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  #1  
Alt 28.11.2005, 16:55
Wolke Wolke ist offline
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Standard Die neue Zeitrechnung

Seit dem unsere lieben nicht mehr bei uns sind geht doch irgendwie eine ganz neue Rechnung los. Das erste Weihnachten ohne meine Mutter, der erste Geburtstag, ihr erster Geburtstag und soweiter.

Wie geht ihr mit solchen besonderen Tagen um? Ich hatte davon bislang nur den Hochzeitstag meiner Eltern. An dem waren wir essen, wie sonst auch. Was macht ihr am Geburtstag von eurem Engel? Bis zum Geburtstag von meiner Ma ist es zwar noch ein paar Monate hin, aber irgendwie beschäftigt es mich doch schon etwas. So einfach unter den Tisch fallen lassen mag ich ihn auch nicht.

Ich schreibe ab und an Tagebuch, aber nicht so regelmäßig. Ich hab beschlossen jetzt mit einem neuen anzufangen. Im alten ist noch Platz und irgendwann werde ich darin auch über meine Ma schreiben, aber ich möchte irgendwie symbolisch mit einem neuen Buch beginnen, schließlich ist es ein neuer und einschneidender Abschnitt in meinem Leben.

Seid lieb gegrüßt Wolke
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  #2  
Alt 28.11.2005, 20:42
gaertner gaertner ist offline
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Standard AW: Die neue Zeitrechnung

Hallöchen,

das mußt du irgendwie geahnt haben, dieses thema zu einem neuem Thread zu machen. meine folgenden worte wollt ich eigentlich bei "wie verarbeitet ihr den Trauer, den Schmerz " hineinschreiben, doch hier passt es besser.
Heute früh fing der tag noch normal an. Habe meine Büroarbeit gemacht und paar Termine erledigt. Vorhin hatte ich dann noch einen Arzttermin,habe mich nochmal richtig durchchecken lassen, großes Blutbild, der Dr. sagte, sieht aus wie ein kerngesunder 20zig-jähriger. (wörtlich !) nur der cholesterienspiegel ist leicht erhöht, das ist typisch "thüringisch", nationalessen bratwurscht halt.

Und plötzlich kriegte ich seit längerer zeit mal wieder so einen richtig starken "anfall". mußte plötzlich heulen wie ein kleines mädchen und der hals war zugeschnürt.
den ganzen tag wußte ich , heute vor einem jahr haben wir unseren sohn robert nach münster gefahren, am 01.12. wurde er dann operiert.(Knochenkrebs,Ewing,Oberschenkel komplett ersetzt)
Plötzlich fiel mir ein, das wir heute nacht vor einem jahr das letzte mal zusammen in einem zimmer geschlafen haben, meine frau , unser robert und ich. Etwas, was es dann nie wieder gab, weil er nur noch dreimal für sehr kurze zeit zu hause sein konnte und da ja in seinem "krankenzimmer" gleich unten im Erdgeschoss war.

dann wurde mir erschreckend klar, das dies jetzt nur der anfang ist, ich kann bald in jeder folgenden woche bis zum april ein tag fest in meinen gedanken verankert aufrufen, wo ich weiß, was damals war. bisher waren die erinnerungen irgendwie nicht an feste punkte fixiert, robert hatte ein halbes jahr chemo bekommen, pendelte zwischen klinik und zu hause, hatte die chemo auch sehr gut vertragen, war eigentlich nie "krank".
ab morgen ist er nie mehr alleine gelaufen, durch die schwere op und die anschließende hochdosis war er so geschwächt, das er nicht mal mit seinen gehhilfen laufen konnte. dann kam das fieber nach der o.p. , die hoffnung weihnachten zu hause zu feiern ging nicht auf, also haben wir in münster auf der station gefeiert. Sylvester dann endlich zu hause und dann ab in die klinik, vorbereitung hochdosis. dabei flecke in der lunge gefunden, o.p. in jena, eine streumetastase bestätigt. usw.usw.usw.usw......

