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  #361  
Alt 09.09.2009, 22:59
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Erle Erle ist offline
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Standard AW: Myriam

Liebster, bester Helmut....




Alles Liebe für Dich Erle
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  #362  
Alt 12.09.2009, 16:33
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Standard AW: Myriam

Heute hat unsere Jüngste Geburtstag. Viele Gäste werden erwartet. Familie, Freunde, Bekannte, Arbeitskolleginnen. Seit Tagen laufen die Vorbereitungen, heute Morgen war dann endlich alles abgeschlossen. Es wird ein rauschendes Fest, mit ihrem überschäumenden Temprament wird sie alle mitreissen, tut sie jetzt schon .

Dabei weiss ich, dass du ihr gerade jetzt unendlich fehlst. Sie hat es mir gesagt. Klar, ich bin da, doch das ist nicht dasselbe. Eine Mutter ist nicht zu ersetzen, ich kann das nicht ausgleichen. Unmöglich. Ihr Leben befindet sich zur Zeit total im Umbruch. Nicht nur ihre geplante Selbstständigkeit, auch ihre private Situation. Nur, du bist eben nicht so für sie "da", wie sie das gerade jetzt bräuchte.

Und nicht nur sie.


Dein Helmut
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  #363  
Alt 13.09.2009, 13:37
J.F. J.F. ist offline
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Standard AW: Myriam

Hallo Helmut,

beim Lesen dieses Gedichts von Konrad Ferdinand Meyer habe ich direkt an Dich denken müssen



Unruhige Nacht

Heut war mir bis zum jungen Tag
der Schlummer abgebrochen,
im Herzen ging es Schlag auf Schlag
mit Hämmern und mit Pochen,


als trieb sich eine Bubenschar
wild um in beiden Kammern,
gewährt hat, bis es Morgen war,
das Klopen und das Hammern.


Nun weist es sich bei Tagesschein,
was drin geschafft die Rangen,
sie haben mir im Herzensschrein
dein Bildnis aufgehangen!
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  #364  
Alt 13.09.2009, 23:48
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HelmutL HelmutL ist offline
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Daumen hoch AW: Myriam

Liebe J.F.,

ein schönes Gedicht. Danke dafür. Obwohl mit fröhlich-leichter Sprache geschrieben hat es doch einen tiefen Sinn. Gerade der Gegensatz von Heiterkeit und Tiefe macht die Schönheit des Gedichts aus. Ob man wohl das Leben und seine Fallen mehr und öfter in diesem Sinne sehen sollte? Ich denke ja, vieles wäre leichter ohne dabei den nötigen Ernst aus den Augen zu verlieren.


Eine Frage geht mir zur Zeit durch den Kopf. Trauere ich um Myriam, weil sie nicht mehr weiterleben konnte, durfte, wollte? Oder bedauere ich meinen eigenen Verlust oder gar mich selber? Die Symtome nach aussen sind die gleichen. Traurigkeit, Wut, Entsetzen, Verzweiflung, Tränen. Spielt es eine Rolle dabei, dass man sich fast plötzlich bewusst wird, dass man alle möglichen Dinge alleine machen muss? Sei es der Haushalt oder der Garten. Plötzlich ist niemand mehr da, der einem hilft, wenn man nicht weiter weiss, egal wobei. An alles Mögliche muss man selber denken. Vorher hatte jeder von uns Beiden sein relativ festes Aufgabengebiet. Nicht, weil sie oder ich das jeweils andere nicht tun wollten, sondern weil sie oder ich das eben besser erledigen konnte. Wobei die Grenze durchaus fliessend war.

Heute gibt es diese Grenze nicht mehr. Ich muss meine Entscheidungen alleine fällen, ob ich es will oder nicht. Und genau das macht auch traurig, wütend, verzweifelt. Sicher trauere ich um Myriam. Hinzu kommt nur was Neues, Ungewolltes, manchmal Erschreckendes. Auch hier ist die Grenze fliessend, sodass ich nicht weiss, um was es gerade geht.


