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  #1  
Alt 06.11.2011, 19:44
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PersS PersS ist offline
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Registriert seit: 19.06.2010
Beiträge: 67
Standard Freundin erkrankt, ratlos bin...

Hallo da draußen!

Nun ist es also soweit...ich bin in diesem Unterforum gelandet.

Ich habe den Verlauf der Krankheit meiner Freundin unter diesem Thread bis zu einem gewissen Punkt beschrieben: http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=46333

Warum ich mich plötzlich nicht mehr gemeldet habe? Hm...das hatte viele Gründe. Hauptsächlich der, dass jemand aus dem näheren Umfeld hier heimlich mitgelesen hat und jeden meiner Einträge per SMS kommentiert hat...nicht immer fair...nicht immer Objektiv...Ohne Wertung, ich jedoch konnte das zu diesem Zeitpunkt nicht verstehen.

Ich weis auch nicht ob es OK ist, hier in diesem Forum zu schreiben..ob ich das Recht habe...ob es richtig ist....

Am 03.11.2011, 08:04 Uhr, erreichte mich der Anruf, vor dem ich mich so lange gefürchtet hatte. Der Vater teilte mir mit, dass Janine die Nacht nicht überstanden habe.

Ich weis, dieser Post wird sehr lang und es ist OK, sich nicht alles durch zu lesen...mir jedoch geht es besser, wenn ich das Tagebuch, was ich am 19.06.2010 auf dem Lehrgang in den USA begonnen habe, hier abschließe. Egal was diese "Person aus dem näheren Umfeld" auch noch dazu sagen wird oder nicht...

Die Wochen und Monate nach der OP, wo meine Art Tagebuch geendet hat, lassen sich schwer in Worte fassen. Ich war weiterhin wochenweise bei Janine in den Krankenhäusern MÜNSTER und FREIBURG, schlief in fremden Kasernen um Geld zu sparen und so weiter und so fort. Die Wochen, die ich dort verbracht habe, verschwimmen ineinander. Es gab wirklich tolle Momente, wo wir gelacht haben und natürlich auch Momente, wo ich oder sie einfach mal weinen mussten.

Ich erinnere mich an den Tag meines Besuches, kurz nach meiner Rückkehr aus Afghanistan. Janine war an diesem Tage so schwach, dass sie es nicht mal geschafft hat, eine Seite auf dem IPad "umzublättern"...

Irgendwann hatte ich keine Kraft mehr.

Ich besuchte Janine erneut, der es zu diesem Zeitpunkt den Umständen entsprechend wirklich gut ging, und erklärte ihr, dass ich nicht mehr könne. Dass mein Akku leer sei. Selbst dafür hatte sie Verständnis.
Ich versprach ihr, auch weiterhin für sie da zu sein...wann immer sie mich brauchen würde.

Naja...vielleicht kennt ihr das, wenn ihr nach einer Entscheidung das sichere Gefühlt habt, dass es falsch war, aber keinen anderen Ausweg wusstet.
Eigentlich änderte sich nichts mit der Ausnahme, dass ich "nur noch" tageweise zu ihr fuhr und sie mich rief, wenn sie mich brauchte.

Eines Tages, vor einem geplanten Besuch, sagte sie, dass sie verlegt worden sei...sie erklärte mir Hausnummer, Etage und Zimmernummer. Als ich vor dem Eingangsportal der beschriebenen Adresse stand, las ich: Palliativstation...das hat sie mir vorher nicht gesagt.

Es ging im weiteren Verlauf stetig bergab mit Janine.

Dennoch hatten wir bei allen Besuchen soviel "Frieden" und "Ruhe" miteinander, völlig egal, wer da gerade im Raum stand. Auch unseren Freundschaftsring trug sie immer wenn ich da war.

Ich erinnere mich an einen Besuch, da begleitete mich meine Mutter die ein super Verhältnis zu Janine hatte. Während meine Mutter Kaffee trinken war, fragte Janine mich, ob ich mich nicht zu ihr legen könnte um ein wenig "zu kuscheln"...wenn das denn mit all den Schläuchen diese Bezeichnung verdient hat.
Wir lagen dort, Arm in Arm und dösten zufrieden und glücklich vor uns hin.
Was ich am Rande mitbekommen habe ist, dass erst die Schwester und kurz danach meine Mutter rein kamen, uns sahen und beiden "alles aus dem Gesicht fiel".
Das verstehe ich nicht...wir waren in diesem Moment so glücklich und zufrieden, wie man es in einer solchen Situation nur sein kann...

