Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Angehörige

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 26.02.2013, 16:11
Carora Carora ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 26.11.2012
Ort: Bayern
Beiträge: 9
Unglücklich AW: Schuldgefühle, noch so viele Pläne... er leugnet Krebs, lässt sich nicht behandel

Hallo ihr Lieben Mitfühlenden,


danke für die einfühlsamen und ehrlichen Zeilen. Ich habe still mitgelesen, auch im Forum viele Schicksale mitverfolgt, aber habe erst jetzt den Mut selbst wieder zu schreiben.

Wie ging es weiter?

Der Opa meines Freundes, er heißt übrigens Andrej, hat nach und nach doch nochmal gesagt, dass er gerne zur Kontrolle irgendwann nochmal zum Arzt gehen würde. Sein Gedanke: "Wenn es Krebs ist, dann muss es gewachsen sein. Wenn nicht, dann haben sich die Ärzte geirrt." (Vor etlichen Jahrzehnten hatte er schonmal einen Fleck in der Lunge, der nach 3 Monaten wieder verschwunden ist - vielleicht hat er deshalb Zweifel gehabt?)
Nach langem Zögern bat er uns, in weiter ferne einen Arzttermin auszumachen und der Arzttermin war letzte Woche Freitag.
Ein kurzes Röntgenbild, dann hat der Arzt die Bilder nebeneinander gehängt: ein Bild von 2008 (ohne Befund), ein Bild von 08/2012, eins von 10/2012 und das neu entstandene Bild (also 02/13). Die Größe des Tumors hat sich in etwa verdoppelt...

Da stand für ihn fest, dass er sofort, so schnell wie möglich, eine Bestrahlung möchte. Er ist seitdem aber sehr traurig, zurückgezogen, scheint wohl jetzt erst den Krebs realisiert zu haben - und es trat damit leider auch genau das ein, was ich befürchtet hab: dass er tatsächlich kämpfen will und vermutlich immer schon kämpfen wollte, es aber vorher einfach nicht wahrhaben wollte und dadurch 3-4 wertvolle Monate verloren hat.
Seine kämpferische, fest entschlossene Reaktion hat ja gezeigt, dass er sich vom Krebs nicht kleinkriegen lassen will!
Seit zwei Tagen hat er auch noch Blut gehustet, er fühlt sich seit dem Röntgenbild wieder schwach und kraftlos, wollte nichtmal zum Geburtstag seiner Urenkelin (sie ist 6 Jahre alt geworden), weil er fragt, was er denn dort lachen soll.
Aber er will kämpfen und hat diese Woche am Freitag sein CT und weitere Untersuchungen, um dann mit der Bestrahlung anfangen zu können.

Mich macht es so traurig, dass die 3-4 Monate (viele bemerken den Lungenkrebs ja erst, wenn sie tatsächlich schon Blut husten), in der die Diagnose schon da war, ungenutzt blieben - undzwar nicht, weil er keine Behandlung wollte, sondern weil er es (so vermute ich) schlichtweg nicht realisiert hat und er deshalb so getan hat, als hätte es die Diagnose nie gegeben.
Ich stelle mir deshalb viele Fragen, aber mein Verstand weiß, dass all diese Vorwürfe unbegründet sind. Hätten wir ihm den Krebs vielleicht anders erklären sollen? Hätten wir einen russischen Arzt konsultieren sollen, damit ihm in seiner Muttersprache das Röntgenbild erklärt wird? Weil er deutschen Ärzten vielleicht nicht so sehr traut? Oder oder oder?
Aber das alles ändert jetzt nichts mehr, jetzt ist es nunmal so wie es ist und ich bin froh, dass er kämpfen möchte und seinen Mut nicht verliert.

Wenn mein Freund und ich zu Besuch sind, dann kommt innerhalb von 5-10 Minuten solch ein Leben und Lachen in sein Gesicht... da fühlt er sich dann plötzlich auf fit und gar nicht mehr krank. WIr sollten ihn viel öfter besuchen....
Letztes mal hat er mir sogar ein Lied gesungen. Ich möchte die Zeit, die ihm jetzt noch bleibt, so gut wie möglich nutzen und hoffe jetzt einfach, dass die Therapie (erstmal Bestrahlung, danach evtl. noch palliative Chemo) ihn nicht leiden lässt, sondern ihm ein kleines wenig zusätzliche Lebenszeit schenkt, die aber unbedingt mit genügend Lebensqualität einhergehen muss - sonst wird die Bestrahlung abgebrochen. Wir wollen, dass es ihm gut geht und er sein Leben genießen kann.
(Ich belege jetzt übrigens einen Russischkurs und hoffe, dass ich ihm bald erste Briefe schreiben kann. Er ist leider schwerhörig und meine Aussprache ist so schlecht, dass er mich selbst auf russisch nicht versteht und andere Sprachen spricht er ja leider nicht. Mein Freund musste immer übersetzen...)