Eine gute Nacht

Helmut
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  #365  
Alt 14.09.2009, 03:11
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Lola -Cana Lola -Cana ist offline
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Standard AW: Myriam

Zitat:
Zitat von HelmutL Beitrag anzeigen


Eine Frage geht mir zur Zeit durch den Kopf. Trauere ich um Myriam, weil sie nicht mehr weiterleben konnte, durfte, wollte? Oder bedauere ich meinen eigenen Verlust oder gar mich selber?
Helmut,

Ich habe lange ueber Deine Frage nachgedacht. Obwohl ich nicht aus eigener Erfahrung reden kann, denke ich dass es eine Kombination aller dieser Gefuehle ist. Das eine wird sich kaum vom anderen unterscheiden lassen. Und Du hast alle diese Dinge erfahren, Deine Frau verlor ihr Leben, Du hast Deinen Lebenspartner verloren und Du wirst auch bestimmt oft unter Selbstmitleid leiden, das ganz normal ist.

Man nehme eine Tasse Kaffe, mache Milch und Zucker rein. Umruehren, trinken.
Alles ist eins geworden, man schmeckt den Kaffee, die Milch und den Zucker - wie kann man diese verschiedenen Geschmaecker einzeln kosten ohne auch die beiden anderen Zutaten ?

Ich wuensche Dir einen sonnigen und frohen Wochenanfang



__________________


Lola
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  #366  
Alt 14.09.2009, 11:43
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HelmutL HelmutL ist offline
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Lächeln AW: Myriam

Guten Morgen Lola,

normalerweise trinke ich meinen Kaffe gerne stark und schwarz. Ich wollte ihn halt mal mit Zucker versüssen und hab die Dose verwechselt und Salz hinein getan. Salz gehört in die Suppe, dort ist es gut aufgehoben. Gezuckerten Milchkaffee kann man nicht mehr trennen, also bleib ich beim Schwarzen.

Wie einfach man doch etwas umschreiben kann, womit man sich zuerst so unheimlich schwer tut. Du weisst, ich liebe solche Vergleiche. Ich habe erleichtert gelacht, als ich dein Posting las. Danke. Im Moment scheint die Sonne, zumindest innen.


Heimatliche Grüsse nach Ganzweitweg

Helmut
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  #367  
Alt 14.09.2009, 16:12
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Myriam

mmmh, ja Helmut, der Vergleich mit dem Kaffee ist nicht schlecht. Und schon schlagen meine Gedanken Purzelbaum:

Ich trinke meinen Kaffee auch gerne schwarz (und heiß), aber ich habe immer Zucker und Milch im Haus. Also, wenn ich wollte, könnte ich ihn süß oder milchig oder beides trinken, müsste ihn nicht schwarz lassen.

Jetzt nimm mir den Milch und Zuckervorrat weg. Nicht nur aus meinen Schränken, sondern generell, gibt nichts mehr zu kaufen. Welche Möglichkeit bleibt? Klar, ich werde den Kaffe schwarz trinken müssen. Und sowas ist nicht nur traurig, das macht ja richtig wütend...

Was ich meine ist, man hat keine Wahl mehr. Der geliebte Partner ist nicht mehr da und natürlich bedauert man da auch sich selbst. Das ist denke ich völlig normal. Ich habe oft zu den Sternen gesprochen und zu Claus in gesagt: Ich bin mir wirklich nicht sicher, wer von uns beiden den schwereren Weg gehen muss. Ohne dich ist jeder Tag ein Kraftakt, jede noch so kleine Entscheidung, der ganze Alltagsmist, es macht ohne dich keinen Spaß mehr. Wofür das ganze.

Während unserer Ehe haben wir beide es hin und wieder genossen, eine Auszeit zu haben. Ich war im Training, Claus Motorradfahren, jeder hat hin und wieder seinen Kaffee schwarz getrunken....Heute schmeckt der schwarze Kaffee oft sehr bitter

Ich hoffe, deiner Schwiemu machen die Treffen noch Spaß, sie freut sich auf den Montags-Termin, glaub mir, es ist nicht vergessen und es kann ja wirklich nicht wahr sein --- mit das kleinste Bundesland und trotzdem....

LG
Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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  #368  
Alt 14.09.2009, 21:37
J.F. J.F. ist offline
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Standard AW: Myriam

Hallo Andrea,
hallo Helmut,

......dann nehmt doch Zitrone.....oder eine Brise Kakao in den Filter...oder eine Brise Salz, wenn das Wasser zu hart ist....oder Sahne.....oder ein Likörchen je nach Gusto ....oder mit Schokolade........oder Gewürzen, wie Zimt, Muskatnuss.....oder Eis....

