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  #1  
Alt 03.10.2016, 15:38
Hermine81 Hermine81 ist offline
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Beiträge: 50
Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Hallo...
ich denke dass das Thema Trauer echt komplex ist.
So wie jeder anders trauert, braucht denk ich auch jeder seine Zeit.
Bei der Arbeit hab ich die Erfahrung gemacht, dass ich zwar dachte, dass die Menschen denken, ich müsste mich jetzt langsam wieder im Griff haben aber ich glaube dass es einfach mein Bauchgefühl war.
Nach wie vor haben sie totales Verständnis und stehen hinter mir, wenn ich doch mal Einbrüche habe.
Ich schätze, da hab ich einfach echt Glück gehabt.
Sicher gibt es auch die anderen mit weniger oder komplett fehlendem Verständnis, die halt echt einfach keine Ahnung haben, wie sich sowas anfühlt.
Trauer ist wichtig und ich denke dass wir uns die Zeit nehmen sollten, die wir brauchen, auf uns selbst achten und uns treu bleiben.
Natürlich passiert so etwas jeden Tag auch bei X anderen, aber hierbei handelt es sich doch um deinen ganz persönlichen Schmerz und niemand hat das Recht dir zu sagen wie du ihn zu fühlen und mit ihm umzugehen hast. Du bist stark aber ich glaube auch wenig streng mit dir selbst, du darfst traurig sein und fühlen.
Jeder einzelne hier trägst sein eigenes, ganz persönliches schweres Schicksal mit sich und jeder hat eine unglaublich schmerzhafte und schwere Zeit hinter sich mit viel Angst und jeder Menge Tränen. Und jeder hat ein Recht auf seine Gefühle, und persönliche Zeit der Trauer...AUCH DU.
3 Wochen ist noch so frisch, bei mir sind es jetzt knapp 2 Monate und ich hab auch noch extrem das Gefühl dass mein Leben und der Alltag kreuz und quer läuft, von "gergelten Bahnen" bin ich glaub ich noch ganz weit entfernt
Auch eine Beratung oder Therapie in der Form einer Trauerbewältigung halte ich für gut und sinnvoll wenn es sich stimmig für einen selbst anfühlt.
Bei uns bietet auch das Hospitz ein Trauer Cafe und Trauerbegleitung an.
Lese momentan "Einen geliebten Menschen verlieren" von Doris Wolf, auch das hilft mir, weil mir das geschriebene immer wieder zeigt, dass das was ich fühle und denke zur "normalen" Trauer gehört und völlig ok ist. Es hilft etwas gegen die Unsicherheit.
Ich denke das schwierigste ist, seinen persönlichen Weg erstmal zu finden.
Ich wünsche dir ganz, ganz viel Kraft und hoffe dass du irgendwie, irgendwo etwas Trost findest!!!
__________________
♡Mama♡
17.01.1963 - 05.08.2016
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  #2  
Alt 04.10.2016, 11:00
Riesenschnuffel Riesenschnuffel ist offline
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Beiträge: 23
Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Jeder trauert anders und auch unterschiedlich lang. Es braucht seine Zeit und es ist ok- man darf nur nicht den Zeitpunkt verpassen um "loszulassen". Ich kenne eine ältere Dame, für die existiert der Mann (vor 20 Jahren verstorben) immer noch. Sie hat den "Absprung" leider nicht geschafft...zu Hause redet sie mit ihrem Mann, deckt für ihn mit, legt ihm das Bett auseinander- so als wäre er noch hier.

Ich merke zB, dass meine Mutter ganz anders trauert als ich es tue. Sie hat wenige Tage nach dem Tod von meinem Papa angefangen, seine Sachen (Kleidung, Schuhe) wegzugeben- mir hat das sehr wehgetan, es fühlte sich für mich so an als würde sie ihn "rauswerfen". Sie sagt aber, für sie sei es so das beste, wenn sie nicht dauernd an ihn erinnert würde, käme sie besser zurecht. Das ist ihre Entscheidung, die respektiere ich und da rede ich ihr nicht rein.

Im Moment mag sie verständlicherweise nicht weg...wir haben sie mal mitgenommen ins Kino, weil ich sie zumindest im Moment am WE nicht allein sein soll und sich meine Kinder auch immer freuen wenn die Oma da ist, aber so richtig mit den Gedanken da war sie nicht, das hat sogar meine Tochter gemerkt.
Bei uns ist es jetzt 2 Monate her, 2 Monate lasse ich ihr noch Zeit, bevor ich sie wieder unter andere Leute (Sportgruppe etc) bringe, damit sie sich nicht einigelt und die Trauer ihr ganzes Leben bestimmt.

Ich selber funktioniere mehr oder weniger, aber oft sind da solche Momente, da schaue ich auf das Foto meines Vaters und heule los. Oder wenn eins meiner Kinder sagt:" Mama weisst du noch, das haben wir mit Opa auch gemacht..." Mein Mann, der seine Eltern vor wenigen Jahren verloren hat, versteht mich aber und hat mir auch schon gesagt, dass dieser Zustand noch eine ganze Weile andauert und dass man die Gefühle auch zulassen muss, sonst frisst einem die Sache auf.

