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  #1  
Alt 29.11.2008, 21:23
Kristel Kristel ist offline
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Registriert seit: 22.11.2008
Beiträge: 5
Standard Kinderglauben

Hallo !
Seit einiger Zeit lese ich hier im Forum still mit.
Vor einigen Tagen habe ich es gewagt, mich anzumelden.
Ich bin nicht an Krebs erkrankt.
Ich habe aktuell niemanden, den ich durch diese fürchterliche Erkrankung begleite.
Mein Vater ist im Jahre 2000 an Prostata- Krebs verstorben.
Ein halbes Jahr vorher ist meine Mutter gegangen.
Sie hatte mit 36 Jahren einen Schlaganfall.
Hinzu kamen vielfache Erkrankungen, u.a. auch Krebs und letztlich hat es dann auch keine Rolle mehr gespielt, was nun die eigentliche Todesursache war.
Ich habe beide Todesfälle Mutterseelen-allein bewältigt.
Ich habe zwar eine sehr liebe Schwester aber wir haben es nicht geschafft, das alles gemeinsam zu verarbeiten.

Ich würde mir wünschen, dass ich hier ein kleines Plätzchen finde, um über die vergangenen Zeiten zu schreiben.
Damals habe ich leider nicht den Weg in ein geeignetes Forum gefunden.
Heute, nach vielem Suchen und vielem Versuchen, möchte ich mich gern hier niederlassen.
Ich passe mit meinen Gedanken und Erfahrungen einfach nicht in ein reines Trauer-Forum.

Ich möchte die Zeit der intensivsten Gefühle meines Lebens, gern hier verarbeiten, wenn ich darf.
Vieles, was ich erlebte und was meine Eltern mir in dieser schweren Zeit mitgegeben haben, soll nicht so ungehört verhallen.

Und somit bitte ich von ganzem Herzen, dass man mir hier einen kleinen Raum gibt zu reden.
Endlich all die ungesagten Dinge loszuwerden und gleichzeitig anderen Menschen Mut zu machen, den ungleichen Kampf aufzunehmen…

Kristel
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  #2  
Alt 29.11.2008, 21:54
Stephani Stephani ist offline
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Registriert seit: 20.08.2005
Beiträge: 1.078
Standard AW: Kinderglauben

Hallo Kristel!
Schreibe deine Gedanken und Gefühle hier nieder denn wir sind hier alle in der selben Situation und du bekommst auch immer wieder Antworten.
Wie alt bist du?
Meine Mutter ist am 11. Dezember 2007 an dieser Sch.. Krankheit verstorben. Sie war zwar schon 84 Jahre aber immer sehr rüstig. Wir haben zusammen in einem Haushalt gelebt und es war und ist immer noch sehr schwer für mich das alles zu begreifen. Ich schreibe hier jeden Tag meiner Mutter was so passiert ist und ich muss wirklich sagen das das auch hilft.

LG

Ingrid
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  #3  
Alt 29.11.2008, 22:10
Kristel Kristel ist offline
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Registriert seit: 22.11.2008
Beiträge: 5
Standard AW: Kinderglauben

Hallo, Stephani!
Ich bin 49 Jahre alt.
Meine Mutter war 68 und mein Vater 69 Jahre alt, als sie starben.
Es ist eigentlich unerheblich, wie alt man ist, wenn ein Elternteil geht - man ist und bleibt *Kind*, so lange sie denn leben.

Es tut mir so leid, dass auch Du diesen schmerzhaften Verlust hinnehmen musstest.
Egal wie alt der Mensch, egal wie sehr zu erwarten das Versterben war - ich glaube, es ist immer zu früh und immer "plötzlich und unerwartet!.
Der Kinderglaube in die Unverletzbarkeit der Eltern trägt einen durch`s Leben und der Schock, dieses sichere Fundament zu verlieren - mit nichts vergleichbar!
Lieben Dank, dass Du mir geantwortet hast!
Ich wünsche Dir und mir Erkenntnisse und Einsichten, die uns das Leben ohne Bitterkeit und allesverzehrende Traurigkeit, möglich machen!
Liebe Grüsse
Kristel
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  #4  
Alt 29.11.2008, 22:17
Kristel Kristel ist offline
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Registriert seit: 22.11.2008
Beiträge: 5
Standard AW: Kinderglauben