Oder halt einfach "nur" pur

Aber Helmut, mach Dir nichts draus, mir hat man in der Zuckerdose Salz für meinen Tee angeboten *bbbrrrrrrrr schüttel*. Seitdem probier ich immer erstmal .
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  #369  
Alt 14.09.2009, 23:26
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Liebe J.F.,

da tun sich Abgründe auf. Mit was man alles den Kaffee doch verdünnen kann. Du hast den Wiskey vergessen und den Rum. Ne, da trink ich ihn lieber pur und mach die Zitrone in den Kuchen. Irgendwann schmeckt auch der Schwarze wieder besser.


Liebe Andrea,

Schwiema geht mit Begeisterung da hin. Ist für sie ein echtes Highlight. Ich bin darüber sehr froh darüber. Die Betreuerinnen sind da auch wirklich sehr lieb im Umgang mit den alten Menschen. Ich hab das Gefühl, das kommt bei ihnen von Herzen.

Heut hab ich leider drinnen sitzen müssen, im Fürst L. Trotzdem hab ich's genossen und in der Zeit die Frankfurter gelesen. Eine Unterhaltung wär mir jedoch lieber gewesen. Irgendwie scheint die Saar ausgerechnet auf dem Kirchplatz mit besonders heftigen Stromschnellen zu fliessen, dass man da nicht rüber kann. Irgendwann klappt das ganz bestimmt. Wenn nicht da, dann anderswo.

Es gibt so viele "Früher". Vielleicht ist auch ein Grund für die daraus entstehende Traurigkeit, dass man mit der Zeit immer öfter gestern sagt als morgen? Weil das Gestern in der Erinnerung meist auch noch besser abschneidet als das ungewisse Morgen?


Alles Liebe

Helmut

Ups, da fällt mir gerade was ein: früher konnte man noch aus dem Kaffeesatz lesen. Schade, dass das heute nicht mehr geht. Obwohl, ob ich es wirklich wissen möchte?
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  #370  
Alt 15.09.2009, 04:50
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Standard AW: Myriam

Ach lieber Helmut,
Aus dem Kaffeesatz kann man auch heute noch lesen. Man muss nur wissen wie man den altmodischen Kaffee kocht (ich kann das, bin mit einem Kroaten verheiratet).
Obwohl er keinen Kaffee trinkt, habe ich das von der Verwandtschaft gelernt.
Ich werde Dir Deinen Kaffeesatz lesen (falls wir es schaffen uns zu sehen). Und wenn nicht dieses mal, naechstes mal ganz bestimmt.
Sich im Moment noch in Cana befindente Gruesse
Lola
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Lola
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  #371  
Alt 16.09.2009, 00:48
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Lächeln AW: Myriam

Liebe Lola,

auch ich kann noch altmodisch Kaffeekochen wenn es sein muss. Ich lass einfach den Filter aus der Maschine weg. Dann hab ich den besten Kaffeesatz der Welt. Nur hineinsehen, das möchte ich nicht.

Ich lass mich einfach überraschen was kommt. Ist viel besser. Und mit dem Sehen, das klappt bestimmt.


Jetzt ACDC-lauschende Grüsse

Helmut
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  #372  
Alt 17.09.2009, 05:18
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Beitrag AW: Myriam

Auch heute Nacht hör ich AC/DC. Naja, manchmal hat man so seine Vorlieben. Wird sich bestimmt auch mal wieder ändern.

Gestern Abend hatte ich ein gutes und wichtiges Gespräch. Ich hatte mich mit der besten Freundin von Myriam verabredet. Nach Feierabdend holte ich sie zu Hause ab. In einer kleinen Pizzaria in der Nähe haben wir dann gemütlich eine Pizza verdrückt und dabei über Gott und die Welt geredet. Nach dem Essen kamen wir dann auf den Punkt.

Was mich zur Zeit beschäftigt ist: was ging im Kopf von Myriam vor? Was dachte sie? Wie fühlte sie? Wann wusste sie, dass es zu Ende geht? Wie wurde sie damit fertig? Hab ich da was übersehen? War ich zeitweise zu sehr mit mir selbst beschäftigt und habe dabei nicht auf sie geachtet? Hab ich Fragen überhört, Zeichen übersehen? Ich weiss, dass es Dinge gibt, die auch eine Ehefrau nur mit ihrer besten Freundin bespricht. Der Ehemann bekommt davon in der Regel nichts mit. Warum sollte das bei uns anders sein. Ich erhoffte mir von diesem Gespräch mit I. Antworten auf meine Fragen. Wenn jemand was weiss, dann sie. So dachte ich.

