Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Hinterbliebene

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 06.08.2004, 09:38
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Gefühle aus Eis gestellt

Guten Morgen ihr Lieben. Mir geht es ähnlich wie Kerstin L. Mein Verhältnis zu Mami war unbeschreiblich intensiv. Ich habe meine ganz Zeit ihr gewidmet und das aus Liebe und obwohl sie schwer krank war, haben wir tolle kleine Sachen unternommen, uns viel erzählt, sind zärtlich miteinander umgegangen. Sie war und IST die wichtigste Person in meinem Leben, je vielmehr ein großer Teil meines Lebens. Sie ist seit 6 Monaten tot und mir geht es ähnlich. Ich war am Anfang erleichtert, dass sie nicht mehr leiden muss und so gedemütigt wird. bei vollem Verstand hat sie beobachtet, wie der Körper zerfällt. Das ist Folter. Aber oft kommt jetzt schon die Sehnsucht. Die habe ich aber schnell wieder im Griff. Ich merke, dass in mir ein riesigen Trauma schlummert und sobald es ein kleines bisschen an die Oberfläche kommt, merke ich dass es mich zerreist und packe es wieder ganz tief weg. Ich kann nicht anders. In mir drin ist alles schwarz, das weiß ich. Ich habe nicht die Kraft, das anzugehen, also versuche ich es zu ignorieren. Wenn mein vater weint oder von Mama's schwierigen Zeit erzählt, wwerde ich ganz nervös und sehe zu, dass ich mich aus dem Staub mache. Was ich jetzt fragen will: Ich (28) habe nun seit langer zeit wieder einen Freund. Es sit der beste, den man sich vorstellen kann. Er unterstützt mich, ist sehr verständnisvoll, hat alles, was mir generell in einer Beziehung immer wichtig war, ist intelligent und und und. Einfach der perfekte Mann, mit dem ich alt werden könnte. Aber das richtige Gefühl des verliebtseins kommt nicht auf und ich weiß nicht warum. Kann es sein, dass ich gefühlsmäßig nichts an mich ran lasse und total abgehärtet bin? Dass ich mein Herz keinem mehr hergebe, weil Mama ein großes stück mitgenommen hat und ich nicht mehr genug zum Verteilen habe? Gefühlsmäßig bekomme ich das nicht auf die Reihe und das finde ich so schlimm, da ich auf so einen immer gewartet habe. Hab ich das alles so tief weggepackt? Was ist los? Ich bin gespannt, ob mir jemand helfen kann oder ähnliches erlebt hat, der weiß was mit der Psyche los ist - ob das Schutzmechanismus ist. Vom Verstand ist er es, aber vom Gefühl her entwickelt sich nichts. Ich weiß, dass ich so einen, wenn ich ihn gehen lasse, nie mehr treffe ... Es grüßt Euch lieb, Tatjana
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 06.08.2004, 23:48
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Gefühle aus Eis gestellt

Hallo Tatjana

ich versuche mal Dir zu antworten - viele Gedanken und Gefühle wirbeln gerade in meinem Kopf...
ich kann Dich sehr gut verstehen, was in Dir los ist.
Deine über alles geliebte Mama ist gestorben - Du hast eine absolut schmerzliche Trennung erlebt -ein Trauma. Ja, auch durch den Tod eines geliebten Menschen wird man verlassen - sogar brutaler, als es sonst vielleicht abgeht...
Erst mal hat man Angst, in Bezug einer Beziehung, daß man vielleicht wieder verlassen wird - man investiert Gefühle usw....
außerdem ist man innerlich nach so einem Trauma - Tod der Mutter, absolut innerlich leer, auch schon in der Krankheitsphase - man fragt sich, wo man morgen die Kraft hernehmen soll, die geliebte Mum zu begleiten . und dann noch eine neue Beziehung???
Man will ja in einer neuen Beziehung nicht nur depressiv und heulend am Sofa hocken und dann auch noch mit einem neuen Partner - was wird der wohl denken?

