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Alt 08.09.2003, 20:15
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Standard Diagnose Nierenzellcarcinom

Liebe Birgit,
es ist nicht einfach, nach den Worten meiner Frau Ulrike, die richtigen Worte zu finden.
Zuerst einmal möchte ich hier an dieser Stelle einfach mal sagen dürfen, wie dankbar ich Ulrike für alles bin, was sie getan hat und was sie weiter tut.
Ich habe fast ein halbes Jahr gebraucht (nach der Diagnose im April 2002),um überhaupt wieder einigermaßen "der alte" zu sein. Monatelang habe ich nur geheult, war für mich so gut wie tot (Mutter mit 74 an Krebs gestorben, Vater mit 67, Großmutter mit 60, Großtante mit 60, und noch so ein paar andere in der nahen Verwandschaft - ich war einfach "dran")und habe einfach nur versucht, mich auf meinen "Abgang" vorzubereiten. Und genau so ging es mir.
Und dann war da Ulrike. Die mir "predigte wie einem kranken Pferd" (hätte meine Oma gesagt): DU musst DEINEN Weg finden. DU musst kämpfen. Gegen den Krebs.
Ich KONNTE aber nicht kämpfen - und ich KANN auch heute nicht kämpfen. Zumindest ist bei mir nicht so wie in der Bibel, wo (sinngemäß) steht, dass man sich sein Auge ausreißen muss, wenn....
Oder seinen Arm abhacken, wenn......
Es ist etwas ganz unverständliches, auch für mich, der Krebs ist Teil meines Körpers - und gegen den eigenen Körper kämpfen - sorry - das kann ich nicht.
Aber ich kann "kämpfen lassen" -damit habe ich keine Probleme. Ulrike kann für mich kämpfen, Ärzte können für mich kämpfen (z.B. indem SIE mich operieren - ich mache ja nichts). Ich habe im letzten Jahr, als die Tumore noch drin waren, soviele "Signale" von ihnen gespürt. Angst und Panik (zeitlich) VOR der Thermoablation und Embolisation, als würde mir ein Teil meines Körpers genommen. Es wurde mir ein Teil meines Körpers genommen- gewollt, bewusst. Aber nicht durch mich.
Ich hatte wieder mal "kämpfen lassen".
Ich bin kein "guter Patient" für "meine" Krankenschwester. Da möchte ich nicht tauschen. Es muss für Ulrike manchmal zum Verzweifeln sein. Man kann auch mit 58 schon ganz schön viel "Alters-Starrsinn" haben. Und wenn ich nicht will, dann will ich nicht.
Manchmal wollte ich nicht mehr. Auch nicht mehr leben. Wollte einfach, dass endlich alles vorbei ist. Es ist unheimlich toll, wenn man dann jemanden an der Seite hat, der trotzdem weiterkämpft.
Weil: Auch diese Zeiten der Depressionen vergehen (meistens) wieder.
Wie sie mich aufgebaut hat, fragst Du?
Gar nicht (zumindestens habe ich es damals so gesehen, heute nicht mehr).Sie hat immer wieder das gleiche "gepredigt". Bis es entweder mich wütend gemacht hat und ich dann endlich tätig geworden bin. Oder bis ich einfach "soweit" war, dass es wieder ging.
Damit meine ich: Du musst, du musst - und ich hatte nur eines im Sinn: Hör doch bitte endlich auf. Manchmal habe ich es gesagt, manchmal nicht.
Geholfen hat es. Manchmal erst nach 1/2 Jahr. Viele Dinge brauchen einfach ihre Zeit. Das ist wie mit Kinderkriegen. "Frühgeburten" sind Problemfälle. Es ist schon richtig, was Ulrike geschrieben hat: .........ihm Zeit geben ..........
Manche Dinge erledigen sich dann, wenn sie reif sind, fast wie von selbst. Entscheidungen können getroffen werden, an denen man vorher monatelang fast zerbrochen wäre. Also bitte: Ein bisschen Vertrauen in die Patienten setzen (manche sind gar nicht so schlecht wie mein Ruf).
Der Angehörige spürt sicherlich die Angst des Patienten vor dem Sterben. Ein Thema, dass plötzlich, von jetzt auf gleich, zum Thema Nr. 1 wird.
Ich als Patient habe aber auch die Angst der "anderen" Seite gespürt. Die Ängste von Ulrike. Und man ist so fürchterlich hilflos. Man möchte doch alles tun, um das schlimmste zu verhindern. Aber manchmal fehlt einfach die Kraft dazu. Und dann sagt man vielleicht wie ich tausendmal "ich kann nicht mehr -ich will nicht mehr". Und macht es seinem Partner dadurch nur tausendmal schwerer. Ich weiss, aber jetzt am Ende der 8-wöchigen Immun-Chemo-Therapie kann ich auch wieder feststellen: Ich habe hundertmal" gesagt: ich kann nicht mehr - ich will nicht mehr. (und es eigentlich nicht so gemeint)
Meine Therapeutin hat uns damals eine "Hausaufgabe " gestellt: Sagt Euch gegenseitig in 5 Minuten, was jeder für Ängste hat. Wenn Euch nichts mehr einfällt, fang wieder von vorne an. Wichtig ist, laut (normal laut, um Missverständnissen vorzubeugen) dem anderen SEINE Ängste mitzuteilen. Keiner von uns hatte eine Doppelnennung. Wir waren beide so voller Angst. Wussten aber teilweise garnichts von den Ängsten des Anderen. Vieles "weiss" man natürlich. Aber ausgesprochen ist das doch was anderes.
Und dann kann man plötzlich vielleicht über die eine oder andere Angst miteinander reden. Ist nicht mehr allein, so hilflos allein, mit seiner Angst.
Wir machen übrigens manchmal die Therapiestunden gemeinsam, d.h. Ulrike ist dabei und hört einfach zu. Und zum Ende Reden wir darüber. Ich denke, es hilft ihr auch dabei, mich etwas besser zu verstehen.
Zum letzten Absatz von Ulrike:
Da ist was ganz schlimmes drin. Ich habe im vorigen Jahr irgendwann gesagt: "Bei Dir trau ich mich noch nicht einmal, zu sterben". Ich wollte halt nicht "Schuld" daran sein, dass sie wieder einen Patienten verliert.
Manchmal verstehe ich mich selbst nicht, denke: Das bist doch nicht DU?!?
Ich war von meinem 20. Lebensjahr an "auf der Straße", d.h. im Verkaufs-Aussendienst. Weil ich (als Einzelkämpfer) kämpfen wollte. Habe jedes Verkaufsgespräch als sportliche Wettkampf zwischen dem Kunden und mir angesehen. Ich wollte kämpfen, um zu gewinnen. Und damit war ich über 30 Jahre glücklich.
Und jetzt? s. oben.
Ich weiss nicht, vielleich ist auch das Teil dessen, was Ulrike immer von mir verlangt hat: DU musst DEINEN Weg finden. Vielleicht ist das, was ich jetzt tue, MEIN Weg.
Es ist nicht Ulrikes Weg, sicherlich auch nicht der Weg der meisten anderen Menschen.
Aber ich habe doch auch nur ein Ziel:
Gewinnen.
Mein Leben.

Liebe Grüße
Jürgen
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