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  #1  
Alt 27.05.2016, 18:00
Lella Lella ist offline
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Liebe Jana

Diese Überlegungen haben ich mir schon sehr oft gemacht und dennoch zieht es mich immer wieder hierher, mehrheitlich jedoch zum mitlesen. Die Versuche den Kaffeeklatsch wiederzubelben haben ja auch immer nur ganz kurfristig gefruchtet. Aber es ist wohl wie so oft: Alles hat seine Zeit.

Ich frage mich auch oft, wie man das überhaupt ausgehalten hat, immer noch aushält. Ich glaube auch nicht, dass es für einen Angehörigen zwingend einfacher ist, vor allem dann nicht, wenn man die erkrankte Person sehr nahe begleitet. Klar, man hat keine Krankheit, keine Schmerzen, keine Behandlung mit Nebenwirkungen und muss auch nicht sterben. Aber man muss zusehen, man kann nicht helfen und schlussendlich muss man hier bleiben. Eine liebe Freundin hat mal gesagt: Krebs ist wie Sippenhaft. Man hängt einfadch mit drin. Ob man will, oder nicht, das hat keiner gefragt... Und so leiden auch ganz viele Angehörige immens und manchmal finden sie noch viel weniger einen Umgang mit der Erkrankung als die Erkrankten selbst... Es ist einfach für alle schwer. Es klingt vielleicht etwas makaber, aber der einzige "Vorteil" den ich seit dem Tod meines Mannes habe, ist, dass ich keine Angst merh zu haben brauche. Um ihn. Vor dem nächsten Tag. Meine schlimmsten Ängste haben sich bewahrheitet, schlimmer kann es nicht mehr kommen... Diese Anspannung, dieser Dauerstress, der ist weg. Und darüber bin ich froh, auch wenn ich natürlich nicht froh, bin, dass mein Mann nicht mehr lebt.

Ja, wir haben nur unser eines Leben. Ich weiss, dass viele Trauernde dies nicht so sehen können, auch wenn sie es wollen. Mir hat mein Mann kurz vor seinem Tod gesagt, bitte geh Du Deinen Weg. Und daran denke ich immer, wenn ich hadere, wenn ich zögere und wenn ich nicht weiter weiss. Er wollte, dass ich weiter gehe. Ich glaube, für ihn war es schlimmer uns alle zurückzulassen, als selber gehen zu müssen. Und daher möchte ich ihn nicht "enttäuschen", indem ich mich aufgebe. Und zum Glück habe ich die Kraft bekommen, nicht aufzugeben. Ich möchte nicht mein ganzes restliches Leben nur noch darüber definieren, dass ich meinen Mann verloren habe. Das wird immer ein Teil meines Lebens, meiner Geschichte und von mir selbst sein. Aber nicht der einzige. Und so versuche ich mich in meinem Leben ohne ihn zurechtzufinden und weiterzumachen. Auch wenn das manchmal so schwer ist und er mir so sehr fehlt...

Uns ging es genauso, wir haben uns nie bewusst gegen Kinder entschieden, haben dies aber auch nie vermisst. Ich weiss, Kinder können einem sehr viel geben und sie sind auch etwas, dass vom Partner weiterlebt. Dennoch bin ich "froh" keine Kinder zu haben. Ich weiss nicht, ob ich das geschafft hätte. Für 2 zu trauern, für 2 ein neues Leben zu schaffen. Oder sogar für mehrere. Und ich hätte in seiner letzten Phase nie so für meinen Mann da sein können, wenn wir Kinder gehabt hätten. Dies war die Schlimmste Zeit meines Lebens, aber auch eine wertvolle Zeit.

Ich lebe in der Schweiz,in der Nähe von Zürich.

Liebe Jana, ich wünsche Dir ein ganz schönes Wochenende und freu mich, bald wieder von Dir zu lesen.
Liebe Grüsse
Lella
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  #2  
Alt 29.05.2016, 10:56
LiebesHerz LiebesHerz ist offline
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Liebe Lella,

