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  #1  
Alt 28.11.2008, 01:04
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Tato Tato ist offline
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Standard Monate danach - ins Leben zurückfinden

Hallo zusammen,

ich war lange nicht mehr hier, doch mich quälen die Gedanken und ich habe die Hoffnung, dass es hier Menschen gibt, die mitfühlen können...

Meine Mutter ist vor etwa eineinhalb Jahren mit nur 53 Jahren an Darmkrebs verstorben. Unsere Familie wird stetig kleiner, denn zuvor sind schon meine beiden Tanten und meine Oma und mein Opa verstorben.
Kurz vor der Diagnose haben sich meine Eltern getrennt. Parallel zu dem ganzen Chaos befand ich mich in meiner zweiten Berufsfindungsphase.

Ich (zusammen mit meinem Freund) standen meiner Mutter als einzige aus der Familie in dieser schweren Phase bei.
Die letzten 5 Jahre befand ich mich quasi in einem Ausnahmezustand (Trennung meiner Eltern, Diagnose Krebs bei meiner Mutter, Mobbing, Berufsfindungsphase, Diagnose Krebs bei meinem Opa, Tod meines Opas, Tod meiner Mutter, Stress mit meinem Vater) und zog nebenbei sogar mein Studium durch.

Das zur Vorgeschichte...

Das Verhältnis zu meinem Vater hat sich in den letzten 3 Jahren verschlechtert. Es ist nun auf dem Tiefstand - tiefer geht es nicht. Er interessiert sich nicht, akzeptiert weder meinen Freund noch mich, er hintergeht mich, macht Versprechungen um sie dann doch nicht einzuhalten... Wenn wir reden, reden wir aneinander vorbei. Die Situation ist verfahren und im Moment nicht mehr zu retten. Er hat mich in den letzten Jahren nicht unterstützt, sondern nur für noch mehr Leid gesorgt.
Er hat mir vor ein paar Tagen quasi eine "Kündigung" geschrieben. Ich will keinen Kontakt mehr.

Nur... ich bin enttäuscht, wütend und traurig.
Ich habe - bis auf die Familie meines Freundes - keine eigene Familie mehr.

Die letzten 5 Jahre haben Spuren hinterlassen. Die damals junge Beziehung wurde gleich arg strapaziert. Das hat uns zwar zusammengeschweißt, aber wir haben auch darunter gelitten. Wir kennen das "normale" Leben quasi gar nicht.

Nun bin ich kurz vor Ende meines Studiums. Habe bisher alles sehr gut gemeistert und alle Prüfungen bestanden. Das Lernen viel mir schwer, aber es ging irgendwie (und führte zu guten Leistungen). Nun sitze ich an meiner Abschlussarbeit und kann nicht mehr. Ich mag einfach nicht mehr. Bin ausgelaugt, kann mich nicht konzentrieren, kann mich nicht motivieren, bin in Gedanken versunken...

Wie kann ich meinen Vater vergessen? Mir brummt der Kopf und ich werde meine Gefühle (Wut, Traurigkeit, Enttäuschung) nicht los.

Wie kann ich abschalten (von der Vergangenheit / Streit mit meinem Vater), um mich wenigstens für ein paar Stunden auf die Abschlussarbeit zu motivieren und konzentrieren?

Wie finde ich wieder zurück ins Leben? Ich war zwar nie "draußen", aber meine schlechte Laune kann ich inzwischen selbst nicht mehr ertragen...

Viele Grüße
Tato
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  #2  
Alt 28.11.2008, 11:41
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Anke LE Anke LE ist offline
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Standard AW: Monate danach - ins Leben zurückfinden