Es tut gut, das einfach niederschreiben zu dürfen. Nächste Woche habe ich - wie sollte es anders sein - noch dazu mein 1. Staatsexamen in der Uni und eigentlich ist mein Kopf so gar nicht in der Lage zu lernen. :-( Andererseits möchte ich schließlich mal eine gute Apothekerin werden (ich studiere Pharmazie) und je mehr ich lerne, desto eher kann ich Andrej auch helfen - sei es bei der Schmerztherapie oder oder oder.


Danke für eure offenen Ohren. Ich hoffe, dass in eurem Leben momentan ein wenig mehr die Sonne scheint?


Carora
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 23.12.2013, 15:07
Carora Carora ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 26.11.2012
Ort: Bayern
Beiträge: 9
Standard AW: Schuldgefühle, noch so viele Pläne... er leugnet Krebs, lässt sich nicht behandel

Hallo ihr Lieben,


seit mehr als einem Jahr habe ich mich nicht mehr blicken lassen, war aber immer stille Mitleserin.... Obwohl mich viele nicht kennen, deshalb also trotzdem ein kleines Update:

Der Opa meines Freundes lebt immer noch! Er ist ein wahrer Kämpfer, ich kann kaum fassen, wo er all die Kraft und Lebensenergie hernimmt. Natürlich wird er zunehmend schwächer, leidet stark unter der Krankheit und wiegt wohl nur noch 40kg, aber er ist so uuuunendlich tapfer.
Schmerzen hat er keine, seit einem Jahr war er nicht mehr beim Arzt, weil die ihm ohnehin nicht helfen können, wie er sagt.

Vielleicht macht das dem ein oder anderen Mut, denn die Ärzte sprachen ja wegen seinem schlechten Allgemeinzustand nur von Monaten und nun ist die Diagnose schon 1,5 Jahre her und er lacht noch immer.


Wir genießen einfach jeden Besuch bei ihm und hoffen das Beste.

Herzlich,

Carora
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 02.01.2014, 00:22
Jacqui1979 Jacqui1979 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 13.12.2013
Beiträge: 23
Standard AW: Schuldgefühle, noch so viele Pläne... er leugnet Krebs, lässt sich nicht behandel

Wie geht es OPA?Kaempft er weiter?Wenn ja, was macht die Hochzeit und derKinderwunsch? Du wolltest doch,dass er es noch mitbekommt.Liebe Gruesse
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 04.01.2014, 10:52
Carora Carora ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 26.11.2012
Ort: Bayern
Beiträge: 9
Unglücklich AW: Schuldgefühle, noch so viele Pläne... er leugnet Krebs, lässt sich nicht behandel

Guten Morgen,


hinter uns liegen ein paar angstvolle Tage. Der Opa hatte leider eine schwere Lungenentzündung und musste an Weihnachten mit akuter Atemnot ins Krankenhaus geliefert werden. Er sagte schon, dass er an diesem Tag sterben wird.... Aber er ist ein soooo zäher Knochen!!
Die Lungenentzündung hat er besiegt, er hat endlich wieder mehr Kraft, allerdings ist der Tumor größer geworden.
Er denkt jetzt über eine palliative Chemo nach. Mal sehen, wie er sich entscheidet, momentan ist er jedenfalls ein ganz ganz mutiger und starker Kämpfer!!

Aus Hochzeit und Kinderwunsch wird hingegen erstmal nichts.... Wir hatten eine große Beziehungskrise, aus der wir zwar gestärkt hervorgegangen sind, aber seitdem ist das Thema erstmal auf Eis. Und Kinderwunsch wird bei mir leider auch mal sehr sehr schwierig, ich hab eine Erkrankung diagnostiziert bekommen, mit der ich wohl nur schwer schwanger werde. :-(

Ganz liebe Grüße, es tut wirklich gut, das niederschreiben zu dürfen. Danke!