Dies war auch gleichzeitig der letzte Besuch von mir bei ihr. Einen Tag vor dem Nächsten verstarb sie.

Letztlich hat Janines Körper nicht mehr mit gemacht. Sie wollte nicht gehen...oh nein...sie musste.
Wenn ich am Telefon alles richtig verstanden habe, hatte sie noch nicht mal die Gnade gewährt bekommen, einfach friedlich einzuschlafen. Selbst die letzten Stunden, Minuten und Sekunden waren Schmerz und Kampf, den sie schließlich verlor. Ich danke dafür, dass ihr Vater währenddessen bei ihr sein konnte und ich hoffe, sie hat noch mitbekommen, dass sie nicht allein war.

Tja...nun, wo sie nicht mehr da ist merke ich so richtig, wie groß das Loch ist, welches sie bei mir hinterlässt. Natürlich auch bei anderen...aber dies hier ist eben mein Posting.

Wir haben auf dem Weg so viele tolle Menschen getroffen, seien es Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger, Seelsorger, Sozialarbeiter, Mitbetroffene, Familienmitglieder und echte Freunde, dass ich zumindest darüber dankbar sein kann.

Was bleibt? Leere...obwohl wir alle wussten was kommt, so lässt sich das tatsächliche Eintreten eines solchen Ereignisses nicht vorausplanen.

Es bleibt auch und ich bin froh, dass ich das Janine auch so gesagt habe: Stolz!
Stolz darauf, wie stark sie war...stolz darauf wieviel sie ohne murren ertragen hat, Stolz darauf, wie tapfer sie war und Dankbarkeit, sie gekannt zu haben.

Der Trauergottesdienst in den nächsten Tagen mit Sarg und Co wird mein persönliches Waterloo.

So endet es...ist es gut jetzt?

Ich danke Euch und besonders "ASA" und "tzokr" für Ihren Beistand, auch über dieses Forum hinaus, wünsche allen Betroffenen von Herzen alles Gute und den Angehörigen viel Kraft.

I miss you Kleene

Olli
__________________
Alleine... :undecided
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  #2  
Alt 06.11.2011, 20:10
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Monika Rasch Monika Rasch ist offline
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Standard AW: Freundin erkrankt, ratlos bin...

Hallo Olli,
Du weisst sicher selber, was IHR ALLE geleistet habt.
Jetzt kommt die Zeit des Begreifens, des Loslassens-
den Schmerz auszuhalten und enderletzt trotzdem für alle Zeit mit Ihr dankbar zu sein.

Es ist unglaublich, dass einem nicht das Herz zerspringt vor lauter Traurigkeit.

Es dauert , es dauert lange....
im Moment ist ja noch jeder Gedanke, WARUM ?

Oder morgens der erste Gedanke...Sie ist tot.


Das bleibt auch noch ganz lange.

Ich selber vermisse meine Schwester Heike so sehr.
Das Leben geht weiter, irgendwann ist sicher auch mal der Tag da,
an dem ich den ganzen Tag mal nicht denken werde...
Heike anrufen...
oder
das muss ich Heike erzählen...

Aber so ist es eben mit der Trauer, da muss man durch, kann ja die Zeit nicht vorspulen oder die Gedanken nicht denken.

Bei mir überwiegt die Dankbarkeit dafür, dass ich meiner Schwester im letzten Jahr so nahe sein konnte, weil SIE das zugelassen hat.

Und so war es bei Euch ja auch.
Sie hat Dir vertraut, Sie hat sich auf Dich verlassen.

Und jetzt ist es vorbei.
__________________
Mein Ehemann Georg+36jährig+1988(NHL)
Mein Liebster Joachim+42jährig+1997 (kleinzell. Bronchial Ca.)
Ich : 2002 DCIS re.Mamma, operiert, bestrahlt, AHT
Meine Schwester Heike +2011(Bronchialca)
Unsere Mama +2013(operiertes Glioblastom, Nierenversagen bei Temodal Therapie)
Meine Schwester Sandra(45),TN mamma Ca.metastasiert, +21.11.2015
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  #3  
Alt 06.11.2011, 21:16
Elisabethh.1900 Elisabethh.1900 ist offline
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Standard AW: Freundin erkrankt, ratlos bin...

Lieber Olli!

