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  #1  
Alt 20.09.2007, 11:07
sanne2 sanne2 ist offline
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Standard AW: mein Sohn hat Panikattacken

Liebe Nikita,
schon lange verfolge ich Deinen Thread und freue mich für Dich, dass es Dir trotz Deiner ungünstigen Prognose so gut geht.
Du wirst sehen, wenn Deine Arbeit beginnt tritt der normale Alltag wieder ein und Du und Dein Sohn kommt wieder auf andere Gedanken. Ich wünsche Dir, dass Du weiterhin gesund bleibst. Je länger der zeitliche Abstand zu der Diagnose ist, desto weniger denkt man daran.
Mein Mann erhielt 2003 eine ähnliche ungünstige Diagnose. Er sollte innerhalb der nächsten zwei Jahre zu 65% an Lungenmetastasen erkranken. Sein Onkologe erzählte es ihm bei jedem Gespräch mit recht brutaler Offenheit. Mein Mann winkte nur ab und war der Meinung, er würde zu den restlichen 35% zählen. Inzwischen begrüßt ihn der Onkologe wieder lächelnd und ist auch der Überzeugung, dass mein Mann es geschafft hat. Mein Mann hat sich in seiner Meinung niemals beeinflussen lassen und er hatte recht. Das mal eben zu den Prognosen!
Mein Sohn war damals 15 Jahre alt und meine Tochter 17 Jahre. Jedes Kind ging anders mit dieser Situation um. Mein Sohn hielt in der Schule freiwillige Referate über Aids, Lepra und Krebs (mit 15 Jahren!) um danach schulisch vollkommen abzustürzen, meine Tochter zog mit 18 Jahren von zu Hause aus, weil sie die schlechte Stimmung nicht mehr ertrug. Diese Erkrankung hinterließ in unserer Familie einen absoluten Scherbenhaufen, die letzte Scherbe haben wir jetzt erst aufheben können, nach der langen Zeit.
Wir hatten unseren Kindern damals nichts von der üngünstigen Prognose erzählt, sondern so getan als wäre nach den Therapien alles überstanden. Doch es gibt ja den PC! Unsere Kinder holten sich ihre Informationen aus dem Internet. Im nachhinein weiß ich auch nicht, was der richtige Weg ist. Wir haben auf jeden fall falsch gehandelt, doch wie wäre es richtig gewesen?
Inzwischen sind aus meinen Kindern zwei glückliche Erwachsene geworden, nach all den Stolpersteinen, die ihren Weg doch noch gefunden haben.
Und vor allem, mein Mann ist bisher gesund geblieben!
Dir wünsche ich auch, dass Du und Dein Sohn in eine gute Zukunft blicken könnt, dass Du gesund bleibst und Dein Sohn bald weniger Angst um Dich haben muss!
Herzliche Grüße
Sanne
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  #2  
Alt 20.09.2007, 12:14
Benutzerbild von nikita1
nikita1 nikita1 ist offline
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Standard AW: mein Sohn hat Panikattacken

Liebe Sanne
ebenfalls Dank an dich, dass du mir von deinen Erfahrungen mit den Kindern, der Krankheit + positive Prognosen berichtest. Stueck fuer Stueck kann ich mich in meine Soehne einfuehlen..was mir sehr wichtig ist.

Die Normalitaet zieht wirklich wieder ein - niemand spricht mehr von der Krankheit. Gestern telefonierte mein Grosser aus Prag, wo er Medizin studiert und fragte dezent nach, ob mein Onlinebanking noch funktioniert
Vor einiger Zeit gab es an seiner Universitaet eine Konferenz ueber Gebaermutterhalskrebs + neue kurative medizinische Ansaetze, da ist er hingegangen und hat mir dann im August, als er hier war, davon berichtet. Er verarbeitet die Krankheit der Mama auf seine Weise. Da er sein Abi in Tokio gemacht hat und noch Verbindungen dorthin hat, versucht er auch Alternativmedikamente, die es ja in Japan zur Genuege gibt, fuer mich zu besorgen.

Der "Kleine" duest jeden Tag auf dem neuen Fahrrad die 10 km in die Schule, futtert sein Prozac und scheint sich wieder gefangen zu haben, soll heissen, er hat keine Atembeschwerden mehr .

