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  #1  
Alt 06.03.2007, 14:21
Finiboy Finiboy ist offline
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Standard Die Zeit machts einfacher????????

Hallo, habe meine "Geschichte" oder besser gesagt, die meiner Mutter bereits im Forum: Lungenkrebs kurz erzählt. Meine geliebte Mutti starb am 10.01.07. Ich weiß, es sind ja erst ein paar Wochen aber der Schmerz ist einfach riesig und es überfällt mich täglich. Es sind so viele Dinge, die mich schmerzlich an sie erinnern. Damit meine ich nicht die schönen Erinnerungen wie z. B. Fotos aus der Zeit, wo es ihr gut ging oder besondere Gegenstände. Sondern ich meine die wirklich schmerzlichen Erinnerungen, wenn ich z. B. an dem KH vorbeifahre in dem sie die letzten Wochen ihres Lebens verbrachte oder einen Geruch, den ich mit Krankenhaus in Verbindung bringe. Ich muss auch immer an ihre letzten Atemzüge denken, die letzten Stunden und wie sie ausgesehen hat, als sie dann tot im Krankenbett gelegen hat. Der Schmerz macht mich fertig.

LG Ulrike
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  #2  
Alt 06.03.2007, 16:34
Sabitz Sabitz ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

Liebe Ulrike,
es tut mir sehr leid, dass Du so leidest und ich möchte Dir ein paar Zeilen schreiben.
Ich weiß, wie schmerzhaft es sich anfühlt ein Elternteil zu verlieren. Habe meinen Papa im September 06 verloren. Er wurde nur 68 Jahre alt.
Ich hatte eine sehr enge Bindung zu ihm und die Krankheit hat uns nochmal sehr nahe gebracht. Auch habe ich fürchterliche Bilder im Kopf von seinen letzten Tagen, die immer wieder kommen. Aber in den ersten 3 Monaten war es am schlimmsten.
Ich würde nicht sagen, dass es die Zeit einfacher macht, aber es entsteht mit der Zeit ein gewisser Abstand von den sehr traurigen Bildern und ich habe zur Zeit spontane Weinkrämpfe schon besser im Griff.
Es ist auch gut, wenn man tagsüber durch die Arbeit abgelenkt ist.
Ganz schlimm ist es nachwievor, in der Wohnung meiner Eltern, weil soviel daran erinnert.
Um die Trauer nicht zu verdrängen(auf Arbeit) nehme ich mir jeden Abend bewußt Zeit, mich damit zu beschäftigen und mich damit auseinanderzusetzen. Das tut sehr weh, aber so versuche ich zu vermeiden, dass mich die verdrängte Trauer krank macht.
Immer funktioniert es nicht, denn die Trauer schlägt auch zu, wenn ich nicht damit rechne.
Zuerst wollte ich es auch nicht glauben, aber es ist so: "Es wird wieder besser, aber anders."
Ich hoffe, dass ich Dir ein wenig Hoffnung geben konnte und wünsche Dir ganz viel Kraft!
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  #3  
Alt 07.03.2007, 09:31
Finiboy Finiboy ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

Hallo Sabitz,

was soll ich schreiben? Vielen Dank für die aufmerksamen und netten Worte. Es tut schon ganz gut mal mit jemand "neutralem" darüber zu sprechen, der dann auch noch ähnliches erlebt hat. Ich versuche ja nicht etwas zu verdrängen, sondern ich rufe mir dann die schönen Momente ins Gedächtnis nur das mir das nicht immer gelingt und sich natürlich auch solche Bilder einschleichen, die ich eigentlich nicht mehr sehen möchte. Es ist alles so kompliziert, und um mich herum geht das Leben ganz normal weiter, das ist auch gut so und muss so sein aber das schafft mich und ich denke mir es wäre für alle Menschen in diesem Moment einfacher, wenn das Leben mal "kurz anhalten" könnte, so dass man erstmal irgendwie klarkommt. Aber so habe ich auch das Gefühl alle anderen, außer mir, sind schon "fertig" damit und das erschüttert mich. Hört sich alles irgendwie wirr an.