Meine früheste Erinnerung an den Gedanken *Tod*:
Ich war vielleicht 4 Jahre alt und ich werde aus einem Alptraum wach.
Schnell laufe ich in das Wohnzimmer und kuschel mich auf den Schoß meines Vatis:
" Stimmt`s, Ihr sterbt nicht!??? Niemals!???"
Beide nehmen mich in den Arm und beruhigen mich:
"Ach, was Du immer denkst...! Natürlich sterben wir nicht. Nie!!! Wir werden Euch doch nicht alleine lassen!"
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  #5  
Alt 29.11.2008, 23:04
Kristel Kristel ist offline
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Registriert seit: 22.11.2008
Beiträge: 5
Standard AW: Kinderglauben

Als ich 7 Jahre alt war, hatte meine Mutter einen Schlaganfall.
Die Kurzfassung:
Unglückliche Umstände im desolaten Gesundheitssystem der ehemaligen DDR, im Jahre 1967.
Fehlende Erstversorgung, verspätete Diagnose, Fehleinschätzung der behandelnden Ärzte.
Mein Leben als unbelastete Tochter war vorbei.
Die Angst sollte mich nie mehr verlassen….
Meine Mutti erholte sich, kam aus der Reha aber als eine Andere zurück.
Linksseitig gelähmt, Sprachstörungen, Wesensänderungen.
Meine „alte“ Mutti gab es so nicht mehr.
Von jetzt auf gleich für mich selbst verantwortlich.
Vater ging arbeiten.
Wir Kinder schmissen den Haushalt.
Ach egal, ist 1000 Jahre her!
Geblieben ist ein Gefühl von Trauer .
Und Verlassenheit.
Niemand sprach mit mir. Keiner hat mir die Wahrheit gesagt, mich vorbereitet.

Ich konnte nicht einschätzen, was ihre ständigen Krampfanfälle zu bedeuten hatten
Ich bin immer einfach weggelaufen.
Man musste mich suchen. Im Schlafanzug einfach weggelaufen.
Die Hände auf die Ohren und Augen gepresst fand man mich dann auf Dachböden oder in Grünanlagen.
Heute weiss ich nur noch:
P A N I K!
Mutti stirbt.
Hinterher dann:
„Ach ist doch alles nicht so schlimm! Da müssen wir uns dran gewöhnen. Schlechte Durchblutung.“
Wie kann sich ein 7-jähriges Mädchen daran gewöhnen, dass die Mutti von jetzt auf gleich einfach anfängt, die Augen zu verdrehen, Schaum vor den Mund bekommt und dann unter schlimmsten Zuckungen leidend, einfach umkippt?
Wie???
Ich weiss, man wollte mich schützen.
Und weil ich niemandem wehtun oder in Sorge versetzen wollte, habe ich nicht darüber gesprochen.
Ab meinem 7. Lebensjahr hing ein Todesurteil über meinem kleinen Köpfchen, über das ich mit niemandem sprechen konnte und das mich in Angst und Schrecken versetzte.
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  #6  
Alt 30.11.2008, 18:02
Stephani Stephani ist offline
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Registriert seit: 20.08.2005
Beiträge: 1.078
Standard AW: Kinderglauben

Hallo Kristel!
Ich kann dich sehr gut verstehen denn ich habe auch relativ jung mitbekommen was Krankheit und seine Folgen heißen.
Mein Vater war schon sehr lange Herzkrank und wir mußten ihn sehr oft mit Notarzt ins Krankenhaus bringen. Er ist dann gestorben (an Krebs) da war ich 20 Jahre. Meine kleinere Schwester war da gerade 13 und ich habe dann versucht ihr den Verlust nicht so schwer zu machen. Diese kleine Schwester hat dann mit 32 Jahren gesagt bekommen das sie Brustkrebs hat und dann hat meine Mutter und ich Versucht sie immer wieder aufzubauen. Das ist uns auch sehr oft gelungen und sie hat immer wieder gekämpft. Mit 38 hat sie aber den Kampf leider verloren und meine Mutter musste ihr 2. Kind ergeben, den 2 Jahre zuvor ist auch mein Bruder verstorben. Er hat eine Familie mit 3 Kindern hinterlassen. Wir haben als Familie da gelernt wie wichtig es ist zusammen zuhalten. Nach dem Tod meiner Schwester sind meine Mutter und ich noch mehr zusammengewachsen und wir haben versucht uns eine schöne Zeit zumachen. 2005 ist dann meine Mutter an Unterleibskrebs erkrankt und das war für uns schon ein Schock. Meine älteste Schwester meinte dann zwar immer im Alter ist das nicht mehr so gefährlich und der Krebs wächst nicht so schnell, aber 2007 wurden dann Lungenmetastasen festgestellt und trotzdem hat meine Mutter dann immer noch gekämpft bis sie dann am 11. Dezember für immer die Augen geschlossen hat.
Ich versuche jetzt aus meinem Leben das Beste zumachen aber es fällt sehr oft unheimlich schwer. Jetzt kommt zwar auch die Adventzeit und ich hoffe das ich auch diese gut überstehen werde.
So ich wünsche dir einen schönen 1. Advent.

