Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Hinterbliebene

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 06.03.2007, 21:33
Zagorka Zagorka ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 06.03.2007
Beiträge: 67
Standard Hätte er gerettet werden können?

Hallo miteinander, ich lese schon gut 2 1/2 Monate in diesem Forum mit, aber ich hatte bisher einfach nicht die Kraft und die Nerven mich anzumelden geschweige denn zu posten. Aber jetzt muss ich doch etwas loswerden, weil es mir keine Ruhe lässt. Mein Vater ist am 21. Januar gestorben, und damit werde ich absolut nicht fertig. Ich frage mich öfters, ob er vielleicht doch hätte gerettet werden können und mach´ mir Vorwürfe...

Aber jetzt mal von vorne. Bei meinem Vater wurde im September 2005 ein diffuses Magenkarzinom im fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert. Wir wollten ihn schnell operieren lassen, aber das war leider nicht möglich weil er schon Wasser und Metastasen im Bauchfell hatte. Mein Vater hat vorher nie Probleme mit dem Magen gehabt, und dann hat er im Sommerurlaub sich 2x übergeben (jedesmal nach dem Genuss von 1 Glas Milch) und ist paar Tage später wegen eines Darmverschlusses zum Arzt. Der hat ihn sofort ins Krankenhaus geschickt, wo 4 Tage später die Krankheit diagnostiziert wurde.

Wir haben ihn kurz darauf in eine Uni-Klinik gebracht, wo gleich im Oktober mit einer flüssigen Chemo begonnen wurde, die er bis Mai durchgezogen hat. Mein Bruder hat ihn alle 2 Wochen hingefahren (er ist noch Student und hatte mehr Zeit als ich, da ich berufstätig bin und meine Mutter hat keinen Führerschein). Alles lief super, mein Vater aß ganz normal seine Mahlzeiten und nahm nicht ab, hatte keinen Haarausfall, übergab sich nicht, fühlte sich nicht schlapp, gar nichts. Seine CT-Befunde waren jedesmal sehr positiv, das Wasser kehrte zunächst nicht in den Bauch zurück, die Metastasen waren weg, und der Tumor schrumpfte immer weiter bis auf 2 cm.

Im Juni ist er dann für 3 Wochen in die Reha gekommen, wo es ihm auch sehr gut ergangen ist. Einen Monat später war ich mit meinen Eltern zusammen im Urlaub und bin heute echt froh darüber. Niemals hätte ich gedacht, dass es unser letzter gemeinsamer Urlaub sein könnte, weil er damals noch so fit war.

Im Oktober hat er dann eine neue Chemo angefangen (aber es ging ihm bis dahin noch gut), und zwar eine Tabletten-Chemo. In der Zwischenzeit hatte sein früherer behandelnder Arzt die Station gewechselt, ein neues Team hat ihn betreut, und die meinten mein Bruder soll wegen der Fahrerei ein wenig entlastet werden (das hat ihm aber nichts ausgemacht, ihm war es wichtig dass es meinem Vater besser ging). Zunächst gab es keinerlei Anzeichen dass es rapide bergab gehen würde, aber am 22. Dezember hat mein Onkel meinen Vater 1 Stunde früher als üblich von der Arbeit heimgefahren. Es ging ihm nich gut, er fühlte sich matt und schlapp und musste permanent erbrechen. Zuerst dachten wir, er hätte vielleicht die Tabletten-Chemo nicht so gut vertragen wie die flüssige Chemo, also setzte er sie ab. Leider hat sich sein Zustand über die Weihnachtsfeiertage absolut nicht gebessert . Er konnte keinen Bissen bei sich behalten, war total schlapp, außerdem merkten wir dass das Wasser in seinen Bauch zurückgekehrt war nach über 15 Monaten ohne.

Also brachten wir ihn einen Tag nach Weihnachten in die Uni-Klinik, wo er die letzten 3 1/2 Wochen seines Lebens verbrachte. Anfangs sah es so aus, als ob er nur etwas aufgepäppelt werden musste und bald eine neue Chemotherapie bekommen würde. Alle 3 Tage pumpten ihm die Ärzte das Wasser ausm Bauch raus. Dummerweise haben sie mal einen Nerv falsch getroffen, und er bekam eine Thrombose und war dann komplett ans Bett gefesselt und durfte längere Zeit nicht aufstehen. Irgendwann konnte er nicht mehr richtig sprechen, nur flüstern, das kam auch von diesem Wasser. Sobald es wieder rausgepumpt wurde, konnte er wieder so 2 Tage normal reden bis es wieder da war. Schmerzen hatte er zum Glück gar keine, aber das Erbrechen war furchtbar. Fast jeden Tag musste er sich mehrmals übergeben, dabei hat er fast die ganze Zeit so gut wie nicht mehr gegessen weil er nicht konnte und ist nur über die Infusion ernährt worden. In den letzten 4 Wochen hat er gut 30 kg verloren!