Ich wünsche Dir und allen Angehörigen alles Gute und Kraft, Kraft, Kraft .....

LG Ulrike
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  #4  
Alt 07.03.2007, 10:40
stef777 stef777 ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

liebe ulrike,

auch mein herzliches beileid. mein vater ist ja auch anfang januar gestorben (6.1.). jedes mal, wenn ich dies aussprechen muss vor anderen leuten, schnürt sich mir die kehle zu. ich muss die tatsache jedes mal erneut akzeptieren, dass er nicht mehr ist.
mir geht es wie dir. ich denke sehr sehr oft an die letzten stunden und tage, und wie mein vater dann tot im bett lag. wenn ich am krankenhaus vorbeifahre, ist auch mein erster gedanke mein vater. ("hier lagst du also die letzten tage deines lebens, das hättest du dir davor auch nicht so vorgestellt"). man kann das krankenhaus auch von dem haus meiner eltern sehen, das ist auch nicht einfach.
ich bin wie du auch oft total verwirrt, das leben geht um einen herum weiter, man selbst möchte einfach die zeit anhalten. man versucht tapfer zu sein und nach vorne zu blicken, und kämpft gleichzeitig gegen die ganzen bilder in seinem kopf an. als kleiner trost - es geht vielen wie dir....in dem sinne ist es eine "normale" reaktion. zum glück können wir uns hier austauschen...

Liebe grüße
stef.
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  #5  
Alt 07.03.2007, 11:15
Benutzerbild von Steph570
Steph570 Steph570 ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

Hallo Ihr lieben ,

mir geht es nicht viel anders.
Von der letzten Woche mit meinem Paps an , wo der Verfall massiv wurde , drehen sich diese Bilder in meinem Kopf.
Nur ans KH denken zu müssen ist Horror.
Komm ich bei meinen Eltern ins Haus warte ich darauf das er mich jeden Moment ruft.
Ich höre teilweise noch das monotone Brummen des Sauerstoffgeräts
Es ist alles noch so unwirklich.
Ich steh an seinem Grab und denk mir jedesmal Nein hier ist er nicht.
Wahrscheinlich ist das im Moment noch ne Schutzfunktion. Aber ich hab Angst vor dem Moment wo dieser Damm bricht. Was passiert dann ??

Am schlimmsten sind im Moment die Aussagen von Leuten die , das ist nicht böse gemeint, gar nicht wissen oder nachvollziehen können wie es in mir aussieht. Die mit den Worten "Das Leben geht weiter" und "Es geht ihm jetzt gut wo er ist" versuchen zu helfen.
Im Grunde haben sie ja Recht , das weiß glaub ich jeder von uns. Aber das zu akzeptieren fällt so unsagbar schwer.
Ich möchte diese Leute am liebsten an den Schultern packen und los schreien. "Weißt Du überhaupt was Du da sagt. Ich hab meinen Vater verloren und Du sagst mir das dass Leben weitergeht"

Und sie haben ja Recht. Es geht weiter. Für sie und für jeden anderen. Nur für uns scheint es still zu stehen.

Ich glaube wir müssen uns einfach die Zeit lassen und auch nehmen es zu begreifen und zu verstehen.
Irgendwann wird jeder von uns damit umgehen können , irgendwann.
Der Schmerz wird bestimmt bleiben , aber er wird uns nicht mehr bestimmen , so wie im Moment.

Und ich erwarte von den Menschen um mich rum das sie mich auf meine Art trauern lassen !!
Das mir keiner sagt ich soll mich zusammenreißen.
Oder wenn ich dann mal weine zu hören kriege "das hat Dein Vater aber nicht gewollt"
Nein das stimmt , das hätte er nicht gewollt.
Er wollte Leben !!!
Und das wurde ihm genommen. So wie mir mein Vater.
Und ich werde so lange um ihn trauern wie ich es will , und auf die Art wie ich will !!