So wurschteln wir uns durch
Deinem Mann weiterhin alles Gute - ich bin immer wieder froh, wenn ich von anderen erfahre, die auf Prognosen pfeifen, sich ihr positives Seelenleben trotz Scherbenhaufen erhalten und die Krankheit besiegen ! Das gibt Mut.
__________________
Liebe Grüße
Nikita


Tapferkeit ist die Fähigkeit, von der eigenen Furcht keine Notiz zu nehmen.
George Patton

Geändert von nikita1 (20.09.2007 um 12:26 Uhr)
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  #3  
Alt 28.09.2007, 16:49
DTFE DTFE ist offline
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Standard AW: mein Sohn hat Panikattacken

Liebe Nikita,
ja, genauso ist es, wie du hier schreibst - Pfeife auf die Prognosen.
Als mein Mann 2003 zum ersten Mal die Diagnose erhielt ist für mich eine Welt zusammen gebrochen. Ich habe meinen damals 16 Jährigen Sohn mit meinen Tränen konfrontiert. Mein Mann, als Betroffener, ging mit der Erkrankung genauso um, wie es Sanne von ihrem Mann beschreibt. Es geht ihm heute gut - er ist Metastasenfrei.
Beide Söhne, damals eben 16 und 12 Jahre alt wollten nicht viel über ihre Ängste sprechen und da mein Mann auch nicht viel sprechen wollte und die Therapie auf Heilung zielte, drängten wir auch nicht weiter auf Austausch. 2005 kam dann das Rezidiv, ohne Aussicht auf Heilung (= riesige Metastasen in der Leber) - da war für mich das Chaos perfekt - ich holte zunächst für mich psychologische Unterstützung und dann kamen 11/2 Jahre lang Familiengespräche. Bereits beim 1. Gespräch war klar, dass die Kinder sich zwar Gedanken machten aber keine wirklichen Ängste hatten. Nur ich sah die Realität, die mir die Ärzte auch bescheinigten mit ihren Prognosen (mein Mann müsste inzwischen eigentlich schon längst tot sein) und hatte entsprechende Verlustängste. Aber Mann und Söhne ließen sich davon nicht beeindrucken und glaubten daran, dass es gut wird. Die Familiengespräche behandelten oft andere Themen (wann muss ein 15 Jähriger am WE abends zuhause sein?) oder die Erkrankung wurde sehr sachlich abgehandelt. Mein Mann und meine Söhne hatten zumindest bis heute recht behalten. Es geht meinem Mann heute sehr gut.
Ich würde es wieder so machen. Den Kindern gegenüber absolute Offenheit und knappe Informationen über den Sachstand - eben soviel wie sie wissen wollen und ansonsten habe ich gelernt zu akzeptieren, dass sie über ihr Innenleben zumindest mit uns Eltern nur begrenzt sprechen wollen.
Typisch männliche Verdrängung???? Ich habe in diesen Jahren gelernt dieser Kunst etwas positives abzugewinnen.
In den absoluten Krisenzeiten also während der Chemo und der OP, als es meinem Mann und auch mir sehr schlecht ging, haben unsere Kinder genauso wie ich selbst einfach nur funktioniert. Es gab z.B. nie Diskussion über Mithilfe im Haushalt - es hat hier eher ein gegenseitiges Unterstützen begonnen. Unsere Söhne sind diesbezüglich nicht in die Rebellion verfallen, sondern sind in dieser Zeit auch sehr selbständig geworden.
Ich wünsche dir viel Normalität und traue deinen Söhnen Selbstheilungskräfte zu. Sie sind stärker als du denkst!
Liebe Grüße Doro
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  #4  
Alt 29.09.2007, 14:20
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nikita1 nikita1 ist offline
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Standard AW: mein Sohn hat Panikattacken

Hallo Doro
Danke an dich, so wie an alle anderen in diesem Thread fuer die lieben, aufbauenden Worte
Es ist schon so, dass man als Betroffener oft so beschaeftigt ist mit allem fertig zu werden, dass man leicht vergisst, wie die Familie, vor allem die Kinder mitleiden.
Mit den eigenen Gefuehlen wird man ja mehr oder weniger fertig - aber was geschieht mit dem Seelenleben der anderen ?
Gut finde ich, wie du beschreibst, dass deine Kinder Diagnose und die folgenden Jahre gut ueberstanden haben und wie wichtig es ist, wie man selbst damit umgeht. Man darf der Krankheit nicht zu viel Patz einraeumen !!!

