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Alt 08.12.2013, 11:32
Scania143 Scania143 ist offline
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Standard AW: Schweizer Uhrwerk

Weihnachten steht vor der Tür und in einer stillen Minute, die in der ach so ruhigen besinnlichen Adventszeit kaum noch zu finden ist, auch einmal die vorherigen Jahre Revue passieren zu lassen.

Wie geht es euch an Weihnachten?
Wollt und könnt ihr Weihnachten zu Hause verbringen oder seid ihr irgendwo fern der Heimat unterwegs?

Folgendes Erlebnis hatte ich vor vielen Jahren und hat mir sehr deutlich gezeigt wie wichtig mir diese Tage gemeinsam mit der Familie sind.

Wie einige wissen habe ich in sehr jungen Jahren, ich war gerade mal 20, meinen damaligen Freund und heutigen Mann auf seinen Touren nach Spanien und Portugal begleitet.

So auch kurz vor Weihnachten 1985.
Heilig Abend fiel in diesem Jahr auf einen Dienstag.

In der Woche vor Weihnachten hatten wir noch eine Tour nach Lissabon. Die alten Hasen wissen was das bedeutete. Man(n) wusste einfach nicht wie lange die Zollabfertigung dauern würde. Da wir sehr oft Fleisch da runter gekutscht haben war es keine Seltenheit 3 oder 4 Tage im Zollhof zu verbringen.
Und wieso sollte es auch in der Woche vor Weihnachten anders laufen als das restlich Jahr über.

Mittwoch Nachmittag, endlich durften wir zum Entladen fahren.
Doch wie konnte es anders sein, beim Kunden hieß es abladen morgen.
Na wenigstens die Rückladung für Deutschland hatten wir schon und wussten das in Vigo (Spanien) tiefgefrorener Calamar auf uns wartete.
Donnerstag dann fix die Ware runter, aber unser Ladetermin für diesen Tag war nicht mehr zu schaffen.
Ich wurde langsam nervös ob wir das wohl noch bis Heilig Abend nach Hause schaffen würden. Wenn wir schon geladen hätten wäre das kein Problem, da gab es sowieso kein Halten mehr, aber noch stand die Ware im Kühlhaus. Und es kam natürlich wie es kommen musste.
Zuerst wurde uns klar gemacht das wir in Deutschland zwei Abladestellen hätten, die eine in Saarlouis, die andere in Frankfurt am Main. Also war schon mal klar das wir nicht an unserem Wohnort vorbei gekommen wären. Dann für mich schon langsam die Katastrophe. Wir waren am Freitag erst so spät beladen das es für die Zollformalitäten nicht mehr gerreicht hat.
Zum Glück ist Vigo eine Hafenstadt und so konnten wir doch wenigstens unsere Papiere am Samstag vervollständigen.

Für diesen Abend hatten wir im Hafen dann noch eine tolle Begegnung, die mir sehr stark in Erinnerung geblieben ist.
Auf dem Rückweg vom Essen zu unserem LKW wurden unsere Aufmerksamkeit auf ein Schiff gelenkt bei dem die Besatzung gerade dabei war eine kleinere Yacht auf Deck zu hiefen. Interesssiert schauten wir dem Geschehen zu und unterhielten uns darüber.
Plötzlich sprach uns jemand von der Besatzung, der das ganze vom Kai aus unter Kontrolle hielt auf Deutsch an.
Er hat uns anscheinend sprechen gehört und war etwas perplex in Vigo seine Muttersprache zu hören.
Erst jetzt bemerkten wir, dass das Schiff unter Deutscher Flagge fuhr und auch ihr Name "Erika Naber" klang doch recht deutsch.
Wir kamen mit den Matrosen ins Gespräch und erfuhren, dass das Schiff auf einer Reise von Israel nach Hamburg war und hier in Vigo noch diese Yacht zuladen musste.
Schlagartig wurde mir bewusst, dass diese Seeleute Weihnachten mit Sicherheit nicht zu Hause sein würden, was für mich aber nur ein kleiner Trost war.
Dann das absolute Highlight für mich an diesem Abend. Wir wurden von der Besatzung eingeladen an Bord zu kommen und uns das Schiff genauer zu betrachten. Ich hab gestaunt wie ein kleines Kind als ich den Maschinenraum erblickte. Der Motor zum Anlassen des eigentlichen Schiffmotors war so groß wie unser Diesel draussen im Truck und um die Kurbelwelle konnte man drum rum laufen. Einfach irre.
Kurz bevor das Schiff auslief haben wir uns von der Besatzung wie von alten Bekannten verabschiedet.