Ich hatte I. zwar vorgewarnt, dass ich mit ihr über Myriam reden wollte. Es hat sie dann trotzdem umgehauen. Sie vermisst sie sehr. Klar hatte Myriam mit ihr geredet, über Ängste, Sorgen. Hatte sie gefragt, was sie wann tun soll. Bei den beiden Operationen, den Bestrahlungen, der Hirnmeta.......... Doch auch ihr gegenüber war sie immer voller Hoffnung, Gewissheit, es zu schaffen. Das erstemal wurde sie nachdenklich, als die Diagnose Hirnmeta gestellt wurde, hatte das jedoch sehr schnell wieder zur Seite geschoben um der Zuversicht Platz zu machen.

"Ich lass' mich nicht unterkriegen!" war ihr Motto. Sie war sich der Gefahr durchaus bewusst, in der sie sich befand. Etwas anderes als die Hoffnung liess sie jedoch einfach nicht zu. Sie war grenzenlos optimistisch. So gut konnte sie nicht schauspielern, dass I. das nicht gemerkt hätte. Wann kam bei ihr die grosse Angst? Wir können es nur vermuten.

I. und ich verlassen das Lokal. Gehen jedoch nicht an's Auto, sonderen laufen noch durch die Strasse. Es ist kalt und der Wind bläst heftig. Es macht uns nichts aus.

Ende Januar waren I. und ihr Freund bei uns zu Besuch. Er und ich mussten eine Besorgung machen. Die Beiden waren alleine, sassen auf dem Sofa. Wie I. erzählt, umarmten sie sich wortlos und weinten. Zum erstenmal seit der Diagnose. Myriam stand die Verzweiflung in den Augen. Als wir Männer mit dem Sauerstoffgerät nach Hause kamen, war nichts mehr zu sehen davon. Vielleicht hab ich's auch übersehen. Ich weiss es nicht mehr.

Ein paar Tage später, Anfang Februar, waren wir für eine Woche in der Klinik. Die akuten Atembeschwerden waren GsD nicht durch den Pleuraerguss bedingt, sondern durch eine Darmblähung, die das Atmen erschwerte. Danach war sie wieder optimistisch wie zuvor. Bis Mittwochs vor dem 24. Februar. Das Atmen fiel ihr plötzlich zusehens schwerer und sie veränderte sich. Draussen schien die Februarsonne, es war windstill und auf unserer Terasse spürte man die Kraft der Sonne. Sie wollte nach draussen, in die Sonne. Dick eingemummelt sass sie dort, den Kopf nach hinten an die Mauer gelegt. Die Augen geschlossen genoss sie die Wärme. Ganz entspannt sass sie da.

Nach einer viertel Stunde wurde es ihr doch zu kalt. Wir brachten sie nach drinnen auf's Sofa. Sie war müde von der Anstrengung, sie wollte ausruhen. In eine Decke gehüllt sass sie da. Ihr war jetzt kalt, obwohl der Kaminofen fast glühte. Heute weiss ich warum. Als ich sie so sitzen sah, klein und zerbrechlich, diese vormals so stolze, starke Frau, kroch die Angst in mir hoch. Ich bin nach draussen. Nein, das darf nicht sein. Ich hab es nicht zugelassen.

Obwohl das Wetter schön blieb, wollte sie nicht mehr nach draussen. Heute weiss ich, dass sie sich bereits an diesem Mittwoch verabschiedet hatte. Auch als sie starb schien die Sonne für ein paar Minuten.

Der eine oder andere von euch denkt sich: "Warum tut er sich das an?" Ich tue es, ich MUSS es tun, da ich sonst keine Ruhe finde. Ich muss diese Gedanken zu Ende denken, ihnen auf den Grund gehen. Zumindest versuchen. Sonst platzt mir irgendwann der Schädel. Und ich muss sie niederschreiben. Warum nicht in ein Tagebuch? Weil ich weiss, dass ihr hier lest, euch in diesem Moment eure eigenen Gedanken darüber macht. Weil ich weiss, dass ich zumindest für diesen kurzen Augenblick nicht alleine mit meinen Gedanken bin. Danke.