Carora
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 04.01.2014, 15:34
hermannJohann hermannJohann ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 26.11.2013
Beiträge: 203
Standard AW: Schuldgefühle, noch so viele Pläne... er leugnet Krebs, lässt sich nicht behandel

Hallo Carora,
da meine verstorbene Frau Russin war, weiß ich, dass man dort mit der Krankheit anders umgeht. Die Diagnose wurde gestellt, als sie drüben war.Die Ärzte sagten nicht ihr, sondern ihrer Tochter, dass sie nur noch wenige Monate hat. Dann kam meine Frau zurück nach Deutschland und die Ärzte hier sagten ihr, dass die Krankheit nicht heilbar sei.Sie hat dann noch 14 Monate gelebt, aber die letzten sechs Monate waren ziemlich schlecht. Die zweite und die dritte Chemo_Therapie hatten zwar viele Nebenwirkungen, waren aber nicht erfolgreich. Das wußten wir aber vorher nicht.
Ich wünsche Dir, dass bei dem Opa Deines Lebensgefährten die Therapie besser anschlägt.
mit besten Grüßen
Hermann
Mit Zitat antworten
  #6  
Alt 19.01.2014, 21:59
Jacqui1979 Jacqui1979 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 13.12.2013
Beiträge: 23
Standard AW: Schuldgefühle, noch so viele Pläne... er leugnet Krebs, lässt sich nicht behandel

Carora, dein Freund und seine ganze Familie in Spee,können sich so glücklich schätzen Dich zu haben,Du scheinst ein so gutes und mitfühlendes Herz zu haben !Der Opa,ja das scheint ein richtiger
zäher Kämpfer zu sein....prima, dass er noch ordentlich Jahre ansammelt. Das macht mir Mut für meine Mama! Alles Liebe der Weltund schreib wieder!
Mit Zitat antworten
  #7  
Alt 27.05.2014, 14:24
Carora Carora ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 26.11.2012
Ort: Bayern
Beiträge: 9
Ausrufezeichen Für immer eingeschlafen...

Ihr Lieben,
Liebe Jacqui1979,
Lieber hermannJohann,

vielen vielen Dank für eure lieben Worte. Daran, dass ich so lange nicht geschrieben habe, konnte man zweierlei Dinge erkennen: es gab nicht viel neues, es ging schleichend bergab. Vor einem Monat musste der Opa plötzlich mit akuter Atemnot ins Klinikum, er wurde auf die Intensiv verlegt, dann sehr schnell auf die Palliativstation. Es hieß, er würde sterben, aber dem war nicht so - im Gegenteil, er hat nochmal Kraft geschöpft, hat sogar wieder gegessen und getrunken (zuvor hat er einige Tage gar nichts mehr gegessen) und konnte wieder nach Hause.

Letzte Woche dann, es ist genau 7 Tage her, ist der Opa meines Freundes zusammengebrochen und kam wieder ins Krankenhaus. Die Ärzte sprachen Klartext: man kann seinen Kreislauf irgendwie stabilisieren, aber es wäre nur ein Verlängern um Stunden. Die Oma, die Mutter und mein Freund haben sich einstimmig dagegen entschieden und er hatte dann Morphium, wurde beatmet, aber sein Blutdruck wurde eben mit jeder Stunde schwächer, sein Puls peripher irgendwann nicht einmal mehr messbar.
Alle Angehörigen hatten noch einmal die Gelegenheit sich zu verabschieden, sogar seine Urenkel waren nochmal da und er hat sogar noch reagiert, man konnte es am Blutdruck erkennen, als man mit ihm geredet hat, ihm einen Kuss gegeben hat und man Abschied genommen hat. Sogar ein Lächeln hat er noch versucht.
Noch am Abend ist er dann sehr sehr friedlich eingeschlafen, ohne Leiden, ohne Atemnot, ohne Schmerz.

Auf seinem Gesicht blieb ein erlöster, man mag fast sagen glücklicher Gesichtsausdruck zurück.

Der Schmerz ist groß, es bleibt eine Lücke - aber wir sind froh, dass sein letzter Wunsch erfüllt wurde, denn einige Tage zuvor sagte er, wie unendlich groß seine Furcht ist zu ersticken. Er hatte so große Angst vor dem "Akt des Sterbens", nicht vor dem tot Sein an sich, denn dazu sagte er: "dann sehe ich meine Mutter endlich wieder."
Auch sagte er, dass es keinen Wunsch gibt, den er sich im Leben nicht erfüllen konnte. Es war also "nur" die Furcht vor einem qualvollen Ende, die ihn so lange am Leben hielt, und wir sind alle wahnsinnig froh und unendlich dankbar, dass ihm das erspart blieb und er einen so würdevollen Tod hatte, ein so "sanftes" Einschlafen.

Wir sind dankbar für die Zeit, die wir mit ihm hatten, die vielen glücklichen Momente und er lebt in unserer Erinnerung weiter.


Herzliche Grüße,

Carora
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen

Stichworte
hilflosigkeit, schuldgefühle, trauer


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 21:48 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55