Ich wünsche jedem von uns das wir diese Zeit schnell finden werden und dann nur noch mit schönen , liebevollen Gedanken und Erinnerungen konfrontiert werden. Und diese schlimme Zeit in den Hintergrund rutscht

lg an alle
steph
__________________
Nordisch nobel , Deine sanftmütige Güte , Dein unbändiger Stolz , das Leben ist nicht fair.
Es war ein Stück vom Himmel , das es Dich gibt.
(Grönemeyer)

Paps geb. 15.04.47 - gest. 08.02.07
Opipi geb. 19.03.22 - gest. 08.01.08
Schwiegerpapa geb. 23.08.35 - gest. 18.01.08
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  #6  
Alt 07.03.2007, 12:14
Finiboy Finiboy ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

Hallo Ihr Lieben,

erst mal: ich fühle mit Euch den Schmerz, gerade in Momenten wie diesen, in denen ich an Euch denke, wie ihr euch fühlt. Es tut mir unendlich leid. Ich danke euch dafür, dass ihr es trotzdem schafft mir hier zu schreiben, glaubt mir, ich weiß wie schwer dass ist. Im Moment bin ich wie gelähmt, bekomme nichts mehr auf die Reihe. Habe einen kleinen Sohn, wird am 09.03. vier Jahre alt wobei sein Geburtstag von dem meiner Mutti "überschattet" wird, sie wäre am 10.03. 65 Jahre alt geworden. Der Kleine vermisst natürlich seine Oma und hat den Leidensweg in vollem Umfang mitmachen müssen, da er meistens mit mir im KH war. An schlechten Tagen, wie mal wieder im Moment, tut mir der kleine Kerl schon ziemlich leid, da er natürlich nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die er bräuchte. Weiterhin arbeite ich "eigentlich" von zu Hause und ein Tag in der Woche im Büro. Aber wie gesagt ich krieg einfach nichts auf die Reihe, die Arbeit türmt sich auf, der Haushalt bleibt liegen und mein Mann weiß auch nicht so recht was mit mir los ist. Ich glaub er versteht meine Trauer nicht so ganz. Meine Mum fehlt mir einfach. Das morgentliche gemeinsame Kaffetrinken, der Nachmittagsspaziergang, das Shoppen usw.

So, ich hoffe Ihr meldet euch mal wieder und erzählt, wie es euch so geht.

Schicke Euch Mut und Kraft.

LG Ulrike
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  #7  
Alt 07.03.2007, 23:13
Benutzerbild von teufelchen_26
teufelchen_26 teufelchen_26 ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

Hallo an alle,

erstmal möchte ich euch mein beileid aussprechen. meine mum ist am 31.12.05 gestorben. ich möchte euch sagen ja es wird mit der zeit besser. in den ersten monaten konnte ich nur an meine mum denken wie sie aussah als sie starb und die woche davor. ich konnte mir sie kaum gesund vorstellen... immer wieder kamen mir die bilder in den sinn... wie abgemagert sie war...und dass sie nix mehr tun konnte... zum schluss nicht einmal mehr was sagen..

manchmal kommen mir diese bilder immer noch in den sinn... aber inzwischen überwiegen die schönen erinnerungen, wie sie gelacht hat... was sie gesagt hat... worüber sie sich gefreut hat.. am anfang habe ich mir oft fotos angeschaut und konnte nur heulen... inzwischen fällt mir das immer noch schwer aber es geht und ich erinner mich gern an meine liebe mama zurück.

sie lebt ja schließlich in meinem herzen weiter... da hat sie einen festen platz und es vergeht kein abend an dem ich nicht guten nacht zu ihr sage... ja sie felht mir sehr aber ich kann damit leben... und muss es ja auch..

manche sachen muss man leider lernen zu akzeptieren... die schmerzen werden weniger und fette narben bleiben zurück die ab und zu mal wieder aufplatzen und man heult wie ein schlosshund... auch diese phasen hab ich ab und zu noch aber nicht mehr sooft...

lasst euch zeit... und lebt eure trauer erstickt sie nicht... sie muss raus... bei mir ist es zwar meist so dass es wenig leute gibt vor denen ich mich so öfnen kann aber es gibt sie.. obwohl ich meist ganz ehrlich lieber alleine mit meiner trauer bin weil es keinen trost dafür gibt...

