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  #1  
Alt 13.01.2016, 14:40
tinep tinep ist offline
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Registriert seit: 22.10.2013
Beiträge: 34
Standard AW: Unbegreiflich

Lilie, es tut mir Leid, dass dein Vater sterben musste. Das Leben ist nicht fair.

Meine Mutter ist nun auch verstorben, am 11.01.2016.
Sie kam kurz nach Weihnachten ins Krankenhaus, aber die Ärzte meinten man kann zwar nichts mehr machen aber sie wird wohl noch einige Wochen unter uns sein. Das wollte sie nicht. Sie wollte sterben. Nicht abhängig sein von Pflegern. In so einem scheiß Pflegebett liegen. Ich glaube sie hat den Prozess selbst beschleunigt. 5 Tage nach dem Arztgespräch ist sie eingeschlafen.

Ich war dabei und fand es leider schrecklich. Wir stürmten ins Krankenhaus nachdem sie angerufen hatten, dass es zu Ende geht. Jetzt habe ich dieses grausame Bild im Kopf von den letzten Minuten nachts um halb 5. Innerhalb ganz weniger Stunden in denen wir nicht im Krankenhaus waren ist sie total zusammengefallen, das war nicht mehr meine Mama. 4 Stunden vorher sah sie noch ganz normal aus. Ich wünschte ich hätte das verpasst. Hätte ihr normales Aussehen als letzte Erinnerung.

Ich wollte unbedingt, dass sie nicht alleine sterben muss. Jetzt denke ich sie wollte alleine sterben. Die letzten Tage wollte sie hauptsächlich in Ruhe gelassen werden. Das schlimmste für sie war, dass sie uns verlassen muss und unsere Anwesenheit hat ihr weh getan. Sie wollte doch so gern bei uns bleiben.
Konnte nicht loslassen solange wir immer wieder um sie rumgelaufen sind, noch ein Bussi, noch ein "ich liebe dich."

Vor einigen Wochen habe ich hier noch geschrieben, dass ich total abgestumpft bin. Es mehr oder weniger akzeptiert habe. Das hat sich jetzt wieder gewandelt. Ich finde es nun wieder unendlich unfair. Es ist mir auch kein Trost, dass sie am Ende sterben wollte und ihr Leid nun vorbei ist. Schließlich war das nur so, weil es ihr schrecklich schlecht ging. Eigentlich hätte sie natürlich gerne gelebt. Sie wollte leben. Der Verfall hat sie fertig gemacht. Vor 3 Wochen sagte sie zu mir "Wieso geht das nun plötzlich so schnell"

Mein Vater ist nun alleine, unser Mittelpunkt weg. Ich wohne weit weg, in Berlin. Meine Schwester hat keine Familie gegründet. Es waren eigentlich nur wir 4...Er muss jetzt in diesem Haus leben. Meine Mama war seine große Liebe, sie haben 24 Stunden am Tag miteinander verbracht. Mein Vater meinte, er und seine Frau sind wie eine Person. Die beiden haben nach 46 Jahren Ehe noch gekuschelt wie frisch Verliebte.

Nun wo die Sorge um das Leiden meiner Mama weg ist, geht die Sorge um das Leiden meines Vaters los. Ich zerbreche mir den Kopf was ich tun kann um ihm zu helfen, aber ich kann nicht meine Mutter ersetzen und ich kann auch nicht einfach wieder hier herziehen. Wie hält man das aus...
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  #2  
Alt 13.01.2016, 23:26
Lilie1987 Lilie1987 ist offline
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Beiträge: 8
Standard AW: Unbegreiflich

Liebe tinep,
es war sicherlich schrecklich die letzten Stunden miterleben zu müssen. Was hatte sie denn und wie alt war sie? Auch ich hatte Angst vor der Situation..wo man ums Bett sitzt und wartet..bis die Person endlich gehen kann. Ich bin mir sicher deine Mutter hätte gewartet bis du das Zimmer verlässt, wenn sie wirklich alleine gehen wollte.

Mein Vater hat es da uns sehr einfach gemacht, er ist ohne uns friedlich während dem schlafen gegangen. Ich bin mir auch sicher, dass er alleine gehen wollte. Wir waren letzten Dienstag zur Besprechung einer Chemotherapie in der Klinik. Die sagte aber, er müsse erst aufgebaut werden und das Wasser muss aus ihm raus - also stationäre Aufnahme. Mein Vater wollte erst gar nicht bleiben, ich und meine Mutter haben ihn überredet (war wohl auch nicht so gut von uns, aber wir dachten ja er bekäme dann wieder besser Luft). Paar Stunden später war er tot, für jeden absolut unerwartet. Wahrscheinlich wusste nur er es, deswegen wollte er nochmal vorher zwei Eis von mir gebracht haben, obwohl er Probleme mit dem Appetit hatte . Ich weiß nicht was besser(schlimmer?) ist, so plötzlich oder doch eher bewusst.