hallo tato,

ich kann im ansatz ahnen, wie dein seelischer zustand ist. kann dir aber - um einfach mit dir selbst ins reine zu kommen - nur empfehlen, dir professionelle hilfe zu suchen. geh ins www und such dir in deiner nähe jemanden, mit dem du gut kannst und der dir angenehm im umgang ist, fachlich gesehen. du musst nicht beim "ersten" kleben bleiben. du hast die ersten - bis zu 3 stunden glaub ich - zeit, zu testen ob du mit der jenigen person "kannst". das wird normal über die kasse abgerechnet. du brauchst lediglich einen überweisungsschein. es kann einige zeit dauern, bis du einen termin bekommst. mach es dringend, als akutphase. lass dir zeit, bis du sicher bist, gut aufgehoben zu sein. das reden mit "aussenstehenden" ist wichtig, weil andere sichtweisen aufgezeigt werden. somit kannst du bestimmt dinge in deinem leben durchaus wieder anders annehmen und sehen. ein versuch ist es wert. wie alt bist du eigentlich?

herzlichst

anke
__________________
Betroffener: mein Papa, geb. 21.11.1935
Diagnose erhalten am 5.5.07, Bauchspeicheldrüsenkrebs mit Metastasen in Leber und Bauchraum

eingeschlafen am 09.07.07. friedlich, still und leise
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  #3  
Alt 28.11.2008, 13:07
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Tato Tato ist offline
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Standard AW: Monate danach - ins Leben zurückfinden

Hallo Anke,

ich bin 25.
Bei einer Psychologin war ich damals schon. Anfangs hatte ich das Gefühl, dass es mir hilft mit jemanden zu reden. Ich kann mich sehr gut selbst (und meine Situation) analysieren. Mein Studium geht auch in die Richtung und ich hatte das Gefühl, dass die Psychologin im Grunde nichts mehr neues beitragen kann.
Ich habe die Sitzungen damals abgebrochen, weil ich kein gutes Gefühl mehr hatte.
Damals gab es auch ein gemeinsames Gespräch mit meinem Vater. Im nachhinein stellte sich heraus, dass die beiden darüberhinaus telefonischen Kontakt hatten, weil er an meinem Zustand interessiert war. Das hat mich doch sehr geschockt, denn ich weiß ja nicht, was sie alles gesagt hat. Auf jeden Fall hat sie ihm auch erzählt, dass ich abgebrochen habe. Er sieht es nicht, dass das wir das Problem miteinander haben... Er denkt, ich bin die, die "durchdreht".

Zwischen zwei Therapien muss ja eine bestimmte Zeit vergangen sein, daher konnte ich keine neue beginnen. Außerdem ist mein Vertrauen in Psychologen durch die bisherigen Erfahrungen nicht gerade groß.

Sicherlich vermisse ich meine Mama ganz doll und das lenkt mich auch häufig von der Arbeit ab. Aber meist bin ich "einfach nur so" in Gedanken, ohne an etwas konkretes zu denken.
Im Moment gehen mir allerdings ganz konkret die Worte aus einem Brief meines Vaters durch den Kopf. Die Wut und Enttäuschung werde ich quasi nicht los. Doch gerade in den nächsten paar Wochen braucht meine Diplomarbeit meine volle Aufmerksamkeit...
Wenn ich arbeiten oder mich anderweitig konzentrieren muss geht das eigentlich ganz gut.

Viele Grüße
Tato
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  #4  
Alt 28.11.2008, 14:27
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: Monate danach - ins Leben zurückfinden

Hallo Tato,

Zitat:
Zitat von Tato Beitrag anzeigen
Doch gerade in den nächsten paar Wochen braucht meine Diplomarbeit meine volle Aufmerksamkeit...
Wenn du mit dem Abgabetermin deiner Diplomarbeit in Schwierigkeiten kommst, handle bitte jetzt! Es gibt immer die Möglichkeit, diesen Termin zu verschieben. Informell wird das zwar kaum möglich sein, aber auf dem formal korrekten Weg kannst du das (zumindest war das zu meiner Zeit so, die allerdings schon 15 Jahre zurückliegt). Geh' zum Arzt und lass' dich krankschreiben, und dann stelle an der Uni einen Antrag auf Verlängerung der Abgabefrist. Für deine Zukunft wäre es fatal, wenn wegen der "privaten" Probleme dein Diplom flöten geht bzw. schlechter ausfällt, als es müßte.