liebe grüße
und ein fettes kraftpaket
nadine
__________________
Niemand den man wirklich liebt ist jemals tot
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  #8  
Alt 07.03.2007, 23:44
Andrea K. Andrea K. ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

Hallo an Alle,

was Ihr so schreibt, dass mache ich auch gerade durch. Meine Mama ist 58jährig am 14. Februar an Lungenkrebs gestorben. Sie ist mit meinem Vater vor 2 Jahren zu uns aufs Dorf gezogen, weil sie nicht mehr in der Stadt wohnen wollte und nähter bei mir und meiner Familie sein wollte.

2 Jahre hat sie es geschafft. Am 29. Oktober hatten meine Eltern ihren 40 Hochzeitstag, da war sie noch gesund - dachten wir. Am 15 November kam die Diagnose und sie hat keine 3 Monate mehr gelebt.

Ich war bei Ihrem Tod dabei und alle habe mir gesagt "bis zur Beerdigung, das ist das Schlimmste und dann wird es besser". Aber so empfinde ich das nicht. Die Tage bis zur Beerdingung gingen eingenglich aber jetzt erst danach fange ich wohl an zu realisieren, dass sie nieeee mehr wieder kommt - keine Mama mehr, mti der ich reden kann, die ich was fragen kann, dir mir mit Rat und Tat zur Seite steht. Sie ist einfach weg - und ich habe Moment, da verstehe ich das einfach nicht.

Ich versuche es meiner Tochter zu erklären und sie ist noch so schön kindlich naiv, sie sagt sie ist jetzt ein Enge und sieht uns zu und ich muss dann denken, dass es ja wirklich so sein könnte und wie schlimm das vielleicht für sie ist, uns zu sehen, und nicht mehr bei uns sein dürfen zu wollen, denn sie wollte so gerne noch leben.

Oder der Gedanke daran, wo sie jetzt ist, so dunkel und kalt - ich kann diese Gedanken nicht verdrängen.....

Ich kann nur hoffen, dass es mit der Zeit einfacher wird. Ich funktionieren, ich habe meinen Alltag weitestgehend wieder im Griff, aber ich darf nicht zur Ruhe kommen.

Es ist schrecklich, was wir hier alle durchmachen müssen, aber irgendwie werden wir das hinkriegen. An alle einen ganz lieben Gruß

Andrea
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  #9  
Alt 08.03.2007, 10:49
Benutzerbild von evelin
evelin evelin ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

Hallo ihr Lieben

Mein herzliches beileid euch allen.Ich habe meine geliebte mama am 21.11.06 nach sehr viel leiden verlohren.Meine mama hätte am 27.3 geburstag und war so sicher das sie ihn mit uns feiern könnte.Ich kann es immer noch nicht fassen das menschen die man so sehr liebt so leiden müssen.Die bilder verfolgen mich jeden tag und machen mein leben sehr schwer.Aber es ist sehr hielfreich eure geschichten in verschidene stadien der trauer zu lesen denn so fühle ich mich nicht so allein.Manchmal denke ich schon ich ich bin verrückt weil ich nicht
aufhören kann daran zu denken aber ihr zeigt mir das das nicht der fall ist,DANKE

traurigen gruß evi
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  #10  
Alt 08.03.2007, 11:12
martinaIna martinaIna ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

Liebe Ulrike,
und all ihr anderen,

an Heiligabend 06 starb mein Mann, diese Trauer ist ähnlich frisch, wie bei Euch.
Meine Eltern sind 1985 verunglückt, da war ich 25 Jahre alt.
Ich habe sozusagen "Trauererfahrung".

Damals habe ich es ziemlich verdrängt. Dafür war ich aggressiv und gleichzeitig suchte ich verzweifelt nach Halt oder nach der "Heimat" (sicheren Hafen / ruhenden Pol in meinem Leben), die ich mit meinen Eltern verloren hatte. Mein damaliger Freund konnte das nicht auffangen und ich war nicht in der Lage, die Trauer auszuhalten, so habe ich es eben verdrängt. Nach zwei Jahren gab es einen Moment, wo mich die Trauer plötzlich überrannte. Damit bin ich noch glimpflich weggekommen - andere bekommen psychosomatische Krankheiten. Ich begann dann eben nach zwei Jahren, während eines mehrmonatlichen Irlandaufenthaltes, zu bearbeiten.