Im Moment ist meine Mutter hier und jedesmal, wenn ich vom Krebs sprechen will, blockt sie hoechst nervoes ab. Ich bin inzwischen nicht allzutraurig darueber, denn ich habe ja das Forum hier , wo ich ausprechen (ausschreiben) darf.
Zu Beginn war ich aber doch traurig ueber ihre Reaktion , habe dann eingesehen, dass ich meine naechste Umgeheng einfach ueberfordere, wenn ich darueber sprechen will.

Dann habe ich noch eine gute Nachricht: die 1.Nachsorge am 24.September hat ergeben, dass sich der 6 cm grosse Tumor nach Bestrahlung + Chemo erst mal vom Acker gemacht hat, er ist weder sichtbar, noch zu fuehlen.
Nun warte ich nur noch auf das Ergebnis vom Abstrich.

Es bedarf auch meinerseits viel Fingerspitzengefuehl.... obwohl man leicht auf die Schiene als Kranker geraet, der da denkt, dass ihm als Kranken recht viel erlaubt ist, was Mitleid und Mitleiden betrifft. Aber man sollte es eben nicht uebertreiben....

Alles Guuuuuuuuuute fuer deinen Mann !!!!!!!!!!!!!!!!
__________________
Liebe Grüße
Nikita


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George Patton

Geändert von nikita1 (29.09.2007 um 14:39 Uhr)
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  #5  
Alt 29.09.2007, 15:36
DTFE DTFE ist offline
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Standard AW: mein Sohn hat Panikattacken

Liebe Nikita,
ich möchte nicht falsch verstanden werden. Ich denke, dass es verdammt wichtig ist, jemanden zu haben, mit dem man auch ständig über die Gefühle reden kann, wenn man es möchte.
Ich brauche das z.B. zum Verarbeiten der Situation / der Bedrohung bis heute obwohl die Bedrohung ja gar nicht mehr so akut ist.
Was ich sagen wollte ist, dass ich nicht von mir auf andere schließen kann und dass ich lernen musste zu akzeptieren, dass andere (in diesem Fall alle meine 3 Männer) völlig anders damit umgehen und eben nicht reden wollen oder müssen und dass dies okay ist. Und meine 3 Männer mussten lernen zu akzeptieren, dass ich eben einen Weinkrampf bekommen kann und die Welt deshalb nicht gleich untergeht und ich dennoch positiv an die Sache ran ging. Wenn dein studierender Sohn also mit medizinischem Wissen kommt, dann ist das auch okay. Auch mein ältester hat wie der Sohn von Sanne in der Schule Referate über Krebs gehalten und damit wahrscheinlich verarbeitet aber praktisch nie über bestehende Ängste gesprochen, sondern diese eher verneint mit seinem angeblich sicherem Wissen, dass eh alles gut wird. Ich konnte das schwer nachvollziehen. Aber er hat keinen "Schaden" davon getragen, dass er nicht gesprochen hat oder nicht so gefühlt hat wie ich. Ich glaube unsere Sorge als Mutter "wie wird mein Kind damit fertig" ist oftmals die Übertragung unserer eigenen Ängste und Gefühle. Ich denke, dass man Kindern eigentlich sehr viel zumuten / zutrauen kann. Sie wissen es eh, da sie es spüren und dann finde ich es besser, wenn es ausgesprochen ist. Wenn es nicht zum Tabu wird. Das finde ich dann schlimm.
Ich war 4 Jahre alt als mein Vater starb. Meine Mutter nahm mich vor der Beerdigung nochmals mit an sein Totenbett. Meine Mutter wurde damals heftigst kritisiert, was sie mir mit 4 Jahren zumuten würde - eine Leiche zu sehen, noch dazu vom eigenen Vater. Für mich war und ist dies bis heute die wichtigste Unterstützung meiner Mutter gewesen in bezug auf meine Trauerarbeit. Im Anschluss hat sich meine Mutter auf die Toilette verzogen zum weinen. Sie hätte besser mit uns Kindern zusammen geweint, aber vielleicht wollte sie uns dann schonen nach diesen Vorwürfen, die ihr von anderen gemacht wurden.
Vielleicht konnte ich etwas deutlicher machen, was ich meinte mit der Aussage: Deine Söhne sind stärker als du denkst. Meien persönliche Meinung ist: Traue ihnen die Realität zu und tue das, was für dich stimmig ist! Dann ist es auch für deine Söhne stimmig! Ich erhebe jedoch nicht den Anspruch, dass meine Meinung allgemein gültig ist. Liebe Grüße Doro