ich musste lächeln, als ihr deine Zeilen gelesen habe, denn ich fühle ähnlich wie Du. Die Angst ist weg. Das war im ersten Moment auch eine große Erleichterung, so schlimm das auch klingen mag. Jeden Morgen habe ich sonst auf das Telefon gesehen. Blinkt der Anrufbeantworter ? Wie klingt sie heute am Telefon? Wie lange noch? Wie wird es zuende gehen?? Es war eine unglaubliche Anspannung. Als diese sich löste, war ich zum Teil auch erleichtert. Ich fand es auch schlimm, dass man mit seinen Ängste nirgends hin konnte. Ich wollte meiner Mutter gegenüber stark sein, sie aufbauen und nicht noch zusätzlich "schlechte Stimmung" verbreiten. Auch meinem Papa gegenüber, der auch am Stock ging. Hinzu kam die Erkrankung meiner besten Freundin die psychisch sehr sehr angeschlagen war. Auch hier konnte ich meine Verlustangst nicht äußern. Ich finde , die Beziehungen werden so unehrlich weil jeder versucht dem anderen nicht zur Last zu fallen. Ich bereue es heute sehr, dass ich mit meiner Mutter nie offen sprechen konnte. Wir haben nie über den Tod gesprochen, geschweige denn uns verabschiedet. Das fehlt mir heute. Ich weiß nicht wieviele Ängste sie ertragen hat... Ganz leise, für sich... Hat sie gewusst dass sie stirbt? Sie hat mich in den letzten Tagen immer so flehentlich und panisch angesehen wenn ich gefahren bin.. Das belastet mich heute sehr.
Aber wahrscheinlich findet man immer etwas was im Nachhinein vielleicht "falsch" gelaufen ist, etwas was man bereut..

Bei Zürich? Da war ich am letzten Wochenende! Haben einen Freund meines Mannes besucht der dort wohnt. Schöne Stadt!

Auch dir ein schönes WE!
Ich freue mich dass wir uns schreiben!

Jana
__________________
Meine Mutter:
Pankreas-Ca ED 7/2014
verstorben am 3.11.15

Immer in meinem Herzen...
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  #3  
Alt 30.05.2016, 09:41
Lella Lella ist offline
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Liebe Jana

Ja, es ist schön, dass wir uns schreiben

Ich kann Deine Gedanken so gut nachempfinden. Ja, die Erleichterung war irgendwie riesig. Ich war in erster Linie einfach mal froh, dass er nicht mehr leiden musste. Körperlich und vor allem auch psychisch. Und ich war irgendwie auch erleichtert, dass ich nicht mehr leiden musste, unter dieser Daueranspannung, diesem Dauerzustand der Angst, was wohl als nächstes passiert. Dass ich einfach mal mehr als 1-2 Stunden am Stück schlafen konnte.

Treffend was Du sagst, ja, die Beziehungen werden unehrlich. Und leider bleiben sie es auch. Man versucht den Schein zu wahren, niemandem zur Last zu fallen. Ich merke das heute noch. Die meisten Menschen sprechen nicht gerne über Tod und über Krankheit. Und man verschont sie, obwohl es selbst ein Jahr "danach" immer noch das eigene Hauptthema ist. Es ist schwer mit jemandem offen darüber zu reden, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Wer will das schon hören? Ich habe vor kurzem einen Text gelesen dazu, der mich sehr berührt hat. Dort schrieb die Autorin so in etwa: "Der Tod ist wie ein grosser Sarg, der nicht durch den Türrahmen passt".

Ich glaube, man findet immer etwas im nachhinein, ich glaube, das ist normal. Aber es sind auch Gedanken, die einem nicht weiterbringen auf Dauer. Denn leider kann man das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Aber weisst Du, wenn Deine Mutter wirklich hätte mit Dir über den Tod reden wollen, dann hätte sie das getan. Oder wenn sie sich hätte verabschieden wollen. Vermutlich hätte ihr das aber selbst zu weh getan und darum hat sie es auf ihre Art und Weise gemacht, still und leise. Und wahrscheinlich hat sie gewusst, dass sie stirbt, aber sie wollte Dich, euch, sich selbst schützen. Es war wahrscheinlich für sie gut und richtig so wie es war...

Liebe Grüsse und einen guten Start in die Woche
Lella
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  #4  
Alt 02.06.2016, 11:29
LiebesHerz LiebesHerz ist offline
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Liebe Lella,

der Spruch mit dem Sarg, der nicht durch die Tür passt, beschreibt es wirklich sehr sehr gut!
Eine Kollegin von mir sagte, als sie erfuhr, dass meine Mutter gestorben war, :"Oh Gott oh Gott, ich will das gar nicht hören. Wenn ich mir vorstelle, dass meine Mutter nicht mehr lebt... Nein, ich will da gar nicht drüber nachdenken." Das war direkt, beschreibt aber glaube ich, was die meisten Menschen denken. Und es ist ja auch ok. Dennoch fühle ich mich irgendwie nicht mehr zugehörig. Ich kenne niemanden, der seine Mutter nicht mehr hat und du kennst wahrscheinlich auch keine Witwe in Deinem Alter. Ich fühle mich wie in einer anderen Welt, geht Dir das auch so? Ich spüre auch schnell, wenn jemand ähnliches erlebt habe. Neulich war ich bei Freunden und unterhielt mich mit einer, mir bis dahin fremden, Frau in meinem Alter. Ich weis nicht, wie wir darauf kamen, denn eigentlich erzähle ich nicht rum, dass meine Mutter tot ist, aber wir kamen auf das Thema Tod. Sie erzählte mir, dass sie ihren Vater durch Krebs verloren hat und das schaffte gleich eine große Nähe zwischen uns. Irgendwie spürt man diese Wunde in anderen Menschen.