Ich hoffe, Deine Gedanken bisher richtig verstanden zu haben - bei mir war es nämlich ähnlich:
ich habe meinen Ehemann vor 4 Jahren kennengelernt. Ich wusste - das ist er...
aber mein Verstand und mein Herz haben sich gesträubt - ich wollte nicht enttäuscht werden - nicht wieder Verlustängste, die ich ja mit Mamma eh schon ständig hatte.
3 Monate, bevor ich ihn kennengelernt habe, wurden bei Mama Knochenmetastasen und Aderhautmetastsen festgestellt. Sie drohte akut zu erblinden. Sie brauchte mich mehr wie jeh zuvor.
Ich blockte alles ab - wollte keinen Freund. Als aber mein Mann nicht locker ließ, wollte ich ehrlich zu ihm sein.
Ich erzählte ihm alles - sagte ihm, "auf was er sich da einlässt"...
Er war verständnisvoll - was er immer noch ist - denn noch heute sitze ich manchmal heulend rum.
Seit 2 Jahren haben wir einen goldigen Sohn - wenn mir das vor 5 Jahren jemand erzählt hätte, hätte ich ihn für verrückt erklärt.
Ich bin dankbar, dass alles so gekommen ist(mit meinem Mann und Sohn),und dass
mein Verstand dem Herzen eine Chance gegeben hat.
Ich liebe meinen Mann und würde ihn jederzeit wieder heiraten.
Ich wüsste nicht, ob ich jetzt noch hier sitzen würde, wenn ich sie nicht hätte.
Trotzdem ist für mich meine über alles geliebte Mama nicht mehr da, meine engste Vertraute und beste Freundin - sie ist durch nichts und niemanden zu ersetzen - es ist eine andere "Ebene", das Verhältnis Mutter und tochter.

Ich hoffe, Du konntest mich verstehen - wenn nicht, frag ruhig nach.
schreib hier ruhig weiter - ich war heute ganz happy, als mir Jutta geantwortet hat und den nagel auf den Kopf getroffen hat. Ich war so froh, daß mich jemand versteht und verstanden hat...
das können leider nur wenige Menschen...

Melde Dich wieder -ok?
Liebe Grüße - geb dem Glück eine Chance - ich bin mir sicher Deine Mum - hätte es sicher so gewollt, daß ihr Mädel glücklich ist.

Kerstin L.
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 08.08.2004, 19:47
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Gefühle aus Eis gestellt

Liebe Tatjana,
Du bist immer noch in der Lage, zu lieben und Dein Herz zu verschenken. Ja, Deine Mutter hat ein großes Teil Deines Herzens mitgenommen - aber sie hat einen großer Teil ihres Herzens bei Dir gelassen.

Meine Mutter ist vor acht Wochen gestorben, in meiner Gegenwart. Mir ging es so ähnlich, wie Dir: nachdem ich mich von ihr verabschiedet habe, saßen wir noch im Schwesternzimmer und haben gelacht, waren locker und irgendwie erleichtert, dass sie nicht mehr leiden muß. Und auch bis zu den ersten Tagen nach der Beerdigung, war ich größtenteils entspannt und fast heiter - natürlich gab es auch traurige Phasen. Ich habe meine beste Freundin und meine Mutter verloren - was das jetzt tatsächlich bedeutet, mache ich momentan durch. Es gibt ein paar Hochphasen, ich versuche etwas "Normalität" zu entwickeln (wie auch immer das ohne meine Mami aussieht) - aber es gibt eben auch Phasen, in denen ich mich einsam und hilflos fühle, in denen einfach so Bilder von ihrem Sterben in meinem Gehirn auftauchen, ohne, dass ich die unterdrücken kann. In solchen Zeiten fühle ich mich wie in einem Iglu. Ich bin mit meinen Gefühlen von der Außenwelt abgeschottet und nichts kann mir von außen wehtun - aber ich komme da auch "so" nicht raus. Nur der Verstand hilft mir in diesen Situationen, da wieder raus zu kommen: ich liebe meinen Mann - ich bin nicht alleine in dieser Situation und er kann mich leiten, wenn ich ihm die Führung überlasse. Aber ich merke, dass ich vieles wieder lernen muß - auch Gefühle zulassen, nicht nur Trauer und Angst, sondern auch, sich wieder zu öffnen. Es ist ein schlimmes Trauma, dass wir mit dem Tod unserer Mütter durchleben. Ich vergleiche das mit Menschen, die ein Bein verlieren - man muß lernen, das Gleichgewicht ohne das fehlende Stück zu halten und voran zu kommen.
Vielleicht solltest Du auch mal Deinem Verstand folgen und lernen diesem Mann zu vertrauen. Schließe die Augen und lasse Dich einfach mal von ihm durch Deine Wohnung führen. Das ist vielleicht ein Anfang, damit Du aus Deiner gefühlsmäßigen Erstarrung heraus zu kommen.