Diesmal stell ich mich der Trauer. Unter anderem stell ich mich ihr, indem ich hier lese und schreibe. Ich schreibe für mich auch auf, wie das letzte Jahr war, was wir das letzte gemeinsame Jahr zusammen erlebten. Und ich nehme mir Zeit und akzeptiere (auch wenn ich drüber jammere), dass ich z.Z. nichts so recht auf die Reihe bringe und unendlich lahm und antriebslos bin.

Die Zeit hilft tatsächlich- aber nicht, wenn sie einfach nur verstreicht, sondern wenn jeden Tag ein Stückchen Trauer "bearbeitet" wird. Mir kommts so vor: Wenn wir wieder ein Stückchen abgearbeitet haben, d.h. es ausgehalten haben, die Bilder im Kopf zuzulassen, das Röcheln noch einmal zu hören, den Geruch noch einmal in die Erinnerung zu holen, dann hilft die Zeit und macht es doppelt so leicht, die anderen Bilder in den Kopf zu bekommen.
Verdrängt man/frau, dann kommen auch nicht die Bilder aus den glücklichen Tagen in den Kopf.

Ein Leben ist aber mehr, als die letzten Monate. Niemand würde ein Menschenleben nach seinen ersten zehn Monaten beurteilen, warum also nach seien letzten? Um das Leben eines Menschen auch nur ansatzweise zu erfassen, muß ich den ganzen Bogen sehen und das kann ich nur, wenn ich über die Bilder der letzten Monate hinaus gelange. Deshalb denke ich, muss ich mir diese Bilder der letzten Tage anschauen, solange, bis ich sie ertragen kann. Damit sie mir den Blick auf die Zeit davor nicht weiter verstellen.

Ich weiß nicht, ob Ihr dieses Kauderwelsch verstehen könnt. Ist schwer es in Worte zu fassen.

Ich wünsche Euch, dass Ihr die Zeit bekommt, um Eure Trauer zuzulassen und die bösen Bilder anzuschauen, bis sie ihren Schrecken verlieren
martina
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  #11  
Alt 08.03.2007, 11:55
antje s. antje s. ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

Hallo Ulrike und alle anderen,

mir geht es ähnlich wie Martina.
Ich habe Phasen, in denen ich mich nicht mehr an die Augen, das Lächeln etc. meines Mannes erinnern kann. Ich bin dann ganz verzweifelt, gerate wie in einen Teufelskreis und komme aus meinem Loch überhaupt nicht mehr raus.
In anderen "entspannten" Minuten/Stunden kann ich voller Liebe und Wärme zurückblicken auf die glücklichen Jahre mit meinem Mann und habe die Krankheitsmonate völlig ausgeblendet.
Die letzen Monate haben meinen Mann und mich auf eine besondere Weise verbunden. Ich war seine engste Vertraute und er wollte einige Wochen außer mir niemanden sehen. Das war zwar schwer und anstrengend für mich, bedeutet mir aber heute auch sehr viel, denn ich habe so wirklich viel Zeit mit ihm verbracht. Damals hatten wir auch noch keine Ahnung von diesem Ende und waren voller Hoffnung (zum Glück!).
Die allerletzten Tage waren gefüllt mit schrecklichen Eindrücken (Herz-Lungen-Maschine, Intensivüberwachung, ständiges Piepen der Meßgeräte etc.), ich denke "gern" daran zurück. Denn ich hatte noch diese Zeit mit meinem Mann, ich konnte mit ihm reden und ihn berühren.
Das gibt mir heute ein bißchen Kraft und Trost.

