Und er sagte dass es dann halt etwas kürzer sei als wir gedacht hätten. Ich streichelte seine Hand. Als Mama dann reinkam hörte er auf davon zu reden und wir sprachen von was anderem.
Wir wussten, dass sich sein Zustand verschlechtert hatte aber wir rechneten nicht damit dass er so schnell geht. Er ist am Samstag von uns gegangen und am Montag wäre er nach Hause gekommen.
Ich versuche seine letzte Nacht zu rekonstruieren, möchte wissen was alles passiert ist, ob er Schmerzen hatte oder Luftnot oder Panik!? Ich bereue so sehr dass wir nicht da waren, er hätte uns sicher gebraucht. Wir haben nicht damit gerechnet dass es so schnell geht.
Wir haben ihm immer noch Hoffnung gegeben, wenn er erst wieder daheim ist wird es ihm besser gehen. Papa war so clever, er hätte sich was gedacht wenn wir plötzlich über Nacht bei ihm geblieben wären.
ER hat noch gegessen und sogar Süßigkeiten genascht. Abends hat er noch mit Mama telefoniert.
Mir geht die letzte Nacht nicht aus dem Kopf, ich frage mich immer wieder ob er uns gebraucht hätte, ob er es gewusst hatte dass er gehen muss, welche Medikamente er bekommen hatte.
Ich warte noch auf den letzten Befund den der Hausarzt bekommt. Er wird ihn mir erklären, das hat er mir versprochen. Ich bin gespannt und brauche die ERklärung um ihn in Frieden gehen zu lassen.
Momentan funktioniere ich, schiebe viele Gedanken weg, fürchte mich aber vor der Zukunft weil ich denke dass mich die Trauer bald einholen muss.
Es ist so leer ohne ihn, ich kann es noch gar nicht glauben. Denke immer er sei noch im Krankenhaus und käme bald wieder heim. Unfassbar einfach!

Die Welt dreht sich einfach weiter! Auch in der Arbeit sollte man wieder so wie immer funktionieren, keiner fragt mehr nach, keinem interessiert es noch. Ich halte diese Oberflächlichkeit der Leute nicht mehr aus!

Sorry, ich habe schon wieder viel zu viel geschrieben und wahrscheinlich ist vieles davon unverständlich aber es tut so gut sich was von der Seele zu schreiben!
Liebe Grüße Nina
__________________
Mein Papa: Kleinzelliges Bronchialkarzinom
Diagnose am 21.12.2011
am 23.2.2013
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  #2  
Alt 05.03.2013, 19:06
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Papa, bitte trag mich zurück ins Leben

Liebe Nina,

ich finde es gut, dass der Hausarzt mit dir den Befund deines Papas durchgehen wird und bereit ist, dir alles zu erklären. Ich hoffe, dass du dann versichert sein kannst, dass dein Papa nicht leiden musste. So, wie du es beschrieben hast, hört es sich so an, als sei dein Papa friedlich eingeschlafen, habe nichts mehr von Luftnot gespürt und konnte in dem Moment loslassen, als die Zeit dafür gekommen war. Einige haben dir ja bereits geschrieben, dass Menschen sich dafür entscheiden, diesen letzten Schritt allein zu gehen. Vielleicht, weil sie ihre Lieben schützen wollen oder weil es ihnen womöglich leichter fällt, diese Welt zu verlassen, wenn wir nicht bei ihnen sind, ihre Hand halten. Mein Vater ist auch gegangen, als ich schlief. Ich denke mir, er hat es so gewollt, denn als wir immer bei ihm wachten und ihn hielten, da konnte er wohl nicht den Übergang nehmen.

Das Alles zu verstehen, im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen, das dauert. Anfangs hat man das Gefühl, es wäre gar nicht wahr und ich dachte auch immer, mein Vater läge noch in seinem Bett... All die formellen Dinge habe ich geregelt, vieles gemeinsam mit meiner Mutter, vieles auch allein und ich war fast froh, dass ich das alles erledigen konnte. Denn als nichts mehr zu tun war, da hatte ich das Gefühl, in ein Loch zu fallen. Da war plötzlich keine Aufgabe mehr und ich fühlte mich geradezu unnütz. Meine Welt war ziemlich finster und mir ging es genau wie dir... Auf der Arbeit nervte mich die Banalität des Alltags, alles ging so weiter, als sei nichts geschehen. Dabei war meine Welt nicht mehr so wie zuvor. Und die Beileidsbekundungen fand ich persönlich ganz furchtbar... Ich mag das Wort überhaupt nicht. Ich weiß auch gar nicht, was das bedeuten soll. Wie kann man denn beileiden?!