Als wir das letzte Mal bei ihm waren, erfuhr mein Bruder von seinem behandelnden Arzt was ganz Interessantes: Dieses zeigte ihm alle CT-Befunde, wo er sehen konnte dass sich sein Zustand jedesmal radikal verschlechtert hat. Sein früherer Arzt hat aber genau das Gegenteil behauptet. Das hat uns mächtig umgehauen. Wir hatten diesem Mann vertraut. Meine Mutter hat ihn regelrecht vergöttert! Trotzdem meinte der Arzt noch an jenem Tag, dass mein Vater in einem stabilem Zustand wäre und keineswegs im Sterben läge. Man müsse nur schauen, dass er sich nicht bewegt bis die Thrombose weg ist und dann wieder langsam anfangen zu essen. Und dann könne man wieder mit ´ner Chemo beginnen, entweder mit der alten flüssigen Chemo oder mit einer ganz neuen Methode (mir fällt der Name nicht ein).

Am Abend war ich mit meiner Mutter ein letztes Mal bei ihm. Ich war die Letzte, die sich von ihm verabschiedet und ihn in den Arm genommen hat. Er sah an diesem Abend so gut aus, nie und nimmer wäre ich auf die Idee gekommen dass er in der folgenden Nacht stirbt. Es gibt doch dieses letzte Aufbäumen gegen den Tod, wahrscheinlich war es das. Nur ich hab´ darüber absolut nichts gewusst, da meine Großeltern alle schon verstorben sind als ich noch klein war und ich mich danach nie richtig mit dem Thema auseinandergesetzt hatte.

Mein Vater ist ganz friedlich eingeschlafen. Höchstwahrscheinlich war es eine Lungen-Embolie. Es tut mir so unwahrscheinlich weh, ihn nicht mehr bei mir zu haben. Ich frag´ mich permanent, ob er vielleicht nicht doch noch leben könnte und was wir falsch gemacht haben. Vielleicht kann mir jemand von euch eine Antwort geben, von den Erfahrenen unter euch...?
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 06.03.2007, 22:05
Benutzerbild von tinchen71
tinchen71 tinchen71 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 28.10.2005
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 671
Standard AW: Hätte er gerettet werden können?

Liebe (r) Zagorka,

Fühl Dich einfach umarmt, ich weiss wie schwer es ist, einen Elternteil zu verlieren egal wie alt man ist.

nein, ich denke ihr habt nichts falsch gemacht, ganz bestimmt nicht!

Da ich von der Krebsart Deines Vaters keine Ahnung habe würde ich empfehlen, zur Klärung der Situation einfach einen Termin beim behandelnden Arzt zu machen,vielleicht habt ihr auch einen guten Hausarzt der die Ergebnisse und Berichte für euch anfordern und auch erklären kann ? Sonst quält ihr Euch lebenslänglich mit dieser Frage !

Alles Liebe
Christina.
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 06.03.2007, 22:30
Zagorka Zagorka ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 06.03.2007
Beiträge: 67
Standard AW: Hätte er gerettet werden können?

Hallo Christina,

vielen lieben Dank für deine Antwort. Weißt du, die Tatsache dass es am Ende so schnell ging, macht mir arg zu schaffen. Man hört doch immer, dass Krebskranke ihre guten und ihre schlechten Tage haben. D. h. man muss sich hin und wieder auf ´nen längeren Krankenhausaufenthalt einstellen, dann wieder Besserung usw.

Bei meinem Vater war das nicht der Fall. Er hatte 15 schöne Monate, wo er gar nicht wie ein kranker Mann aussah. Und dann hatte er einmal seine schlechten Tage, und gleich musste es mit dem Schlimmsten enden. Er hat einem Monat vor seinem Tod noch gearbeitet und ist Auto gefahren. DAS will mir nicht in den Kopf.

Das Einzige was uns ständig Sorgen gemacht hat, war seine Psyche. Mein Vater hat ständig in Selbstmitleid gebadet und viel gejammert. Er war leider kein positiv denkender Mensch und hat von Anfang an permanent vom Tod gesprochen. Damit hat er vor allem mich sehr runtergezogen. Wenn ich mich mit Freunden treffen wollte, hat er mir ein schlechtes Gewissen eingejagt mit Sprüchen wie: "Hab´ du nur deinen Spaß, ich hab´ meinen Krebs." Mein Vater hat mich sehr geliebt, aber mein Lebensstil hat ihm nicht immer gepasst. Manchmal sagte er, ich wäre schuld an seiner Krankheit, obwohl er es nicht so gemeint hat. Trotzdem hat mich das unheimlich belastet.

Wenn ich gewusst hätte, dass sowas ruckizucki gehen kann, hätte ich noch mehr Zeit mit ihm verbracht... .
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 08.03.2007, 22:39
PapasKind PapasKind ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 31.01.2006
Beiträge: 177
Standard AW: Hätte er gerettet werden können?