Auf der anderen Seite aber brauche ich auch ganz bewußt die Gelegenheit und Zeit, mich mit meiner Trauer zu beschäftigen. Ich "verdränge" zur Zeit viel zu viel, falle in meine Routine, bin ständig auf Achse und es geht mir nicht gut dabei. Daher ist mein Rat, sich Zeit und Ruhe zu gönnen (soviel man eben selbst braucht), im Moment leider eher theoretischer Natur.

Im Moment (nach knapp 6 Monaten) kann ich noch nicht sagen, daß die Zeit mir viel gebracht hat. Im Gegenteil, ich glaube, mir ging es in den ersten Tagen und Wochen fast besser, aber ich weiß, daß ich nach vorne schauen muß. Das hätte mein Mann gewollt und sich gewünscht.

Seid alle gedrückt!

Antje
__________________
"Wohin ich auch gehe - du bist dabei.
Ich fühle ganz deine Nähe,
als ob es nie anders gewesen sei. ...
Mit geschlossenen Augen kann ich dich sehn
und ich weiß: Die Liebe wird bleiben."
(Elli Michler)

www.help4hartmut.de
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  #12  
Alt 08.03.2007, 12:10
stef777 stef777 ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

[QUOTE=martinaIna;388130]

Ein Leben ist aber mehr, als die letzten Monate. Niemand würde ein Menschenleben nach seinen ersten zehn Monaten beurteilen, warum also nach seien letzten? Um das Leben eines Menschen auch nur ansatzweise zu erfassen, muß ich den ganzen Bogen sehen und das kann ich nur, wenn ich über die Bilder der letzten Monate hinaus gelange. Deshalb denke ich, muss ich mir diese Bilder der letzten Tage anschauen, solange, bis ich sie ertragen kann. Damit sie mir den Blick auf die Zeit davor nicht weiter verstellen.

Ich weiß nicht, ob Ihr dieses Kauderwelsch verstehen könnt.


hi martina,

das hast du superschön in worte gefasst, ist gar kein kauderwelsch...!!!!

danke
und LG an alle
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  #13  
Alt 08.03.2007, 16:56
Finiboy Finiboy ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

Hallo Ihr Lieben,

erst mal: ihr habt alle mein Mitgefühl, es tut mir unendlich leid für Euch und Eure Familien/Freunde.

Nein, das ist auch für mich kein Kauderwelsch. Es ist ja nicht so, dass ich nur die letzten schweren und schlimmen Bilder meiner Mutter im Kopf oder vor Augen habe. Als wir ihre Wohnung ausräumen mussten (mein Vater ist gestorben, als ich 5 Jahre alt war, und seit dem lebt meine Mutter allein) habe ich erstmal stundenlang alte und junge Fotos angeschaut und tue dies auch sehr gerne. Es ist auch nicht so, dass in den Erinnerung aus den letzten Wochen nur "schlimme" Bilder auftauchen, sondern ich erinnere mich an ein ganz besonderes, nur für mich bestimmtes Lächeln meiner Mutter, das werde und möchte ich auf gar keinen Fall vergessen. Nur es tut auch wahnsinnig weh an dieses Lächeln zu denken, so dass ich jetzt gleich wie auf Kommando losheulen könnte. Versteht ihr was ich meine? Normalerweise bin ich keine "Heulsuse" oder "nah am Wasser gebaut".

Auch bin ich froh, dass ich ihr in ihren letzten Wochen alles gegeben habe und bis zum Schluß ihre Hand halten konnte, obwohl sie ja die letzten drei Tage nicht mehr ganz bei uns war. Und so irre, wie das auch klingt, an besonders schlechten Tagen denke ich: warum musste sie bloss so schnell sterben, könnte sie nicht noch bei uns sein, egal in welchem Zustand, hauptsache sie ist bei uns, ich kann noch mal ihre Hand halten, ihren schweren Atem hören, mir Sorgen machen über einen trockenen Mund oder ansteigendes Fieber. Aber ich bitte euch, das ist doch irre und ziemlich egoistisch. Eine ganz liebe Krankenschwester sagte in dem Moment, wie sie meine Mum tot im Bett liegen sah: Oh, wie schön. Das werde ich nie vergessen und ich hätte sie am liebsten für diese für mich schönsten und liebevollsten Worte in diesem Moment umarmt.