Wundere dich nicht, dass du nun nicht unentwegt weinst oder tieftraurig sein kannst. Du musst letztendlich ja funktionieren, da das Leben tatsächlich weiter läuft. Ganz unbarmherzig. Ich hatte mir vor einem Jahr gewünscht, ich könne einfach daheim bleiben und hätte die Zeit, die ich benötigte, um um meinen Vater zu trauern. Heute denke ich, dass es gut war, dass ich Aufgaben hatte. So konnte ich mich ganz gut über die Tage retten, sie hatten eine vorgegebene Struktur und innerhalb dieser konnte ich mich sicher bewegen. Nur abends, wenn ich zur Ruhe kam, dann kam meine Trauer. All die Gedanken, die in meinem Kopf wirbelten. Ähnliche Gedanken, wie du sie beschreibst.

Liebe Nina, ich kann dir als Außenstehende nur sagen, dass ihr alles richtig gemacht habt! Ihr seid immer für deinen Papa da gewesen, habt die gemeinsame Zeit genutzt, euch alles gesagt, was wichtig war, euch eure Liebe gezeigt und für deinen Papa gesorgt. Ihr habt ihm diese so schwere Zeit so schön gestaltet, wie es möglich war. Und in diesem Wissen ist dein Papa euch vorausgegangen. Er hätte nicht gewollt, dass ihr bei ihm im Krankenhaus übernachtet. Wenn ja, dann hätte er euch sicherlich darum gebeten. Diesen allerletzten Schritt wollte er wohl allein gehen. Ganz still und in Frieden. Er wusste ja, dass ihr später kommen würdet... Und ich glaube, dass er sich noch von euch ganz leise verabschiedet hat. (Solltest du dir Sorgen machen, dass dein Papa ganz allein war, als er starb, dann tröstet es dich vielleicht zu wissen, dass Elisabeth Kübler-Ross der Auffassung ist, dass wir nie allein sind. Unser Schutzengel oder Geistführer ist immer bei uns und besonders in der Zeit. Er hilft uns beim Übergang. Mich hat das sehr beruhigt, denn ich hatte eine geradezu panische Angst, dass mein Papa so allein sein müsste...)

Ich möchte dir damit nur sagen, dass ihr nichts anders hättet machen können und sollen. Alles war gut, wie ihr es getan habt. Und du hättest leider nichts am Verlauf ändern können in dieser Nacht! Niemand hätte das vermocht. Ich denke, insgeheim weißt du das, Nina, doch es schmerzt so sehr und wir wünschen uns ja nichts sehnlicher, als dass wir den Tod hätten aufhalten können. Zu akzeptieren, wie es ist, das fällt unendlich schwer. Ich wünsche dir von Herzen, dass du das für dich zu erkennen vermagst. Und sei geduldig mit dir! Ich kann im nachhinein sagen, dass es viele, viele Monate gedauert hat, bis ich dort bin, wo ich heute stehe. Es war ein anstrengender und steiniger Weg, doch ich habe es geschafft und du wirst das auch schaffen.

Ganz liebe Grüße
Miri
__________________
Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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  #3  
Alt 05.03.2013, 19:49
gluecksprinzip gluecksprinzip ist offline
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Standard AW: Papa, bitte trag mich zurück ins Leben