Gestern habe ich mich mal wieder mit meinem Bruder getroffen. Bevor unsere Mutter krank wurde, haben wir uns ca 4 mal im Jahr gesehen, höchstens. Eigentlich nie telefoniert. Jetzt telefonieren wir mehrmals in der Woche und sehen uns einmal im Monat. Der Kontakt ist so wunderschön geworden!
Wir waren essen und hatten einen wirklich wunderbaren Abend. Meine Mutter hatte sich immer gewünscht, dass wir enger zusammenrücken...jetzt ist es wie ihr Vermächtnis dass wir das auch tun. Er ist ein sehr wichtiger Mensch in meinem Leben geworden.
Hast Du Geschwister?

Lella, ich wünsche Dir eine schöne Restwoche mit ein wenig Sonne. Hier ist seit Tagen immer wieder Unwetter mit Starkregen...

Alles Liebe Jana
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Meine Mutter:
Pankreas-Ca ED 7/2014
verstorben am 3.11.15

Immer in meinem Herzen...
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  #5  
Alt 02.06.2016, 14:54
Lella Lella ist offline
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Liebe Jana

Solche Reaktionen kenne ich. Ich kann den Gedanken, den diese Menschen haben auch nachvollziehen. Aber gleichzeitig macht mich eine solche Reaktion unglaublich sprachlos und wütend. Sie verletzten mich. Denn Himmel noch mal, das kann man doch so nicht sagen?! Das kann man denken... Es ist traurig, wie wenig die Menschen wirklich mit dem Thema umgehen können. Ein ernstgemeintes "es tut mir leid" würde doch schon ausreichen...

Es geht mir genauso, es ist treffend. Ich fühle mich nicht dazu gehörend. Und ich weiss auch, dass ich über ein Thema, dass mich sehr beschäftigt nur selten sprechen kann. Ich spreche viel über meinen Mann, erzähle Anekdoten oder Geschichten von früher. Oft merke ich, wie die Menschen dann zusammen zucken. Aber ich will ihn nicht totschweigen, es reicht, dass er tot ist. Und ich spüre auch eine Verbundenheit mit Menschen, die ein ähnliches Schicksal haben. Denn ich glaue, bei aller Empathie kann man das einfach nicht nachvollziehen. Ich habe mir das alles ja auch ganz anders vorgestellt.

Wie schön, wie sich die Beziehung zu Deinem Bruder entwickelt hat! Auch bei mir gibt es Beziehungen, die extrem gewachsen sind, seit mein Mann gestorben ist. Und ich bin dafür unendlich dankbar. Ich bin sogar davon überzeugt, dass für einige mein Mann ganz direkt verantwortlich ist, indem er Menschen damit beauftragt hat, für mich da zu sein. Und die sind das ganz wunderbar.

Ich habe keine Geschwister, nein.

Auch Dir etwas Sonne, hier ist es irgendwie ein Mix zwischen Regen, Sonner und grau in grau...

Ich grüsse Dich ganz lieb, hoffentlich bis bald!
Lella
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  #6  
Alt 06.06.2016, 21:55
LiebesHerz LiebesHerz ist offline
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Liebe Lella,

ich glaube einfach auch, dass die Liebe Deines Mannes immer in Dir/ um Dich ist. Ihr scheint eine sehr warme, offene Beziehung gehabt zu haben, auf Augenhöhe, liebevoll aber unabhängig. Zumindest "höre" ich das so raus. Und ich glaube, dass seine Liebe Dich jetzt immernoch trägt. Die Liebe stirbt eben nicht.

Fühl Dich umarmt von Jana!
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Immer in meinem Herzen...
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  #7  
Alt 26.06.2016, 23:17
Lella Lella ist offline
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Liebe Jana
Schon wieder ist so viel Zeit vergangen, manchmal komme ich einfach nicht zum schreiben. Danke für Deine liebe Worte möchte ich aber dennoch sagen.
Ja, Du hast es gut getroffen, wie Du unsere Beziehung beschreibst. Unsere Beziehung war in dieser Hinsicht sehr speziell, ich habe mit ihm erlebt, wie schön Liebe sein kann, wenn man einfach geniesst zusammen zu sein und nicht besitzen will. Wir haben einander nicht "gehört", aber wir wussten, wir gehören zusammen. Mit allen Höhen und Tiefen. Nein, die Liebe stirbt nicht, auch die Liebe zu Deiner Mama nicht.
Ich würd mich freuen, zu hören, wie es Dir geht.
Liebe Grüsse und eine Umarmung zurück.
Lella
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