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Alt 13.06.2006, 13:12
Norbert-63 Norbert-63 ist offline
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Registriert seit: 13.06.2006
Beiträge: 3
Standard Mein Vater hats nicht geschafft

Hallo alle zusammen !
Ich lese zwar schon lange hier mit, schreibe aber das erste Mal.
Letzten Mittwoch ist mein Vater im Kreis seiner Familie zu Hause für immer eingeschlafen. Er hat bis zu seinem Geburtstag im April gekämpft, gehofft aber es hat nicht gereicht.
Vor einem Jahr hatten meine Eltern noch Goldene Hochzeit gefeiert, wollten im Oktober die von allen geschenkte Schiffsreise antreten und ahnten nichts Böses, als mein Vater Ende August leichte Rückenbeschwerden hatte, die der Arzt zunächst als leichte Nierenentzündung diagnostizierte. Kurze Zeit später fielen im Ultraschallbild Schatten auf der Leber auf und im Bauchraum wurden Wasseransammlungen entdeckt. Nach längerem Suchen nach dem eventuellen Krebsherd, der die Methastasen auf der Leber verursachte wurde die schreckliche Diagnose klar: primärer Krebs der Leber. Die gesamte Leber war befallen, eine OP zur Beseitigung des Tumors nicht möglich. Wir wandten uns an die Charite, die auf Grund des noch stabilen Zustandes meines Vaters uns ein wenig Hoffnung machten, es zur positiven Wendung zu schaffen. Man versuchte den Krebs Stück für Stück durch zeitweises Einsetzen von radioaktiven Katherdern zu veröden. Allerdings stellte man fest, dass auch im Bereich der Wirbelsäule Methastasen waren. Diese ließen sich nicht komplett durch Bestrahlung beseitigen, da immer die Gefahr der Verletzung der Wirbelsäule und damit der Querschnittslähmung bestand. Die ganzen Behandlungen waren zwar ziemlich krass, aber irgendwie ging das Bauchwasser zurück (die Dosis der Entwässerungstabletten wurde Schritt für Schritt gesenkt) und man stellte im März fest, dasss die Leber frei von Methastasen ist. Allerdings war mein Vater insgesamt sehr geschwächt. Er war das letzte Mal bei uns im Februar zu Besuch (ich hatte ihn gefahren) danach fühlte er sich zu schwach. Er konnte allerdings noch aufstehen und umherlaufen, hatte aber immer ein großes Schlafbedürfnis. Außerdem mussten ständige Schmerzen mit Schmerzpflastern der untersten Dosis unterdrückt werden. Seitens der behandelnden Ärzte hieß die Botschaft- wir haben unseren Job gemacht, jetzt heißt es Abwarten und hoffen, dass sich der Patient erholt. Er tat es nicht mehr. In der Nacht nach seinem Geburtstag hatte er plötzlich schwerste Schmerzattacken musste per Notarzt ins Krankenhaus. Die bauten ihn zwar per Nahrungstropf und stärkeren Schmerzmitteln wieder auf, aber es war der Anfang vom Ende. Er kam zwar wieder nach Hause, brauchte aber schon ein spezielles Krankenbett und deutliche stärkere Pflaster sowie Aufbaunahrung - die ihm irgendwann nicht mehr schmeckte bzw. die er mitunter erbrach. Als er dann Mitte Mai plötzlich garnicht mehr stehen konnte, weil die Beine kraftlos zusammensackten, wurde mir klar, dass es jetzt in die Einbahnstraße geht. Die Ärzte am Heimatort bzw. in Berlin gaben ihn auf. Ich hab ihn mit meiner Mutter letzte Woche bis zum Tod begleitet, seine Hand gehalten, gestreichelt, seinen Puls ständig gefühlt. Er schlief ganz sacht und leise ein. Ich fühl mich mit meinen 43 Jahren, die ich heute geworden bin, einfach zu jung, nicht reif genug, um schon meinen Vater zu verlieren, aber wie sagte ein guter Freund meines Vaters bei der Beerdigung am Samstag: Für jemanden, den man liebt, ist der Todeszeitpunkt immer zu früh. Na klar, er ist 71 geworden, man kann nicht sagen, er wäre jung gestorben, aber er und seine Frau, meine Mutter, hatten noch soviel vom Leben gewollt. .... nun bleibt nur die Erinnerung an ihn ...
Ich glaube nicht an Gott, und daher auch nicht daran, dass ich ihn irgendwann nach dem Leben wiedersehen werde - und dieses Wissen ist sehr schmerzlich - nie wieder mit ihm zu quatschen oder einfach die Anerkennung "Junge, hast du gut gemacht" zu hören .........
Ich wünsche allen, die in ähnlichen Problemen stecken oder gar von dieser brutalen Krankheit betroffen sind, dass sie viel Kraft finden um alles wenn möglich mit positivem Ende zu überstehen.
Rückblickend hat mein Vater ein schönes Leben gehabt und (soweit man dies überhaupt so sagen kann) einen "schönen" ruhigen Tod im Kreise seiner Liebsten. aber es wird wohl dauern, bis dieser Gedanke wirklich tröstlich ist.
Und es wird immer der fade Beigeschmack bleiben, dass unser Krankensystem (das Wort Gesundheitssystem ist allein Zynismus genug) so endlos viel Kraft und Zeit kostet, wo man um Überweisungsscheine fast betteln muss, oder Hausärzte, die meist Allgemeinärzte sind, Entscheidungen über Behandlungswege und -orte treffen, bei welchen sie sich wahrscheinlich längst jenseits ihrer fachlichen Kompetenz bewegen. Leider wird es wohl auch zukünftig nicht besser werden.
Ok, sorry für diesen überlangen Text, aber das lag mir auf dem Herzen.
Norbert
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