Geändert von DTFE (29.09.2007 um 15:39 Uhr)
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  #6  
Alt 29.09.2007, 20:56
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nikita1 nikita1 ist offline
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Standard AW: mein Sohn hat Panikattacken

Liebe Doro

ja, das mit dem "ueber alles reden koennen", das ist ein Problem. Mit meinen Kindern kann ich es nicht, weil ich das Gefuehl habe, sie damit zu ueberfordern.
Aber fuer dieses Thema muesste ich eigentlich einen neuen Thread eroeffnen, denn ich habe niemanden, bei dem ich mich mal so richtig ausheulen kann. (obwohl es mir schwerfaellt, mich so richtig zu oeffnen und mal fallenzulassen)

Meine Soehne sind ueber alles informiert, aber weder mit meinem Mann, noch mit Vater und Mutter, die beide schon hier waren/sind , noch mit meiner Schwester in der Ferne, noch mit Bekannten oder Freunden kann ich mal richtig meine Angst rauslassen.

Ich kann doch als Mutter meinen Kindern gegenueber meine Panik nicht so offen zeigen - also bin ich "stark", kuemmere mich weiter um praktische Dige und da man mir die Krankheit aeusserlich nicht ansieht, kommt auch niemand auf die Idee, dass es mir auch mal nicht so gut geht.
Mich um meine Soehne zu kuemmern, ist mein einziger Strohhalm - das gibt mir die Kraft, nicht immer nur an mich und die Krankheit zu denken.
Am liebsten soll alles wieder so werden, wie vor der Diagnose..... Nun ist eben das Dumme, dass die Panikattacken von Claudio mir zeigen, dass wir zwar alle Weltmeister im Verdraengen sind, aber unter der Oberflaeche brodelt es fleissig weiter.....
Sch...Krankheit !!!!!!!!!!!!
__________________
Liebe Grüße
Nikita


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George Patton
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  #7  
Alt 30.09.2007, 14:51
sanne2 sanne2 ist offline
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Standard AW: mein Sohn hat Panikattacken

Liebe Nikita,
herzlichen Glückwunsch zu Deinem schönen Nachsorgeergebnis!
Ich freue mich sehr für Dich, dass ist ein guter Neuanfang nach dieser miesen Krankheit und für Deine Söhne ein toller Lichtblick.
Wenn es dabei geblieben ist, fängt ja bald Deine Arbeit wieder an, also morgen?
Wieder ein Stück mehr Normalität!
Schade, dass Du niemanden zum reden hast, aber dafür ist dieses Forum wirklich gut geeignet. Leider kannte ich es damals noch nicht und stand mit meinen Ängsten um meinen Mann und meine Mutter (Lungenkrebs) ziemlich alleine da. Leider haben mich meine Kinder sehr oft "heulen" sehen, weil die Nerven einfach nicht mehr mitspielten. Allerdings habe ich damals versucht meine Ängste, wenn ich alleine war herauszulassen.
Diese Zeit geht auch vorbei, es kehren bessere ein, auch wenn man es zu diesem Zeitpunkt absolut nicht glauben kann.
Dir und Deinen Söhnen wünsche ich für die Zukunft alles Gute, vor allem Gesundheit! Das weiß man erst nach so einer Krankheit richtig zu schätzen. Meine Kinder sehen es trotz ihres jungen Alters ebenso.
Mein Sohn hat etwas für sich positives daraus gelernt. Er beginnt jetzt eine Ausbildung zum Krankenpfleger, so wie Dein Ältester Medizin studiert.
Ganz liebe Grüße
Sanne
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  #8  
Alt 09.10.2007, 13:23
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: mein Sohn hat Panikattacken

Hallo Nikita,

Zitat:
Zitat von nikita1 Beitrag anzeigen
ja, das mit dem "ueber alles reden koennen", das ist ein Problem. Mit meinen Kindern kann ich es nicht, weil ich das Gefuehl habe, sie damit zu ueberfordern.
(...)
Ich kann doch als Mutter meinen Kindern gegenueber meine Panik nicht so offen zeigen
Meine Frau und ich haben zwar keine Kinder (es hat leider nicht sollen sein). Aber ich erinnere mich noch gut an meine Kindheit: ich bekam massive Panikattacken mit 14-15, danach schwere Depressionen. Der Anlass war keine Krankheit (der Eltern), ist IMHO aber auch nicht so wesentlich.