was soll ich nur das nächste vierteljahr machen ? ich kann doch nicht jeden abend darauf warten, das ich wieder so eine Trauerattacke bekomme ,weil die erinnerung plötzlich so lebendig und nah vor meinem auge stehen ,als ob es gestern gewesen wäre.

an weihnachten , sylvester, sein geburstag im januar darf ich noch gar nicht denken.

ich war die letzten wochen so zuversichtlich, das sich langsam das leben wieder normalisiert und jetzt holt mich das alles wieder ein.

ich vermisse ihn so sehr.

gaertner
__________________
Jede Lebensphase hat ihren eigenen Wert

und ihr eigenes Glück.


daraus das Beste zu machen

ist der Schlüssel zur Zufriedenheit.
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  #3  
Alt 28.11.2005, 21:18
Blue Blue ist offline
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Beiträge: 193
Standard AW: Die neue Zeitrechnung

Ja, irgendwie ist es eine neue Zeitrechnung, der letzte Geburtstag, das letzte Jahr.

Heute vor einem Jahr fuhr ich Jürgen in die Biomed, mit soviel Hoffnung, heute vor einem Jahr wurde beschlossen, daß Jürgen ab 1.12. dort Stationär aufgenommen wird und wir somit meinen 40. Geburtstag ganz anderst feiern würden. Nun, nach einem Jahr ist heute unser Bett abgeholt worden. Ist jetzt komisch, so als hätte ich abgeschlossen und dabei fängt dieses letzte Jahr jetzt erst richtig an.

Ob ich will oder nicht, die Gedanken sind da, kommen immer wieder. Heute vor einem Jahr ….

Blue
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  #4  
Alt 29.11.2005, 07:56
Wolke Wolke ist offline
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Standard AW: Die neue Zeitrechnung

Dieses "Vor einem Jahr" kommt ja erst noch auf mich zu. Meine Ma ist ja "erst" im September gegangen. Aber schon als jetzt der Herbst kam, da dachte ich, wie hat sie es geliebt, wenn die Blätter raschelten, nun wird sie es nicht mehr hören. Dann kommt der Winter und sie war so begeistert, wenn der Garten in Schnee getaucht war. Im Frühling, da stratzte sie gleich in den Garten und und und. Ich glaube man findet ständig was.

Vielleicht können wir versuchen, darin auch was positives zu finden? Erstmal erinnert es uns immer an diesen lieben Menschen und außerdem ist es doch auch schön z.B. an die Nacht zu dritt zu denken lieber Gaertner ;-) Ich weiß es ist nicht einfach, aber wir müssen es schaffen und das werden wir.

Viel Kraft schicke ich euch

Wolke
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  #5  
Alt 29.11.2005, 10:09
Benutzerbild von Kerstin63
Kerstin63 Kerstin63 ist offline
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Ort: Norddeutschland
Beiträge: 155
Standard AW: Die neue Zeitrechnung

Hallo Ihr,

mein Vater ist am 13. Juni 2004 eingeschlafen.

Letztes Jahr um diese Zeit ging es mir sehr schlecht. Das erste mal mein Geburtstag im November ohne ihn. Weihnachten spielte nicht so eine grosse Rolle weil wir seit Jahren nicht gemeinsam gefeiert hatten, aber das mit dem Geburtstag war schlimm für mich. Aber zur Weihnachtszeit tat es mir vor allem für IHN so leid, dass er nicht mehr da war...seine Frau (nicht meine Mutter) war sehr einsam ohne ihn und es tat mir für die beiden so leid, das tat so weh.

Jetzt geht es mir viel besser als vor 1 Jahr. Das "erste" Mal für all diese Termine der neuen Zeitrechnung (so sehe ich das auch immer noch - als er noch lebte und dann danach) ist glaube ich wirklich das schlimmste. Natürlich tut es später dann auch noch weh, aber es wird erträglicher, "aushaltbar", man lernt damit umzugehen.