Liebe Nina, ich kann dich so gut verstehen. Meine Mama ist am 13.02. gestorben und ich fühle nur Leere. Das Leben läuft irgendwie weiter und alles rundherum ist so normal. Ich fühle mich genau wie du so kalt und herzlos weil ich nicht andauernd traurig bin. Ein anderes mal überkommt mich die Trauer aber wieder den ganzen Tag und ich hab Angst vor der Zukunft. Für mich ist das allerschlimmste, dass in meinem Kopf nur das Bild von meiner kranken Mama ist. Ich kann nicht an sie als gesunden Menschen denken,da schiebt sich immer sofort das Bild von ihrem kranken, ausgemergelten Körper davor. Ich muss dazu sagen, dass meine Mama die letzten Wochen bei mir gewohnt hat und ich die letzten 16 Tage ihres Lebens, als es ihr wirklich schlecht ging 24 Stunden am Tag mit ihr in einem Raum verbracht habe. Das hat sich bei mir so eingebrannt, dass ich es nicht mehr aus dem Kopf bringe. Ich kann aber noch nicht so richtig glauben, dass sie nie wieder kommt, dass ich nie wieder mit ihr lachen, nie wieder mit ihr telefonieren kann...

Vor uns wird noch, wie vor so vielen anderen hier ein langer Weg liegen. Ein Trauerjahr in dem viele Dinge zum ersten Mal ohne den geliebten Menschen stattfinden. Es wird schwer und ich habe Angst davor, aber unsere Lieben sind jetzt in einer Welt ohne Leid und Schmerz und irgendwann werden die schönen Erinnerungen die Trauer überwiegen und wenn es ganz schlimm wird findet man hier immer wieder liebe Menschen die einen verstehen können.

Liebe Grüße

Evi
__________________
Mein Papa:
Gestorben vor 29 Jahren nach 7 Jahren Kampf gegen den Darmkrebs.

Meine Mama:
06.11.12 Diagnose Pankreaskopfkarzinom
13.02.13 Mama ist jetzt in einer besseren Welt, ruhe sanft liebe Mama

Ich vermisse euch und schick euch einen dicken Kuss
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  #4  
Alt 06.03.2013, 03:09
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Papa, bitte trag mich zurück ins Leben

Hallo zusammen,

nein, ihr habt nichts falsch gemacht. Eure Selbstzweifel und eure Angst kann ich nur zu gut verstehen. Es sind immer wieder die gleichen Fragen, die fast jeder sich stellt. Hab ich was übersehen? Hätte ich was anders machen können? Hab ich was nicht gesagt oder getan? Hätte ich das verhindern können?

Auch wenn ich euch jetzt sage: vergesst diese Fragen. Sie werden dennoch einige Zeit auftauchen. Geht sie an, diese Gedanken. Verzweifelt nicht an ihnen und unterdrückt sie nicht. Denkt über sie nach, dann werden sie eines Tages verschwunden sein. Sie werden dann nicht verschwinden, wenn ihr euch nicht damit beschäftigt. Ein harter Weg, ich weiß. Doch das kann einem niemand abnehmen. Dabei helfen sicherlich.

Wie schon geschrieben: irgendwann werden die schönen Erinnerungen die Trauer überwiegen. Das stimmt, doch es dauert. Mal schneller, mal langsamer. Ich bin jetzt 5 Jahre verwitwet und kann diesen Satz nur voll und ganz unterstreichen. Lasst euch Zeit, einen Schritt nach dem anderen. Wer glaubt, große Schritte machen zu müssen, kann auch große Schritte zurückfallen. Kleine Schritte sind besser und leichter.

Nicht die Trauer besiegen. Das geht eh nicht und ist auch nicht der Sinn. Sie annehmen und verstehen, das geht und die Chance nutzen, aus ihr zu lernen für das eigene Leben und eigene die Zukunft. "Wenn ich meinen Feind nicht besiegen kann, dann mach ich ihn mir zum Freund." Die Trauer erscheint uns als Feind, der uns verzweifeln lassen will am Leben, uns Steine in den Weg wirft und uns tiefe, schwarze Löcher gräbt. Irgendwann kann er zum Freund werden, der die Erinnerung und das Vermächtnis unserer Verstorbenen in uns hoch hält und uns stärker werden lässt, als wir es je zuvor waren.

Ich möchte euch Mut machen und dennoch nicht verschweigen, daß es ein schwerer Kampf sein wird. Doch ihr braucht dabei nicht unter zu gehen. Ein weiter und steiniger Weg wird es sein bis dahin. Der erste Schritt ist der schwerste. Er ist machbar.