Meine Eltern waren ebenfalls 40 Jahre verheiratet, sehr isoliert, viel zu Hause. Ich mache mir schon immer Sorgen um die beiden wegen der Isolation. Ich hatte dann einfach mal mit meiner Mutter drüber gesprochen. Sie sagte, dass ich mir da keine Sorgen machen muss. Und ganz ehrlich, jeder ist für sich selbst verantwortlich, auch wenns die Eltern sind (hat mir meine Therapeutin verraten). Was nicht heißt, dass man sich nicht um sie kümmern muss! Hast du Kinder? Würdest du dir wünschen, dass sie sich so um dich Sorgen oder sie ihr Leben so umstellen damit du glücklich bist? Oder Herrmann, wie empfindest du das?

Natürlich wird es für deinen Papa schwer, da muss jetzt jeder erstmal selbst durch. Ich bin momentan jeden Tag bei meiner Mutter und wir sind sehr tapfer. Wir wohnen auf einem Dorf und es kamen letzte Woche so viele Menschen zu meiner Mutter die gesagt haben, dass sie für sie da wären, das hätte ich gar nicht gedacht. Sie muss die Hilfe nur annehmen, dazu werde ich sie ermuntern. Du kannst nicht dein Leben für deinen Vater "aufgeben", das will er bestimmt nicht. Ich hoffe das kommt jetzt nicht zu bösartig rüber...ich kann mich nur schlecht ausdrücken.

Bei uns gibt es einige Ehepaare, wo ein Partner früher verstorben ist, zB bei meinen Omas. Die schaffen es ja auch irgendwie?
Es gibt auch tolle Busreisen für ich sag mal Ältere. Das hab ich meiner Mutter gezeigt und sie war sogar begeistert.

Ich lese hier ganz oft unfair, so hab ich das komischerweise noch nie empfunden. Natürlich hätte ich meinem Vater noch viele schöne Jahre gewünscht, dass er Opa wird, mit meiner Mutter alt wird, noch hundert Katzen pflegt und vieles mehr
Es geht nun mal nicht nach der Reihe und wir müssen nehmen was wir bekommen
Unfair finde ich es, wenn ich Kinder in der Krebsklinik sehe. Da fang ich sofort an zu weinen..

Sorry ich hab viel geschrieben.
Herrmann wie lange ist es denn bei dir her?
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  #3  
Alt 14.01.2016, 16:27
Musica Musica ist offline
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Beiträge: 3
Standard AW: Unbegreiflich

Hallo ihr Lieben!
Ich muss mich leider auch hier einreihen, da meine Mutter (65.J.) am 21.12.2015 an Magenkrebs verstorben ist. Ab der Diagnose im März ging es ihr jeden Tag schlechter bis wir sie Ende November in Hospiz bringen mussten (was die beste Entscheidung war!!!). Die letzten Tage waren schrecklich für uns alle. Von friedvollem Einschlafen keine Spur.

Aber ich denke, wenn man als Angehöriger so etwas miterlebt hat, kann man sich leichter verabschieden. Uns geht es jedenfalls so. Auch mein Vater hat eigentlich schon wieder begonnen nach vorne zu schauen. Natürlich ist da tiefe Trauer aber es werden schon wieder Pläne gemacht und ich finde das ist ein gutes Zeichen. Er hat meine Mama zuhause gepflegt und ab Anfang der Krankheit die ganze Hausarbeit übernommen, ich habe für die beiden gekocht, was bei einem Magenkrebspatienten eine echte Herausforderung ist! Wir haben immer gewusst, dass "das Schlimmste" eintreten wird, die Frage war nur wann. Als es passiert war gab es nichts mehr, wovor man sich noch fürchten musste.
Jetzt ist mein Papa ganz auf sich alleine gestellt (ist auch alleine im Haus) und macht alles selber - und ich denke er will das auch so. Er weiß, dass wir ihm jederzeit helfen wenn es nötig ist. Ich habe selber schon große Kinder und möchte auf gar keine Fall, dass sie ihr Leben für mich umkrempeln würden . Wenn es einen wirklich nicht gut geht, sollte man das seinen Lieben auch sagen, damit die dann reagieren können.
Liebe Grüße
Musica
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  #4  
Alt 17.01.2016, 11:10
Lilie1987 Lilie1987 ist offline
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Standard AW: Unbegreiflich

Hallo Musica,
auch deine Mutter ist zu früh gegangen..ich wünsche eurer Familie viel Kraft.

Als es passiert war gab es nichts mehr, wovor man sich noch fürchten musste. <-- Das hast du schön geschrieben. Ich bin auch etwas ruhiger ohne die tägliche Sorge, wie es ihm geht, wie lang hat er noch usw.