Zur Psychotherapie: Ich bin da leider ziemlich erfahren und habe einige von diesen "Fachleuten" verschlissen. Das Wichtigste hast du schon selbst gemerkt: wenn du dich bei einem nicht wohl fühlst, brich die Behandlung ab. Leider ist die Suche nach dem Therapeuten schwierig. Wenn du trotzdem zu einem willst, ist es so, dass du bei jedem Psychotherapeuten, der eineKassenzulassung hast, 5 sog. "probatorische" Sitzungen a 50 Min. nehmen kannst, ohne dass es einer Genehmigung der Kasse bedarf. Diese Sitzungen (und wenn du 5 Termine bei 5 verschiedenen Therapeuten hast) zahlt die Kasse immer. Allerdings können die dir nach Genehmigung einer "richtigen" Therapie auf die genehmigten Stunden nachträglich angerechnet werden.

Es gibt aber seit wenigen Jahren noch eine andere Möglichkeit für den Notfall: Ein Psychotherapeut kann einen Termin mit dir einmal im Quartal als sog. "psychotherapeutisches Gespräch" abrechnen. Heisst: einmal alle 3 Monate kannst du so zu einem Therapeuten gehen, ohne o.g. probatorische Sitzungen in Anspruch zu nehmen und ohne dass eine Psychotherapie beantragt werden muss. Der Therapeut rechnet das direkt mit der Kasse ab, es gibt keine Nachfragen. Mache ich mit "meiner" Psychotherapeutin (die beste der Welt, zu der ich schon seit über 6 Jahren gehe) auch so. Damit ist wenigstens einTermin im Quartal kostenlos. Die anderen zahle ich seit langem selbst (hier: 55 EUR für 50 Min.), weil ich da von der Krankenkasse schon lange nix mehr genehmigt kriege.

Zu dem Thema, dass dich eigentlich beschäftigt: ich hadere seit ewigen Zeiten mit meinem Vater. Und habe irgendwann (mitlanger Psychotherapeuten-Hilfe) begriffen, dass er halt so ist, wie er ist. Und dass ich ihn niemals ändern werde. Und dass es auch nicht meine Aufgabe ist, ihn zu ändern. Vernunftmäßig weiss ich das und halte emotional so große Distanz wie möglich zu ihm, damit ich ruhig schlafen kann. Das geht aber nicht immer, und deshalb kann ich glaube ich nur zu gut verstehen, wie es dir mit deinem Vater geht. In Krisenzeiten halte ich meinen nicht aus und mache mir einen Kopf darüber, wie er ist und wie er handelt... obwohl ich genau weiss, dass an den jedes Gramm Hirnschmalz und jedes Gefühl völlig verschwendet ist.

Das weisst du bei deinem sicher auch, und trotzdem ist es schwer zu ertragen. Schließlich sind Eltern immer noch Eltern... und die infantile Erwartung, dass bei denen doch irgendwas an Gefühl, Anteilnahme, Ehrlichkeit da sein müßte, ist nur schwer abzuschütteln. Trotz aller gegenteiliger Erfahrungen.

Mein alter Herr hat mir gerade gestern wieder den Glauben daran, dass er ein Mensch ist, zunichte gemacht. Weil er nach der kurzen Frage, wie es meiner Frau geht (schlecht, wieder im Krankenhaus, sie wird in absehbarer Zeit sterben) - auf deren Antwort er völlig emotionslos reagiert hat - sofort zum Thema Testament überging. Er wollte wissen, wie wir das geregelt hätten. Sage ich, Berliner Testament: wenn einer stirbt, kriegt der Überlebende alles. Er: ja, aber wenn du danach stirbst. Ich: nichts, dann muss ich wohl ein neues Testament für mich machen. Bis dahin hatte ich gar nicht kapiert, worauf er hinaus wollte. Was er mir dann gesagt hat: er wünscht, dass, wenn meine Frau tot ist, ich doch bitte ein Testament machen soll, dass meinen Nachlass ihm bzw. meiner Schwester vermacht. Denn die normale Erbfolge, dass die Mutter und Schwester meiner Frau die Hälfte kriegen, ginge ja wohl nicht an, schließlich hätte er uns immer so großzügig finanziell unterstützt. Also müsse das dann doch bitte an ihn bzw. seine Tochter "zurück fließen".