Viel Mut und Kraft,

Helmut
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Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376
http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070

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  #5  
Alt 06.03.2013, 08:35
Tiina Tiina ist offline
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Standard AW: Papa, bitte trag mich zurück ins Leben

Liebe Gina,
ich kann Dich sehr gut verstehen - ich hatte die gleichen Gedanken...
Ich war zwar in der letzten Nacht bei meiner Mami, war bei ihr als sie starb, aber in den Nächten davor habe ich sie alleine gelassen im Hospiz.
Und es war genauso wie bei Euch - ich hätte nicht damit gerechnet, dass es so schnell geht... Sie hatte den Tag wie üblich im Rollstuhl verbracht, sie hat fast normal gegessen - die meisten anderen Bewohner des Hospizes haben das Bett überhaupt nicht mehr verlassen, da dachte ich, wir haben noch mehr Zeit, dachte, ich muss mir meine Kraft noch einteilen...

Und genau wie ihr habe ich mich auch gescheut von einem "normalen" Ablauf abzuweichen, weil ich befürchtet hätte, meiner Mami damit Angst zu machen.

Ich habe mich sehr lange mit diesen Gedanken gequält - inzwischen habe ich mich halbwegs damit arrangiert, dass wir (wir beide - meine Mami und ich) das eben so gut gemacht haben, wie wir es konnten. Das, was ich eigentlich gewollt hätte (meine Mami retten, ihr alles Leid ersparen), konnte ich leider nicht...

Dass am Anfang die Erinnerungen an die Krankheit übermächtig sind, war bei mir auch so - viele Nächte habe ich geträumt, dass meine Mami krank ist und ich nicht helfen kann... Mit der Zeit ändert sich das und die Erinnerungen an den gesunden Menschen werden stärker...

Und dass Du herzlos bist, brauchst Du sicher nicht zu befürchten - im Moment bist Du noch wie betäubt, das ist glaube ich eine sehr sinnvolle Schutzfunktion der Seele... Du wirst noch viel trauern und weinen, es wird immer wieder Wellen geben.

Es ist sehr viel, was jetzt zu verarbeiten ist, ich wünsche Dir viel Kraft und hoffe, Deine Mama und Du könnt Euch gegenseitig ein bißchen helfen.
Alles Liebe,
Anja
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  #6  
Alt 06.03.2013, 09:01
Trüffi Trüffi ist offline
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Standard AW: Papa, bitte trag mich zurück ins Leben

[QUOTE=Tiina;1176832]Liebe Gina,
Sie hatte den Tag wie üblich im Rollstuhl verbracht, sie hat fast normal gegessen - die meisten anderen Bewohner des Hospizes haben das Bett überhaupt nicht mehr verlassen, da dachte ich, wir haben noch mehr Zeit, dachte, ich muss mir meine Kraft noch einteilen...

***

Das geht mir auch so, am letzten Abend habe ich sehr lange gezögert, ob ich bei Mutti im Hospiz bleiben soll, habe es dann nicht gemacht, weil ich "Angst" hatte, dass ich "da gar nicht mehr weg komme". Das klingt jetzt furchtbar hart, aber mein Sohn ist 3 Jahre alt, es war kurz nach Weihnachten ...

Ich bin morgens um 9 wieder da gewesen, um 10.30 Uhr starb sie. Der Pfleger, der sich (auch um micht) kümmerte, lächelte mich an und meinte: Da hat sie eben einfach noch gewartet... Das glaube ich auch, aber ich schäme ich auch oft, dass ich am Vorabend dann eben doch nach Hause gefahren bin. Die Situtation war schwierig.

Es gibt kein falsch, kein richtig. Man handelt intuitiv - und muss nachher schlicht mit diesen Entscheidungen leben...

Am 22. März sind wir zu einer Trauerandacht im Hospiz eingeladen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich vor dem Tag tausdenfach mehr Angst habe als vor dem Tag der Beerdigung.

Astrid
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  #7  
Alt 06.03.2013, 14:28
Sindy001 Sindy001 ist offline
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Standard AW: Papa, bitte trag mich zurück ins Leben

Hallo Nina!
Deine Geschichte ist meiner so wahnsinnig ähnlich........ Nur war es bei mir meime Mama! Aber die Krankheit, und auch die Zeit des ganzen Alptraums sind sehr ähnlich!