Du warst und bist meine Sonne. Ich liebe dich,

Helmut
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Geändert von HelmutL (17.09.2009 um 05:32 Uhr) Grund: Schreibfehler
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  #373  
Alt 17.09.2009, 07:18
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Standard AW: Myriam

Lieber Helmut,

"Warum tut er sich das an?" diese Frage stellt sich mir nicht. Und was ich gedacht habe beim lesen? Oh ja, kenne ich, da stecke ich selber mitten drin, auch ich empfinde es so wie Du es hier beschreibst:
"Ich tue es, ich MUSS es tun, da ich sonst keine Ruhe finde. Ich muss diese Gedanken zu Ende denken, ihnen auf den Grund gehen. Zumindest versuchen. Sonst platzt mir irgendwann der Schädel."
Die Gedanken zu Ende denken, auch wenn es noch so schrecklich schmerzt. Ich sehe jedenfalls für mich persönlich, keinen anderen Weg.

Dir vielen Dank dafür, dass Du uns allen hier immer wieder an diesen Deinen Gedanken teilhaben lässt, Denkanstöße und so manches mal Lebenshilfe gibst.

Lg
Lissi
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Wege entstehen dadurch,dass man sie geht.
Franz Kafka

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  #374  
Alt 19.09.2009, 15:16
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Lächeln AW: Myriam

Hallo Lissi,

es ist wie bei Zahnschmerzen. Tut höllisch weh, dann erstmal Bammel vor dem Zahnarzt. Das Bohren und Zähneziehen ist auch nicht angenehm. Nur man weiss, dass nach der Behandlung der Schmerz weg ist.

Gestern und heute war viel los bei mir. Gestern sass ich den ganzen Tag am PC und hab konstruiert. Ein Bekannter von mir hat ein Fliesenfachgeschäft und sich nun zu Demo-Zwecken ein Architekturprogramm gekauft. Wie meistens, kommt man damit zuerstmal nicht zurecht. Solche Programme sind halt sehr umfangreich und viele Funktionen und Wege sind in verschlungenen Menüs versteckt. Was lag näher als Helmut zu fragen? Schliesslich hat er früher mal mit CAD (zu deutsch: Computer gestütztes Zeichnen und konstruieren in 3 Dimensionen. Deutsch ist doch manchmal kompliziert!) gearbeitet.

Also, zuerstmal die entsprechenden Schubladen finden, wo das ganze Zeugs versteckt ist in meinem Kopf. Ist ja doch schon ne Zeit her. Was liegt näher, als zum Einstieg eine praktische Übung zu machen? Also Bauzeichnung ausgekramt und losgelegt. Naja, manchmal halt wie die Echternacher Springprozession: zwei Schritte vor, einer zurück, oft auch umgekehrt. Alle Gegenstände, die man als Wurfgeschosse benutzen könnte, waren selbstverständlich ausser Reichweite gerückt. Sonst hätte ich für das Wohlergehen des PC's keinen Sous verwettet. Der PC-Tisch musste dagegen einige Bissspuren verkraften.

Frisch gewagt: Jugend forscht! Wenn dann noch ein ansehnliches Werk hinten raus kommt, wie soll es besser laufen?



Sieht doch nicht schlecht aus? . Das wird mal meine neue Wohnung. Wie durch das Auto im vorderen Raum zu vermuten, im Erdgeschoss. Das Ergebnis hat mir so gut gefallen, dass ich mich entschieden hab: ich mach den Umbau. Für mich, so wie ich mir das vorstelle. Ob es sich letztendlich auch genauso realisieren lässt, wird sich noch herausstellen. Ich bin da felxibel. Wände rein, Wände raus, das ist sowas wie ein Hobby von mir.

Das Zweite, genauso wichtig, ist heute Morgen unmittelbar nach dem Aufwachen passiert. Nur ein kurzer Gedanke. Ich möchte mal wieder sagen können "Bleib noch ein bisschen liegen. Ich mach schonmal den Kaffee und hole frische Brötchen."


Fühlt euch

Helmut
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  #375  
Alt 24.09.2009, 00:12
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Standard AW: Myriam

Gestern war ich mit Schiegermama wieder zum Arzt. In die Goroto-Psychiatrie, scheckliches Wort. GsD weiss sie nicht mehr, wo wir da hingehen. Wir gehen halt zum Arzt, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist. Wir mussten ein bisschen warten. Auf einem Tischchen lag diverses Info-Material. Sie griff danach, um darin zu blättern. Als ich hinsah, was sie liest, blieb mir beinah das Herz stehen. Auf allen Blättern stand gross und fett: Demenz / Alzheimer. Ein gesunder Mensch hätte sofort mitbekommen, wo wir da sitzen. Ihr Kommentar: "Demenz, das ist schlimm. Gut, dass ich so gesund bin." Ich hab ihr nicht wiedersprochen.