Ich hoffe, dass Du Dich bald wieder meldest.
Liebe Grüsse
tini
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 09.08.2004, 11:37
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Gefühle auf Eis gelegt

Vielen Dank Kerstin und Tini, ich fühle mich von Euch verstanden. Ich glaube, Vertrauen kann ich fassen. Er mag mich richtig gerne und reißt sich regelrecht ein Bein für mich aus. Ich würde mich also trauen, mich gefühlsmäßig für ihn zu öffnen. Abermeine Gefühle sind weg. Ich kann ncihts empfinden - bis auf traurige Gefühle, Wut, Aggression und oft denke ich bei Kleinigkeiten, dass ich ausflippe oder einene Nervenzusammenbruch bekomme. ich bin überhaupt nicht mehr belastbar. "Ich bin mit meinen Gefühlen von der Außenwelt abgeschottet", das trifft zu. Ich leide sehr darunter. Ich sehe zu, wie sich emein Traummann, alle Mühe gibt und ich kann keinen Funken entzünden. Ich versuche ja, die Trauer und Mama's Tod langsam zu verarbeiten und mal etwas an die Oberfläche zu lassen. Aber da ist eine Blockade. Ich kann es nicht raus lassen. Es ist zu heftig. Und nach dem ganzen Schmerz darf nichts mehr dazu kommen, weil alle Reserven aufgebraucht sind und mich ein kleiner Wind direkt umhaut. Wie ihr seht, funktioniere ich und mein Hirn fährt auf ganz niedrigem Level. Die Gefühle sind auf Eis gelegt und lassen sich nicht mehr auftauen, sondern sind erstarrt, hart, kalt, brüchig. Auftauen könnte Mama sie ... Ich rede viel mit ihr und sie ist auch oft bei mir. Im Kontakt mit ihr bekomme ich ein warmes Herz und schicke ihr unendliche Liebe. Das geht aber automatisch, kommt aus dem Bauch und ist nicht kopfgesteuert. Komisch. Ich habe Angst, weil ich es kommen sehe, dass ich mich gänzlich falsch verhalte und den lieben Freund gehen lasse. Da habe ich so Angst vor, weil kein besserer kommen kann. Es passt fabelhaft. aber was bringt es, wenn sich keine Gefühle entwickeln, man keine Schmetterlinge im Bauch hat und oft genervt ist ........ Liebe Grüße, Tatjana
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 09.08.2004, 12:18
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Gefühle aus Eis gestellt

Hallo Tatjana
echt traurig was ich da lese, ich glaube, daß professionelle Hilfe angesagt ist. Wenn du denkst, daß du es alleine nicht schaffen kannst, laß dir helfen.Es ist so unendlich taurig, wenn du dein Herz nicht öffnen kannst, für die GROSSE LIEBE, die du meinst gefunden zu haben.Kämpfe drum mit allen Mitteln, dein Freund wird dir beistehen.Deine Mum ist sicher auch sehr traurig, weil sie von Oben sieht, wie du dich quälst,sicher gibt sie dir bald ein Zeichen,weil sie auch will,daß ihre Kleine glücklich ist.Achte drauf, und du wirst sehen, es wird alles gut.
Sei ganz lieb gegrüßt von
Sigrid
Mit Zitat antworten
  #6  
Alt 09.08.2004, 12:35
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Gefühle auf Eis gelegt

Manchmal denke ich, meine Mama ist eh traurig, weil sie nicht bei mir sein kann und so viel Quatsch mit mir machen kann. Dass sie da ist, denke ich auch. Aber die Kontaktaufnahme, das Miteinander reden, gestaltet sich nun so unendlich schwierig und man ist sich doch nicht sicher, ob man einen Monolog führt und sich alles einbildet. Ob Mama über haupt loslassen kann - Sie wollte nie woanders sein als bei mir und ihrer Familie. Jetzt ist sie so isoliert. Sie hat zwar ihre Eltern im Himmel, aber ihre ganz eigene Familie ist komplett auf der Erde und lebt. Und Mama musste in diesem jungen Alter schon gehen...
Mit Zitat antworten
  #7  
Alt 09.08.2004, 16:40
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Gefühle aus Eis gestellt

Liebe Tatjana,
vielleicht hat Deine Mutter Dir diesen Mann auch geschickt, damit Du nicht alleine bist. Und wahrscheinlich hat sie auch einen geschickt, der besonders geduldig ist - weil sie Dich und Dein Problem kennt.
Aber ich lese aus Deinen Mails, dass Du nicht nur unter dem Tod Deiner Mutter leidest, sondern auch schwere Probleme damit, wie Du Dich mit Deiner Situation auseinander setzen sollst. Bitte suche Dir Hilfe - es gibt Beratungsstellen, z.B. die Caritas, Die Brücke oder Selbsthilfegruppen. Dort findest Du Menschen, die Dir erst einmal zuhören können und helfen können.
Ich glaube, dass Dir das wirklich gut tun würde.

grüsse
tini
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 21:23 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55