Meine Mama (51) bekam Anfang 2012 die Diagnose Lungenkrebs und ging am 21.02.2013 ins Licht! Dieses Jahr war so voller Hoffnung, Verzweiflung, Ungewissheit, Ratlosigkeit, Wut, Traurigkeit, aber auch vielen schönen Momenten, für die ich sehr dankbar bin. Und das in ständiger Abwechslung!
Draussen geht das Leben ganz normal weiter! Man geht seiner Arbeit nach, und ist doch ständig bei dem geliebten Menschen! Alle sind glücklich, leben ihr Leben! Nur man selbst ist irgendwie "stehen geblieben".

Meine Mama ist auch im Krankenhaus gestorben! 1 Tag nachdem sie eingeliefert wurde. Dabei ging es ihr nicht schlechter als sonst auch! Sie hat mich auch noch ganz stolz angerufen, das es ihr schon wieder besser ginge...... gestorben ist sie dann an einer Lungenembolie. Und die ständige Frage die einem quält: ist sie erstickt? Oder einfach eingeschlafen......
Wäre sie wieder gesund geworden, oder hätte sie sich die nächsten Wochen nur mehr gequält?! Das sind alles so Fragen, die kommen, sobald man sich abends ins Bett legt. Der Kopf hört einfach nicht auf zu denken. Ich weiß nicht wie ich das in den Griff bekommen soll.

Mittlerweile haben wir das Begräbnis hinter uns! Ich denke es hat Mama gefallen! Sie hat bestimmt auf uns herunter geschaut!
Aber so richtig begriffen das sie nicht mehr da ist, habe ich noch immer nicht. Ich denke das wird auch noch eine Weile dauern.

Das mit dem Weinen braucht auch seine Zeit. Das kommt dann, wenn der erste "Schock" vorbei ist. (glaube ich) ich warte auch noch drauf... Manchmal weine ich wenn ich zuhause bin! (allein) aber es kommt mir momentan nicht befreiend vor. ich weiß auch nicht!
ich versuche gerade die schönsten Fotos von ihr zusammen zu suchen, und mir eine kleine Kiste anlegen, wo ich alles zusammengebe, was mich an sie besonders erinnert, oder ich besonders an ihr gemocht habe! vielleicht hilft dir das auch?!

Oder ich schreibe Briefe, wo ich einfach alles reinschreibe was ihr ihr sagen will! Oder wie ich die letzten Tage, Wochen, Monate erlebt habe! Die schreibe ich einfach so, für mich! (und ich bin mir sicher Mama weiß auch was drin steht)
Ich bin mir so sicher wie noch nie zuvor, das es nach dem Tod weitergeht! Sie hat mir schon das ein oder andere Zeichen geschickt! Ich glaube nicht an Zufälle, nur an Schicksal! Und es tröstet mich das sie jetzt nicht mehr leiden muss, wieder mit Ihrer Mama vereint ist, und das ich sie eines Tages wieder sehen werde!

Ich wünsche dir ganz viel Kraft für die nächste Zeit! Du kannst mir gerne schreiben, ich kann so gut nachvollziehen wie es dir geht!

Viele stärkende Grüße,
Sindy!
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  #8  
Alt 06.03.2013, 19:50
Benutzerbild von Gina79
Gina79 Gina79 ist offline
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Standard AW: Papa, bitte trag mich zurück ins Leben

Danke ihr Lieben für die mitfühlenden Antworten! Es beruhigt einfach ungemein und man fühlt sich nicht alleine wenn man erfährt, dass es Menschen gibt die (fast) das selbe erlebt haben. Es tut wahnsinnig gut und ich habe mich gefreut dass ihr alle geschrieben habt!