Erst lange im Nachhinein ist mir klar geworden, dass für mich auch diese Atmosphäre der (wenn ich es mal ganz böse ausdrücke) Verlogenheit krankmachend war. Natürlich meinten meine Eltern es gut. Und natürlich möchtest du deine Kinder schützen, sie nicht überfordern. Und lieber weiter die starke Mutterrolle einnehmen. Das haben meine Eltern, bei denen es damals in der Ehe ganz ordentlich kriselte, auch versucht. Welche wohlmeinenden Eltern würden das nicht tun?

Aber: es hat nicht funktioniert. Weil viele Menschen, IMHO besonders Kinder und Jugendliche, sehr sensible "Antennen" haben - und merken werden, dass ihnen etwas vorgespielt wird, was nicht der Wahrheit entspricht. Und es fraglich ist, ob sie damit besser umgehen können als mit Offenheit und Ehrlichkeit. Anders gefragt: überforderst du deinen Sohn mehr damit, indem du ihm gegenüber die Rolle spielst, die du als Mutter glaubst spielen zu müssen - oder damit, dass du vor seinen Augen zusammenbrichst und deine Angst und Schwäche offenbarst?

Die Antwort darauf kenne ich auch nicht. Ich kann nur sagen, wie sich dieses "Rollenspiel" der "Starken", das meine Eltern damals (ganz bestimmt aus guten Gründen und voller Überzeugung) bevorzugt haben, auf mich ausgewirkt hat: Nämlich mit einem (nach über 25 Jahren immer noch andauernden) grundlegenden Misstrauen gegenüber dem, was andere Menschen sagen. Und einem ausgeprägten Gespür dafür, wann andere nicht die Wahrheit sagen. Und dem"Zwang", alles und jedes, was andere sagen, erstmal zu bezweifeln und zu hinterfragen. Und der Unfähigkeit, anderen einfach so zu vertrauen. Und dem krank machenden Stress, bei anderen Menschen ständig "ziwschen den Zeilen lesen" zu müssen (was sagen sie - aber was meinen sie wirklich?). Meine Konsequenz daraus für mich ist inzwischen: absolute Tabulosigkeit. Es gbit nichts, woüber man nicht sprechen kann. Und wenn es noch so abartig und schmerzhaft ist. Eine Einstellung, mit der ich in der Praxis sehr häufig anecke.

Das ist aber mein Ding. Was für deinen Sohn "das Beste" ist, kann nur er wissen - und du vielleicht verstehen, wenn ihr darüber sprechen könnt. In irgendeiner Form leiden wird er so oder so. Wie denn sonst - dass eine schwere Krankheit die Angehörigen nicht stresst, geht ja in der Praxis gar nicht. Und dein Sohn reagiert halt auf seine Art auf diesen Stress. Dafür kann er nichts und du nichts, und niemand ist daran Schuld. Ich denke, das ist einfach unvermeidbar - IMHO "schicksalhaft".

Umso wichtiger und positiver finde ich, dass dein Sohn mit seinen Beschwerden schnell professionelle Hilfe gesucht hat! Nichts wäre schlimmer, als wenn dein Sohn seine Krankheit tabuisieren würde - und die Panikattacken unbehandelt 10 oder 20 Jahre lang aushalten müßte (was leider immer noch keine Ausnahme ist). Aber er hat schnell gehandelt, er hat richtig gehandelt (indem er sich vom Psychiater ein SSRI AD wie Prozac hat verschreiben lassen, statt der schnell körperlich abhängig machenden "Glückspillen" in Form von Valium, Tavor usw. vom Hausarzt), und er hat damit IMHO die Weichen dafür gestellt, diese Angststörung in den Griff zu kriegen - und künftig lebenswert leben zu können.

Es ist IMHO keine Schande, Schwäche zu zeigen, zu "versagen" und oft genug im richtigen Moment genau das Falsche zu tun - das ist nur menschlich. Es sit nur traurig und fatal, dann keine Hilfe zu suchen. Das hat dein Sohn aber getan, so wie du es auch getan hast. Und deshalb bin ich der Überzeugung, dass ihr auf einem guten Weg seid, dieses Problem zu meistern. Auch, wenn dieser Weg vielelicht lang und mitunter steinig ist :-/

Viele Grüße,
Stefan
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