Ein älteres Ehepaar kam hinzu und setzte sich auf die Stühle neben uns. Sie hat sie genau beobachtet. Als die Beiden zur Anmeldung gingen, sagte sie zu mir: "Die Frau hat bestimmt Alzheimer. Die sieht so verwirrt aus." Irgendwie macht mich das verückt. Sie merkt nicht, dass sie selber zu dem Kreis gehört. Unsere Ärztin, die uns gerade mal ein paar Minuten vorher begrüsst hat, erkennt sie nicht mehr, als wir bei ihr im Büro sitzen.

Heute Morgen war die Putzfrau bei ihr. Kein Eimer, kein Wischtuch, kein Schrubber, nix ist auf Anhieb zu finden, alles ist in ihrer Wohnung und im Keller verteilt. Warum? Keine Ahnung, sie putzt ja nicht mehr. Frühstück? Sie hatte keinen Hunger, sagt sie. Dann verdrückt sie 3 Scheiben Brot. Die Butter millimeterdick. Vorgestern brachte ich ihr das Mittagessen runter und sie setzte sich zum Essen. Ne Stunde später geh ich wieder urnter, das Essen steht unberührt auf dem Tisch. "Ich hab keinen Hunger gehabt". Es ist auch da soweit. Sie vergisst, was Hunger ist.

Heute Abend bin ich dann völlig ausgetickt. Ich komme runter zu ihr, um ihr ihre Tabletten zu geben und den Ferseher einzustellen. Im Zweiten läuft Fussball. Boah, denke ich, is das kalt und sehe, dass die Balkontür sperrangelweit offensteht. Sie sitzt ganz cool im Sessel und meint es wäre ziemlich kalt heute, als ich sie auf die Tür anspreche. Eine unserer Katzen ist garantiert abgehauen. Es ist dunkel und ich muss sie suchen gehen. Wer hat die Tür aufgemacht? Schwiema nicht, nein, es war bestimmt die junge Frau, die immer da ist . Schwiema friert und ist nicht fähig die Tür zu schliessen, die unmittelbar hinter ihrem Sessel ist. Meine Nerven flattern.

Beim Einnehmen der Tabletten zum 4711-ten Mal die uralte Geschichte mit ihrer ersten Tablette. Ich kann mich nur noch mühsam beherrschen, muss mich wegdrehen. Dann ab in den Keller, die Katze suchen. Die Hoftür aufgemacht: mann, so ein verd... Mist, die ist tatsächlich draussen. Rennt natürlich weg. Ich rufe und locke... , nix. Soll sie halt draussen bleiben und sich die Ohren zausen lassen. Oben bei Schwiema dann wieder das Gespräch von dieser "jungen Frau". ............... ich bin ausgerastet. Hab sie angefahren wegen dieser angeblichen Frau, wegen der Katze, der ... weiter kam ich nicht. Meine Jüngste kam herunter und hat mich gebremst.

Ich weiss ja nur zu genau, dass es absolut keinen Sinn hat, mit ihr zu schimpfen. Sie kriegt das alles nicht mehr mit. Ich bin nach oben, hab mich an den Tisch gesetzt und hab das Bild von Myriam vor mich gestellt. Was mir da durch den Kopf ging, brauch ich wohl nicht zu schreiben. Ich versteh mich ja selbst nicht wirklich. Früher hatte ich sooo einen breiten Buckel. Mancher Kollege hat mich dafür beneidet, ich war die Ruhe selbst. Ich kann das nicht mehr, nicht nochmal. Ich kann nicht nochmal daneben stehen und zusehen müssen. Noch so ein herzensguter Mensch, der langsam, aber sicher....... nein, das halt ich nicht aus.

Mir wird bewusst, dass ich mit einem Bild rede. Verückte Welt. Schau mich um: nix, niemand, der mal ein Wort sagt, an den ICH mich mal anlehnen kann. So manchem müssten jetzt eigentlich die Ohren klingeln bei dem, was mir so durch den Kopf geht. Hauptsache "gudd gess", den Mund abgewischt und nach Hause.

Und wo bleibe ich? Ich hab mir das nicht ausgesucht!


Gute Nacht,

Helmut
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