Finanziell unterstützt hat er uns immer, kein Zweifel. Aber dass er in so einer Situation als erstes an Geld und Erbschaft denkt, dass hat mich (obwohl ich ihn so langsam kennen müßte) völlig runtergezogen. Seine Schwiegertochter stirbt gerade an Krebs, langsam und qualvoll. Das interessiert ihn nicht. Ihn interessiert auch nicht, wie sein Sohn damt umgeht. Ihn interessiert nur eines: Geld. Er will halt das, was er in der Vergangenheit "ausgelegt" hat, beizeiten wieder zurück bekommen.

Kann man das verstehen? Nein, ich kann das nicht. Ich kann das so wenig verstehen wie du das Verhalten deines Vaters in den letzten Jahren nicht verstehen kannst. Nach dem Telefonat gestern abend habe ich mich hingesetzt und ausgiebig geheult. Aus (genau wie bei dir) Wut, Traurigkeit und Enttäuschung. Und Fassungslosigkeit darüber, wie Menschen so sein können.

Egal, um meinen Vater geht es nicht, sondern um deinen. Und da würde ich dir gerne sagen: vergiss' ihn, er ist es nicht wert, dass du dich wegen ihm seelisch verschleisst. Lass' das nicht zu, sondern konzentriere dich auf das, was für dich wichtig ist. Aber ich weiss, dass das kaum möglich ist. Du wirst irgendwie mit diesem A*schloch leben müssen. Und versuchen müssen, daraus selbst irgendwie möglichst unbeschadet rauszukommen :-(

Ich wünsche dir viel Kraft dafür, dass dir das gelingt!

Viele Grüße,
Stefan
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  #5  
Alt 28.11.2008, 15:00
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Tato Tato ist offline
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Standard AW: Monate danach - ins Leben zurückfinden

Hallo Stefan,

ich kann meine Diplomarbeit ohne ärztliche Bescheinigung um insg. 6 Wochen verlängern. Das dürfte ausreichen, wenn ich jetzt langsam anfange zu handeln. Ich hab natürlich schon einiges geschrieben und es fehlt nicht mehr viel, aber ich brauche für Kleinigkeiten eine Ewigkeit... Zudem ist meine Motivation bei Null, obwohl mich das Thema im Grunde interessiert.

Mein Vater denkt auch sehr materiell - daher kenne ich das sehr gut. Er hat mir in dem Brief "gekündigt" - nach dem Motto "mach was du willst, nimm dein Leben in die Hand, meine finanzielle Unterstützung endet".
Ich weiß nicht, was die nächsten Monate finanziell bringen (vor ein paar Monaten hätte er mir sogar noch einen Aufbaustudiengang finanziert... er bricht also seine Versprechen), daher kann ich keine Therapie aus eigener Tasche zahlen. Danke für die Tipps mit den Sitzungen, aber ich fürchte, dass die Anstrengungen mit der Therapeutensuche mich nur noch mehr ablenken. Zudem weiß ich auch gar nicht, ob ich überhaupt eine Therapie will. Ich möchte nichts aufarbeiten, ich möchte abschalten können. Vielleicht ist da eher ein Yoga-Kurs o.ä. angebracht...

Zitat:
Zitat von Stefans
Und da würde ich dir gerne sagen: vergiss' ihn, er ist es nicht wert, dass du dich wegen ihm seelisch verschleisst. Lass' das nicht zu, sondern konzentriere dich auf das, was für dich wichtig ist.
Genau das ist mein Problem. Ich weiß, dass er es nicht Wert ist und will ihn vergessen... aber es regt mich noch auf. Die "Kündigung" der finanziellen Unterstützung hat auch noch ganz praktische Konsequenzen für mich...

So, ich werde mich jetzt überwinden und etwas für die Uni machen.

Viee Grüße
Tato
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