Danke, dass du meine Theorie unterstützt
Wie alt bist du denn wenn du schon große Kinder hast?
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  #5  
Alt 17.01.2016, 19:40
Musica Musica ist offline
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Beiträge: 3
Standard AW: Unbegreiflich

Hallo Lilie!
Danke für deine Wünsche. Ja, ich unterstütze deine Theorie, aber schauen wir mal was da noch kommt. Es ist ja alles noch ziemlich frisch.
Ich bin übrigens 47 und meine Kinder sind 19 und 22 Jahre alt. Groß genug also um das Ganze zu verstehen.

Den Nachmittag habe ich heute damit verbracht, die ganzen Dokumente zusammenzusuchen und zu kopieren, die man für den Notar braucht. Phuu - das ist ja gar nicht ohne, was da alles zusammenkommt. Hat man ja nicht gerade viel Erfahrung damit, nicht war?
LG Musica
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  #6  
Alt 04.03.2016, 18:34
LiebesHerz LiebesHerz ist offline
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Beiträge: 505
Standard AW: Unbegreiflich

Ihr Lieben,

Ich wollte mich mal wieder melden, es ist schon wieder eine ganze Zeit vergangen...
Zunächst allen die hier geschrieben haben und ebenfalls schlimme Verluste erleben mussten, mein aufrichtiges Mitgefühl. Es ist so brutal, jemanden, den man liebt, gehen lassen zu müssen, es zu akzeptieren, zurückzubleiben....


Es hat sich einiges verändert bei mir. Meine Trauer ist präsenter, ich habe aber immernoch nicht begriffen, dass meine Mutter nie wieder kommt..

Die Beziehung zu meinem Bruder wird immer besser, wir sind richtig eng zusammengerückt, ich genieße das sehr!

Mein Vater, der am Anfang so stabil schien, macht leider eine große Krise durch.
Er ist Alkolholiker, hat das trinken aber in den letzten Jahren einigermaßen im Griff gehabt. Mit "im Griff" haben meine ich nicht, dass er jemals lange trockene Phasen hatte, aber er schaffte es immer wieder, längere Zeiten kontrolliert zu trinken, so dass er im Alltag einigermaßen funktionierte. Nach dem Tod meiner Mutter hielt er sich erst tapfer aufrecht, aber sein Konsum wurde immer unkontrollierter. Vor einer Woche rief er mich dann an, total verzweifelt, es ginge ihm so schlecht, er könne nicht mehr. Ich habe ihm dann einen Krankenwagen bestellt, der ihn in die Klinik gebracht hat. Und jetzt ist er in der Psychiatrie und hat eine Entgiftung hinter sich und eigentlich eine Therapie vor sich.... Ich fürchte aber, diese wird er nicht wahrnehmen...
Ich will mich jetzt gar nicht über den Alkoholismus auslassen, das würde den Rahmen hier sprengen und dafür gibt es eigene Foren, aber mir wird immer bewusster, dass mein Vater niemals meine Mutter wird ersetzen können.. Dass auf ihn einfach kein Verlass ist... Dass ich eigentlich beide Elternteile verloren habe. Ich fühle mich manchmal so schutzlos. Ich bin fast 44 Jahre alt und dennoch sehne ich mich nach der Liebe und Zuwendung meiner Mutter.

Ich habe das Gefühl, alles ist anders, ich bin nicht mehr dieselbe und ich muss mich erstmal in diesem neuen Leben zurechtfinden..

Ich schicke euch einen warmen Gruß zum Abend und eine tröstende Umarmung für diejenigen die sie brauchen und möchten.


Jana
__________________
Meine Mutter:
Pankreas-Ca ED 7/2014
verstorben am 3.11.15

Immer in meinem Herzen...
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  #7  
Alt 04.03.2016, 18:57
Adlumia Adlumia ist offline
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Registriert seit: 10.11.2015
Beiträge: 305
Standard AW: Unbegreiflich

Hallo LiebesHerz,

ich möchte dir kurz schreiben.
Deine Zeilen sind sehr traurig.
Und ich kann mir kaum vorstellen, wie es gerade in dir aussehen mag. Du hast deine Mutter verloren und wie es scheint, ist dein Vater auch nicht mehr greifbar für dich. Dass du dich in deinem jetzigen Leben fremd fühlst, kann ich verstehen. Es ist schön, dass du mit deinem Bruder enger zusammengerückt bist, auch wenn das nicht über den Verlust hinwegtrösten kann aber vielleicht hast du so das Gefühl, nicht ganz alleine zu sein, da jetzt auch noch viele Sorgen um deinen Vater hast. Für deinen Vater hoffe ich, dass es in seinem Leben doch noch zu einem Wendepunkt kommt, dass er vielleicht auch trotz seines traurigen Verlusts eine Stärke entwickeln kann und die Chance wahrnimmt dem Alkohol zu entfliehen und für seine beiden Kinder stark sein zu wollen, sie begleiten zu wollen und von ihnen begleitet zu werden!

Viel Kraft für euch als Familie!
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