Am Samstag hieß es dann auch für uns, Reise Richtung Deutschland.
Montag wollten wir früh genug in Saarlouis sein um eventuell unsere Chancen auf Weihnachten zu Hause bestmöglichst auszunutzen. Eigentlich kein Problem wenn, ja wenn da nicht der Wettergott etwas dagegen gehabt hätte.
Am Sonntag, mitten in Frankreich, Blitzeis. Da half nichts ausser stehenbleiben, denn unsere Gesundheit geht und ging auch damals schon vor. Also war wieder ein halber Tag weg. Irgend jemand schien uns nicht zu Gönnen das wir unseren Wunsch erfüllt bekamen.
Wir kamen also erst am Montagmittag in Saarlouis an. Doch wenigstens jetzt klappte alles wie am Schnürchen, oder doch nicht?
Die Ware für Saarlouis stand auf dem Anhänger, die für Frankfurt auf der Maschine, dachten wir wenigstens. Aber Irrtum.
Ein Teil der Ladung auf dem Hänger war noch für Frankfurt. Da in Saarlouis aber nur der Hänger verzollt wurde mussten wir nochmals zurück zum Zoll um den Hänger bis Frankfurt erneut zu verschließen. Wieder verlorene Zeit, und wieder hieß es erst Morgen.
Morgen war aber Dienstag, also Heiliger Abend. Schöner M......!
Meine Laune, und jetzt auch die meines Mannes, war auf dem absoluten Nullpunkt, doch es half nichts, da mussten wir durch.
Am Dienstag hatten dann doch wenigstens die Zöllner die Arbeitswut und ratzfatz waren wir auf dem Weg nach Frankfurt.
Um nicht auch noch Stunden mit Suchen zu verlieren wurde kurzerhand ein Taxi angeheuert welches uns Problemlos an die richtige Adresse brachte. Erneut Papiere erledigen und dann abladen.
Jetzt gab es für uns eine gute und eine schlechte Nachricht.
Die gute war, unser Kunde und seine Mitarbeiter waren allesamt Türken und folglich Moslems. Die interessierte also nicht ob Heiliger Abend war sondern waren bereit uns noch zu entladen.
Die Schlechte, nun der Betrieb war nicht im Besitz eines Staplers und so musste Päckchen für Päckchen von Hand entladen werden.
Tatkräftig packten mein Mann und ich mit an, denn in der Zwischenzeit zeigten die die Zeiger 15:00 Uhr an. Also keine Zeit mehr zu verlieren wenn wir noch irgendwie vor den Feiertagen zu Hause sein wollten. Um kurz nach 18:00 Uhr endlich geschafft. Der komplette Zug war entladen. Aber nun hatten wir noch gute 300 km bis nach Hause.
Die Familie saß jetzt bestimmt schon beim Abendessen und anschließender Bescherung.
Also Heilg Abend fiel für uns ins Wasser. Aber es gab ja auch noch einen ersten und zweiten Feiertag.
Also rasch die Türen schließen und dann gab es kein Halten mehr.
Nein stimmt nicht ganz, an der Raststätte Hardwald gab es noch einen Kaffee weil wir beide doch recht fertig waren.
Der LKW wurde bis zum Anschlag durchgetreten. Zum Glück waren die Autos damals noch nicht begrenzt und so flogen wir förmlich über die A5 nach Hause.
Kurz vor 21:30 Uhr sind wir mit fliegenden Fahnen direkt mit dem LKW bei meinen Eltern auf den Hof gefahren.
Ich kann gar nicht beschreiben was das für ein Gefühl war sich doch noch unter den weihnachlich geschmückten Baum zu setzen. Und meine Mutter hatte, in der Hoffnung dass es uns noch gelingen würde zu kommen, auch noch etwas vom Abendessen aufgehoben.

Man sieht mal wieder, Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ende gut, Alles gut

Erinnerungen sind das einzige was bleibt, aber ich bin froh, dass ich diese Erinnerungen haben darf.

Schatz du fehlst von Tag zu Tag mehr.
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