Ich habe mir heute ein Buch über Trauer gekauft. Habe gelesen, dass es dir Miri sehr geholfen hat. Es heißt "Meine Trauer wird dich finden". Werde heute zu lesen beginnen und freue mich schon darauf.
Ich habe schon den innerlichen Zwang oder verspüre das Bedürfnis mich mit Trauer oder dem Tod von Papa zu beschäftigen. Mama will das gar nicht. Sie meint auch es wäre nicht gut wenn ich jeden Tag auf den Friedhof gehe weil wir Papa eh im Herzen tragen und daheim ein großes Foto von ihm haben und immer eine Kerze anzünden. Sie macht sich Sorgen um mich dass ich mich zu viel hineinsteigere und nicht loslassen kann. Wir sind da ganz verschieden und ich habe ihr auch gesagt dass dies meine Art der Aufarbeitung und der Trauer und des Loslassens ist und sie eben ihre eigene Art hat damit fertig zu werden.
Sie möchte jedem helfen. Sie plant jetzt schon wieder aktives Mitglied eines Erlebnishofes für krebskranke Kinder zu werden und für Patenschaften zu werben. Wir haben dort auch den Erlös des Begräbnisses statt Kranz- und Blumenspenden hingespendet. Das ist halt ihre Form der Aufarbeitung, sie möchte sich jetzt aktiv einsetzen. Mir kommt dies auch noch etwas zu früh vor, sie hat ja ihre Trauer noch nicht wirklich angenommen und steht noch sehr unter Schock aber wir haben darüber gesprochen und sie wird sich eh noch Zeit damit lassen und jetzt mal an sich selbst denken damit sie wieder ins Leben zurückfindet bevor sie hilft.

Wir haben heute eine Reise gebucht. Wir fahren in den Osterferien 4 Tage an den Gardasee, einfach nur mal abschalten und nichts tun. Keine bekannten Leute sehen, keine Pflichten, nur gut essen, schlafen, spazieren, lesen,...! Momentan freue ich mich darauf, weiß aber nicht wie es mir bis dahin gehen wird.

Ich denke so oft an Papa. Was er zu bestimmten Situationen sagen würde. Bestimmte Uhrzeiten an denen er zum Beispiel heimgekommen ist erinnern mich an ihn aber weinen kann ich trotzdem nur selten.
ICh suche in der Natur nach Zeichen dass Papa doch noch irgendwo da ist und finde aber nicht wirklich welche. Jeden Vogel, der etwas tiefer fliegt beobachte ich und denke mir das könnte Papa sein aber dann kommt ein zweiter hinten nach und dann denke ich mir Blödsinn, das ist doch kein Zeichen wenn jetzt 2 Vögel fliegen. Aber ich beobachte und warte und warte.
ES hilft mir dass es euch auch so geht oder ergangen ist und zeigt mir dass es normal ist. Die Gefühle spielen noch verrückt. Ich habe diese Endgültigkeit noch immer nicht wirklich begriffen.

Ich warte auf den Endbericht des Krankenhauses den der Hausarzt zugeschickt bekommt. Ich möchte ihn mir unbedingt erklären lassen, möchte die Todesursache wissen und hoffe dass ich dann die Gewissheit bekomme das Papa nicht gelitten hat.

WAs mich immer noch sehr beschäftigt ist dass Papa als wir reinkamen ein Gitter an seinem Bett hatte. Das hatte er vorher nie. WAr aber da so fertig und geschockt dass ich nicht gefragt habe warum sie das Gitter angebracht haben. Es gibt einfach so viele offene Fragen die ich noch zu klären versuche. Ich muss das machen, sonst kann ich nicht abschließen.
Mama ist damit zufrieden dass er friedlich und mit geschlossenen Augen im Bett gelegen ist. Es beruhigt mich auch sehr, dass er so friedlich aussah aber ich möchte doch mehr wissen.


Mein kleiner Hund, der ja immer Papas Liebling und Aufheiterer war trauert auch sehr. Gerade in der Nacht ist sie immer sehr unruhig, schläft schlecht und träumt laut. An Papas Lieblingsplatz, auf einer Bank beim Kachelofen will sie nicht mehr sitzen. Vor Papas Tod ist sie mit ihm dort immer gesessen.