Ich möchte Dir und allen Angehörigen von Janine mein tiefempfundenes Beileid aussprechen. Trösten wir uns, zu wissen, dass sie nun in eine Welt ohne Schmerzen und Leiden gegangen ist.
Laß Dir bitte sagen, Du hast alles richtig gemacht. Du hast ihr in schwierigsten Situationen zur Seite gestanden, warst ihr Ratgeber und Partner.
Es kann Dir niemanden vorschreiben, wie Du damit umzugehen hast. Unser Forum ist für viele Menschen eine Form des Trostes, Erfahrungsaustausches und eine Stätte der Begegnung geworden.
Für die kommende Zeit wünsche ich Dir viel Kraft! Du kannst sicher sein, dass am Tag der Beerdigung viele Menschen an Deiner Seite sind, um Janine auf ihrem letzten Weg zu begleiten.

In stiller Trauer!

Elisabethh.
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  #4  
Alt 06.11.2011, 22:05
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Ylva Ylva ist offline
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Standard AW: Freundin erkrankt, ratlos bin...

Hallo.
ich habe eure Geschichte mitverfolgt. Ich habe mir, wie sicher alle, einen anderen Ausgang erhofft.
Es tut mir leid,
stille Grüße
Ylva
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  #5  
Alt 07.11.2011, 16:31
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Freundin erkrankt, ratlos bin...

Hallo Oliver,

mein tiefstes Mitgefühl für deinen Verlust.

Soeben habe ich eure Geschichte gelesen. Eine Geschichte, wie sie so oft hier zu lesen ist und doch wieder ganz anders. Eine Geschichte mit vielen Höhen und Tiefen. Eine Geschichte, die jetzt in deine mündet.

Besonders beeindruckt und berührt hat mich der Abschnitt mit dem Kuscheln. Bei mir kamen da wieder Bilder hoch, als wäre es gestern gewesen. Ich glaube, dass Janine wusste, was kurze Zeit später passieren wird, als sie dich fragte. So weh es auch tun mag, behalte dir dieses Gefühl: "Wir lagen dort, Arm in Arm und dösten zufrieden und glücklich vor uns hin." für dich im Gedächtnis. Es stimmt, auch sie hat es so empfunden zu dem Zeitpunkt.

Es war der Moment in eurem Leben, in dem die Welt auf einen winzigen Punkt zusammen geschrumpft ist: Janine&Oliver. Liebe und Vertrauen. Der letzte Moment und wahrscheinlich auch der tiefste. Bewahre es dir. Es kann dir über vieles hinweg helfen und ist Salbe für deine Seele.

Du hast geschrieben, wie stolz sie auf sich sein konnte, was sie alles gepackt und ertragen hat. Mal andersrum: du kannst und darfst auch stolz auf dich sein. Du hast grossen Mut bewiesen, bist nicht von ihrer Seite gewichen. Selbst über die Entfernungen einiger tausend Kilometer nicht. Nicht der ist mutig, der blind und ohne Überlegung in die Gefahr stolpert, sondern der, der sich der Gefahr bewusst ist, auch mal Angst hat und sich ihr trotzdem stellt. Wie Letzteres hast du es gemacht und gelebt. Hut ab!


Alles Gute für deinen Weg,

Helmut
__________________
Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376
http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070

Die von mir im Krebs-Kompass verfassten Texte dürfen auf anderen Homepages und in anderen Foren ohne meine ausdrückliche Zustimmung weder verwendet noch veröffentlicht werden. Auch nicht auszugsweise.
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  #6  
Alt 07.11.2011, 19:04
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Scheidungsanwalt Scheidungsanwalt ist offline
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Ort: Ostfriesisches Outback
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Standard AW: Freundin erkrankt, ratlos bin...

Hallo Olli,

das ist eine üble Erfahrung, die Du da machen musstest, und ich möchte Dir mein Mitgefühl aussprechen.

Dennoch möchte ich Dich ermuntern, den Blick nach vorn zu richten, Dich gerade zu machen. Kopf hoch, solange er noch dran ist! Man kann auch vieles ziehen aus so einer Erfahrung, jedenfalls empfinde ich das so. Ich habe das Gefühl, seither wesentlich gelassener geworden zu sein und habe eine andere Sicht auf die Dinge bekommen. So etwas rüttelt einen wach, was das eigene Leben angeht und bringt einen dazu, seine Schwerpunkte zu überdenken.

Kopf hoch, guck nach vorn!!!

Grüße

Tom
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