LG

Ingrid
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  #7  
Alt 30.11.2008, 23:00
Kristel Kristel ist offline
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Beiträge: 5
Standard AW: Kinderglauben

Zitat:
Zitat von Stephani Beitrag anzeigen
Ich versuche jetzt aus meinem Leben das Beste zumachen aber es fällt sehr oft unheimlich schwer.
Liebe Stephani!
Als ich Deinen Beitrag gelesen habe, sind mir die Tränen gekommen.
Wie kann man so viel Leid und Trauer nur verarbeiten?
Da komme ich mir ganz klein, wehleidig und undankbar vor.
Aber es muss ja auch für mich irgendwie weitergehen und es muss doch einen Sinn haben, dass ich mich noch immer nicht aus diesen gedankenkreisen befreien kann.
Und so hoffe ich durch mein Aufschreiben meiner Trauer-Geschichte Mut zu machen, mit betroffenen Kindern ehrlicher umzugehen.
Es gibt hier so viele, von dieser oder anderen Krankheiten betroffenen Väter und Mütter.
Ich möchte sie einfach ermuntern, mit ihren Kindern das Thema "Sterben & Tod" zu bereden.
Auch die gesunden Eltern, die hier als Angehörige schreiben, will ich durch meine Erzählungen dazu ermuntern, offen mit diesen Dingen umzugehen und ihren Kindern von klein auf zu vermitteln, dass der Tod zum menschlichen Leben gehört und auch Krankheiten leider dazu gehören.
Kinder müssen auch mit diesen traurigen Dingen konfrontiert werden, so gern man sie vielleicht beschützen will.
Der Schock, unvorbereitet und dann vielleicht auch allein und überfordert darauf zu treffen, ist ungleich härter und kann ein Leben nachhaltiger aus der Bahn werfen, als eine liebevolle Hinführung auf diese Thematik.
Liebe Stephanie!
Fühle Dich von mir ganz lieb umarmt und glaube mir:
Heute weinst Du nicht allein um Dein Schicksal und das, deiner Familie!
Liebe Grüsse
Kristel
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  #8  
Alt 01.12.2008, 06:37
Stephani Stephani ist offline
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Registriert seit: 20.08.2005
Beiträge: 1.078
Standard AW: Kinderglauben

Hall Kristel!
Du hast recht man soll wirklich schon die Kinder mit dem wirklichen Leben in Verbindung bringen. Ich habe nach dem Tod meiner Mutter mit meiner Nichte ein Gespräch gehabt wo sie mir mitgeteilt hat das meine Schwester z.B. auch nie erzählt hat das meine Schwester so krank ist das sie sterben würde. Als meine Schwester im Krankenhaus lag und die Ärzte uns angerufen haben habe ich meine Schwester angerufen und ihr mitgeteilt das unsere Schwester am Sterben liegt. Sie meinte sie könnte nicht kommen da sie dann nur weinen würde und meine Nichte kam mittags aus der Schule und sie hat ihr auch da noch nicht erzählt was los ist. Meine Nichte war zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre. Meine Schwester ist um 15 Uhr verstorben und meine Nichte hat das dann beim Abendessen erzählt bekommen. Meine Nichte konnte das nicht begreifen wie meine Schwester damit umgegangen ist.
Du siehst es fällt sehr vielen Erwachsenen schwer mit dem Tod umzugehen und darum können sie es auch ihren Kindern nicht übermitteln. Im übrigen kann meine Schwester heute noch nicht mit diesen Gefühlen umgehen und sie ist mittlerweile 60 Jahre.

LG

Ingrid
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