Ich wünsche euch einen erholsamen Abend und eine ruhige Nacht! Liebe Grüße
__________________
Mein Papa: Kleinzelliges Bronchialkarzinom
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  #9  
Alt 06.03.2013, 19:57
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Gina79 Gina79 ist offline
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Standard AW: Papa, bitte trag mich zurück ins Leben

PS: Liebe Sindy! Ja, das selbe mache ich auch schon die ganze Zeit. Ich suche auch alle Fotos zusammen die ich von Papa finden kann und sammle sie in einer Schachtel. Es lenkt mich ab und beruhigt mich!
Es gibt so viele Gemeinsamkeiten mit euch allen das tröstet und ist schön!
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  #10  
Alt 06.03.2013, 20:16
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Papa, bitte trag mich zurück ins Leben

Liebe Nina,

auch wenn es bei mir nun ein Jahr her ist, finde ich mich in vielen deiner Beschreibungen wieder und ich musste ein wenig schmunzeln, als ich las, dass du in der Natur so verzweifelt nach Zeichen suchst. Das habe ich auch getan... Und dann kam ausgerechnet eine Taube (diese Vögel konnte mein Vater so überhaupt nicht ausstehen) jeden Morgen, wenn ich auf dem Balkon stand und in den Himmel schaute. Diese Taube kam bis zum Tag von Papas Beerdigung und seitdem war sie verschwunden. Sie setzte sich immer in den Baum, der unserem Dach am nächsten steht und sah mich an.

Was ich damals ganz furchtbar fand war, dass ich nie von meinem Vater träumen konnte... Ich beneidete alle, die ihren Liebsten wenigstens im Traum noch einmal begegneten, sie umarmen konnten. Ich konnte nicht verstehen, warum ausgerechnet ich nicht von ihm träumen konnte, wo ich ihn doch so vermisste, dass es fast körperlich schmerzte.... Es gelang mir nur einmal im Urlaub in Dänemark. Ich hatte mein Buch, das du jetzt beginnst dabei und arbeitete darin. Ich stand allein auf der Terrasse und lud meinen Papa ein zu mir zu kommen, er habe immer ein Zuhause in meinem Herzen. Und dann habe ich den Gedanken und das Sehnen losgelassen. Und ob du es glaubst oder nicht, ausgerechnet an dem Nachmittag habe ich von ihm geträumt. Eine ganz kurze Sequenz, doch ich bin ihm begegnet, er strahlte mich an und wir fielen uns in die Arme. Dann bin ich aufgewacht und war einfach glücklich.

Wenn du gar nicht mehr damit rechnest, dann werden dir vielleicht diese Zeichen begegnen. Oder du wirst von deinem Papa träumen. Vielleicht aber hörst du in dir auch seine Stimme. Was immer es auch sein mag, es wird geschehen, wenn es gut für dich ist und die Zeit reif ist dafür. Bis dahin hoffe ich, dass dir das Buch genau so gut tut, wie es mir getan hat. Noch heute verwende ich Techniken daraus und wenn ich möchte, dann kann ich noch immer meine Zeigefinger gegen meinen Daumen pressen und mir schöne Momente heraufbeschwören....

Ganz liebe Grüße
Miri
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

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  #11  
Alt 06.03.2013, 20:59
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Papa, bitte trag mich zurück ins Leben

P.S.: Das Gitter, du fragtest wegen des Gitters am Bett. Ich könnte mir vorstellen, dass dein Papa vielleicht in der Nacht unruhig war. Und da die Schwestern ja nicht die ganze Nacht bei ihm verbringen konnten und nicht wollten, dass er womöglich aus dem Bett fällt, haben sie das Gitter zu seinem Schutz hochgeklappt. Mein Vater war kurz bevor er starb sehr unruhig. Er wollte ja immer aufstehen, obwohl doch keine Kraft mehr da war.... Meine Mama hat ihn dann mit sanfter Gewalt ins Bett zurück gedrückt und da wurde er irgendwann wütend. Heute wissen wir, dass er eben gehen wollte. Damals befürchtete meine Mutter, dass er stürzen würde, weil wir ihn nicht halten könnten... Für so einen Fall gibt es dieses Gitter. Sterbende Menschen verspüren oft diese Unruhe, reißen die Arme hoch gen Himmel, greifen ins Leere oder wollen tatsächlich aufstehen und gehen wie mein Vater. Das könnte eine Erklärung für das hochgeklappte Gitter sein.
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