O. K., genug geheult, ich brauche noch ein wenig Kraft, da ich gerade im Büro bin und "arbeite" und gleich nach Hause fahre. Das heisst für mich, ich muss am KH vorbeifahren. Und schon heute morgen hatte ich mir fest vorgenommen es diese mal etwas gelassener durchzustehen. Was soll ich sagen: fehl geschlagen.

Ich grüße euch alle ganz herzlich.

LG Ulrike

P.S: morgen feiere ich Kindergeburtstag, mein Kleiner wird schon vier!
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  #14  
Alt 08.03.2007, 18:30
martinaIna martinaIna ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

Hallo Ulrike,

Du schriebst:

"könnte sie nicht noch bei uns sein, egal in welchem Zustand, hauptsache sie ist bei uns, ich kann noch mal ihre Hand halten, ihren schweren Atem hören, mir Sorgen machen über einen trockenen Mund oder ansteigendes Fieber. Aber ich bitte euch, das ist doch irre und ziemlich egoistisch."

Genauso habe ich es auch schon gefühlt. Es ist absurd etc. aber trotzdem wünsch ich mir manchmal diesen irren Stress zurück, denn dann wäre er wenigstens noch bei mir (wobei er in diesem Zustand schon geistig meist völlig weg war.) Dann könnt ich ihn wenigstens noch streicheln. Aber natürlich bin ich gleichzeitig so froh, dass es nicht so ist und wir es hinter uns haben. Hat irgendjemand behauptet Gefühle seien logisch?

Zum Problem mit dem KH: Hast Du Dich denn in dem KH während dieser Zeit unwohl oder schlecht aufgehoben gefühlt? Was macht Dir diesen Ort so unsymphatisch?

Mir kommt gerade ein Gedanke.
Könnte es vielleicht helfen, wenn Du sobald Du am KH vorbei kommst daran denkst, dass diese nette Schwester da arbeitet und was sie damals gesagt hat? Vielleicht gehst Du ja sogar hin und bringst ihr einen kleinen Gruß vorbei und schreibst ein kleines Kärtchen (falls sie nicht Dienst haben sollte) wo Du drauf schreibst, dass Dir das damals gut getan hat. (Krankenschwestern brauchen ja auch mal positive Rückmeldungen gerade bei so was.)

Viel Spaß beim Kindergeburtstag. Mit Vier dürfte sich der Rummel ja noch in Grenzen halten. Platz nicht vor Stolz auf den kleinen großen Mann

martina
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  #15  
Alt 08.03.2007, 20:01
Sabitz Sabitz ist offline
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Standard AW: Die Zeit machts einfacher????????

Hallo Ulrike und alle anderen Lieben,
ich denke nicht, dass es egoistisch so zu denken, es gehört einfach zur Trauer mit dazu, dass man sich den geliebten Menschen zurückwünscht. Es gehört auch Mut dazu, sich dazu zu bekennen, da es sicher Menschen gibt, die das verurteilen. Ich meine damit, dass man sich den Menschen selbst in seinem schon sehr kranken Zustand zurückwünscht. Ich habe auch diese Gedanken und möchte meinem Vater einfach wieder die Hand halten, ihn trösten und beschützen. Bei mir kommt der Satz auch nicht so gut an, dass er ja nun keine Schmerzen mehr hat, wer weiß das schon? Ich weiß halt nur, dass mein Vater bis zuletzt, bei vollem Bewußtsein war und nicht bereit war zu gehen. Schmerzen hatte er kaum, aber Atemprobleme. Aber auch in diesem Zustand, war er nicht bereit um zu sterben!!! Dies gilt aber nur für meine Erfahrung im Sterbeprozeß und jede Erfahrung ist anders und individuell und sollte nicht pauschalisiert werden.
Ich wünsche Euch allen, die Kraft, die ihr braucht, um Eure Trauer individuell zu leben und zu bewältigen!
Schön, dass wir uns hier austauschen und stützen können.
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