Die Zeit heilt eben doch irgendwie alle Wunden. Ich denke mir das wie eine grosse Wunde die nach langer Zeit zuheilt, man behält eine dicke Narbe zurück die immer bleibt, die man sieht und die jetzt zum Leben dazu gehört, und manchmal tut sie auch noch weh, aber nicht immer. Aber sie ist da und gehört jetzt dazu.

Ich denke, es heisst nicht umsonst das Trauerjahr. Diese Zeit braucht es mindestens, um die Dinge sich halbwegs normalisieren zu lassen. Der Jahrestag war bei mir dann auch noch mal besonders schlimm. Ich denke, nächstes Jahr wird es schon "besser" sein, auch wenn gleichzeitig das Entsetzen darüber wächst, wie LANGE das jetzt schon alles her ist. Da erschrecke ich manchmal vor der Zeit, die vergeht. Ich denke aber, mit der Zeit wird es besser, und andere Dinge treten auch wieder in den Vordergrund.

Es ist ganz klar, dass es immer wieder bestimmte Daten gibt, die einen zurück denken lassen - eben vor allem wenn es sich das erste Mal jährt. Da kommt der Schmerz noch mal besonders zurück. Ich denke es ist wichtig das zu akzeptieren und zu durchleben, DAMIT es mir der Zeit besser werden kann.

Für die magischen Daten wie "genau vor 1 Jahr war dei OP" usw., gibt es für mich keinen anderen Umgang als eben die Rückschau, und das auch auszuhalten, z.T. versenke ich mich richtig noch mal in alles, lese OP berichte usw. Das versteht hier keiner ("lass das, das zieh dich doch nur runter"....) aber für mich ist es der Weg. Und nach ein paar Tagen geht es wieder. Am Todestag meines Vaters (und am nächsten Tage ist sein Geburtstag) habe ich ein Rosen-Herz bestellt und zum Grab gebracht. Mir helfen solche Gesten, für die Adventszeit habe ich auch was gebastelt und werde jetzt auch die "Deko" fürs Grab wieder rausholen, er hat dann einen Weihnachtsmann und ein paar Sterne und sowas. Ist mir egal was andere evtl denken, ich find's schön.

Kerstin
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  #6  
Alt 29.11.2005, 14:37
Imke Imke ist offline
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Registriert seit: 15.08.2005
Ort: Hamburg
Beiträge: 53
Standard AW: Die neue Zeitrechnung

Hallo Ihr,

mensch Kerstin das ist eine tolle Idee. Das werde ich auch machen, wäre ich von alleine gar nicht drauf gekommen. Eine Lampe mit einer Kerze habe ich schon hingestellt.
Es ist sowieso ein recht buntes Grab. Aber ich finde es schön und meine Mama bestimmt auch. Meine Schwester hat ein großes Herz aus Kastanien hingelegt, von meiner Nichte ist ein Bild an einem Stiel dort und viele verschiedenen bunte Blumen und Gestecke.
Aber ein Weihnachtsmann der fehlt noch. Ich werde ihr noch einen besorgen und mitnehmen.

Und noch eins, mit dem Krankenhausbericht, das kann ich gut nachvollziehen, Kerstin.
So einen Bericht habe ich zwar nicht, aber ich habe über die letzten Wochen mit meiner Mama Tagebuch geführt und habe somit auch Wörter und Gesten für die Ewigkeit behalten die ansonsten eventuell doch irgendwann vergessen worden wären.
Andere verstehen das auch nicht, aber obwohl meine Mama "erst" 4,5 Monate tot ist habe ich mir das auch schon 2x durchgelesen.
Natürlich weine ich dann, aber wie Du schon sagst es ist mein Weg der Trauerverarbeitung und es tut mir gut !

Ich wünsche Euch allen alles Liebe,
gruß Imke !!!
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