Hallo Zagorka,
mach dir mal darum keine Gedanken. Sei einfach froh, dass er nicht lange heftig leiden musste. Mein Vater hatte die letzten 10 Monate seines Lebens nach der DIagnosestellung viel viel mehr gelitten. Hat ständig erbrochen, während der 10 Monate. Konnte nichts mehr arbeiten. Hat aber nicht gejammert oder geklagt. Manchmal ist es besser es wird gejammert und geklagt, als dass man alles schluckt und nie etwas sagt. Mein Vater ist elendig an seinem Bauchwasser erstickt. Ich hätte ihm eine Lungenembolie gewünscht, dann wäre es für ihn schnell ohne Qualen zu Ende gewesen. So wie er starb, war grausam.

Ihr konntet euch doch noch bei vollem Bewusstsein von ihm verabschieden. Das es das letzte Mal war, sollte man dann nicht so sehen. Es war eben ein Abschied. Aber für ihn ein sanfter und für euch auch.

Helfen. Das ist so eine Frage. Ich glaube, die stellt man sich als Angehöriger immer. Hätten ihm mit einer anderen Therapie geholfen werden können.
Diese Frage stelle ich mir auch immer noch (mein Vater starb am 27.11.06, Diagnose 12.01.06). Aber man muss es so akzeptieren und sich immer wieder sagen, dass man nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat.

Sei froh, dass es deinem Vater vorher noch gut ging.

Viele Grüsse
Silvia
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 21.03.2007, 16:20
Zagorka Zagorka ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 06.03.2007
Beiträge: 67
Standard AW: Hätte er gerettet werden können?

Hallo Silvia,

danke für die aufmunternden Worte. Ich weiß mittlerweile, dass es Menschen gibt die viel mehr leiden müssen und der Tod nicht immer ein friedliches Einschlafen bedeutet.

Heute ist es genau 2 Monate her, dass er uns für immer verlassen hat. Ich fühl´ mich ganz schlimm, einsam, leer, verlassen und traurig. Nachher geh´ ich in eine Kirche und zünde eine Kerze für ihn an. Ich vermisse ihn unendlich, er fehlt mir so sehr!

Ständig muss ich an die Träume denken, die er hatte und die er sich im Ruhestand erfüllen wollte. Und dann musste er so kurz vor der Rente sterben, das ist echt sehr hart .
Mit Zitat antworten
  #6  
Alt 23.03.2007, 21:38
PapasKind PapasKind ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 31.01.2006
Beiträge: 177
Standard AW: Hätte er gerettet werden können?

Hallo Zagorka,
ich glaube, dieses Gefühl dass du hast, ist bei allen Angehörigen so oder so ähnlich da. Man sieht sie noch leben, Lachen, träumen, arbeiten. Und doch sind sie nicht mehr da. Es reisst riesige Wunden immer wieder auch. Auch ich denke noch 4 Monate nach dem Tod meines Vaters jeden Tag fast ständig an ihn. Oft kommen mir die Tränen.
Leider setzt langsam auch das Vergessen ein.

Machs gut. Lass ihn weiterleben.
Silvia
Mit Zitat antworten
  #7  
Alt 06.07.2007, 21:13
Iva25 Iva25 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.06.2007
Ort: Raum Stuttgart
Beiträge: 349
Standard AW: Hätte er gerettet werden können?

Hallo Zagorka
Habe deinen Bericht gerade eben gelesen und möchte dir mein tiefes Beileid aussprechen. Davor habe ich auch Angst. Mein Vater liegt auch seit Juni mit magentumor und Metastasen im Krankenhaus. Die Metastasen haben sie erst gefunden als sie ihn operiert hatten um eben den Tumor zu entfernen. Jetzt warten wir das mein Vater zu kräften kommt, damit sie endlich die Chemo bei ihm beginnen können.
Nochmal es tut mir sehr Leid.
Grüße Iva25
Mit Zitat antworten
  #8  
Alt 18.07.2007, 15:08
Iva25 Iva25 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.06.2007
Ort: Raum Stuttgart
Beiträge: 349
Standard AW: Hätte er gerettet werden können?

Hallo Zagorka!

Ich teile deinen Schmerz!!!

Mein Vater verstarb am 11. 07. 07 an seinem Krebs. Es waren nur 2 - 3 Monate. Sie wollten kurz vorher mit der Chemo beginnen, ging aber nicht, da er körperlich zu schwach war.

Winziger Trost: Sie mussten beide nich lange leiden und wurden vom lieben Gott erlöst. Uns bleibt der Schmerz und die Trauer. Behalte deinen Vater in guter Erinnerung und er wird ewig bei dir sein, auch wenn du ihn nicht siehst!

Gruß Iva25
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 18:23 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55