Trauer ist gut und wichtig- nur sollte sie nicht dauerhaft das Leben des Hinterbliebenen bestimmen.
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  #3  
Alt 04.10.2016, 12:16
Adlumia Adlumia ist offline
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Beiträge: 305
Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Ja, jeder trauert anders, unterschiedlich lange etc. aber genau das ist doch der Punkt: Wer sagt: So ab jetzt musst du wieder unter Leute, weil es sonst nicht ok ist?
Denkst du nicht, dass deine Mama diesen Zeitpunkt vielleicht sogar selbst wählt, bestimmt? Klar kann eine Trauer auch schnell in eine behandlungsbedürftige Depression, ich denke hier gibt es schon Unterschiede. Z.B. ob man überhaupt keine Momente der Freude hat, wenn auch nur kurze, einem alles nur noch sinnlos erscheint. Vielleicht ist es auch manchmal ein Mischmasch aus Trauer und Depression aber grundsätzlich gehe ich bei meiner Mama nun einfach davon aus, dass sie weiß was nun für sich gut ist. Und wenn ich mir Sorgen machen würde, würde ich es ansprechen aber letztendlich entscheidet auch sie über ihren Weg der Trauer und wenn ihr nicht danach ist in 4 Monaten mit mir dieses oder jenes zu unternehmen, dann ist es so. Klar gab es auch schon Momente wo ich enttäuscht war, weil sie zunächst gesagt hatte, dass sie zu einer bestimmten Sache mit mir mit kommt, dann aber doch nicht. Aber dann hab ich eingesehen, wie schwer das alles für sie sein muss: ohne ihren geliebten Mann zu funktionieren, es ist alles so neu, plötzlich alleine im Haus etc.

Und für mich habe ich erkannt: Ich darf meine Trauer und meine Art der Trauer nicht auf sie oder jmd anderes aus der Familie projezieren. Der eine möchte drüber reden, der andere nicht. Der eine möchte gleich rausgehen, der andere nicht. So lange ein Vertrauensverhältnis da ist, so dass man weiß, dass man füreinander da ist, darüber reden kann (wenn es von beiden gewünscht ist) mache ich mir keine Sorgen, ob sie jetzt schon unter Leute will oder nicht. Aber das war mir von Anfang so nicht klar, muss ich zugeben.

Dennoch Riesenschnuffel hast du Recht, wenn du sagst, es sollte nicht das ganze Leben bestimmen aber es wird ein Teil des Lebens sein, diesen Verlust trägt man für immer - wahrscheinlich ändert sich nur mit dem Jahren der Umgang mit diesem Verlust.
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  #4  
Alt 04.10.2016, 16:46
Riesenschnuffel Riesenschnuffel ist offline
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Beiträge: 23
Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Adlumia, grundsätzlich gebe ich dir ja recht.
Aber meine Mama hat vor 40 Jahren ihr erstes Kind am plötzlichen Kindstod verloren und seitdem mehr oder weniger einen psychischen Knacks, sie hat das bis heute noch nicht wirklich verarbeitet. Ich möchte nicht, dass sie sich komplett zurückzieht und das wird passieren, wenn ich sie machen lasse.
Normalerweise gestehe ich jedem zu, dass er weiss was gut für einen ist. Nur bei meiner Mama sehe ich das halt nicht so. Die Gründe dafür zu erläutern würde jetzt den Rahmen sprengen.
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  #5  
Alt 04.10.2016, 17:35
Adlumia Adlumia ist offline
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Beiträge: 305
Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Ok, ja das sind Hintergründe die man als Außenstehender nicht beurteilen kann und du kennst deine Mama am besten. Hilft es denn deiner Mama darüber zu sprechen oder macht die den kompletten Rückzug?
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  #6  
Alt 04.10.2016, 18:13
Riesenschnuffel Riesenschnuffel ist offline
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Beiträge: 23
Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Über den Tod meines Bruders hat sie in der Todesnacht meines Vaters zum allerersten Mal gesprochen. Vorher wurde das Thema immer totgeschwiegen, auch wenn ich der Meinung bin, über Gefühle etc sprechen hätte ihr gutgetan.
Bei meinem Vater ist es tagesabhängig. Manchmal blockt sie, manchmal redet sie darüber. Ist ganz schwierig bei meiner Mama
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  #7  
Alt 19.10.2016, 14:20
Mym78 Mym78 ist offline
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Beiträge: 36
Standard AW: Wie und wie lange "darf" man trauern?

Hallo Ihr,

zunächst einmal danke für all eure Antworten.... Es tut wirklich gut, zu lesen, dass man nicht allein ist mit allem.

Ich habe mittlerweile einen Termin bei einer Familienberatungsstelle ausgemacht, um mir mal alles von der Seele reden zu können. Leider ist der erst in knapp 3 Wochen.
Um mich herum ist mittlerweile so sehr wieder Alltag, dass die Gedanken an meine Mama kaum noch Platz, bzw Gehör finden. Niemand fragt mehr, wie es mir geht.
Es gibt jeden Tag bestimmt 100 Momente, in denen ich an meine Mama denke. Das ist auch gar nicht immer schmerzhaft, manchmal sind es einfach so kleine Blitze...
Nun geht es aber damit los, die Wohnung auszuräumen... Ich habe schon ein paar Kleinigkeiten mit zu mir nach Hause genommen, aber jetzt geht es um größere Sachen. Ich finde das so schlimm. Bisher konnte ich einfach in die Wohnung meiner Mutter gehen und mich auf die Couch setzen, heulen und in ihren Sachen wühlen, testen, ob in ihrer Kleidung noch ihr Geruch hängt... Das war furchtbar Traurug, gab mir gleichzeiig aber auch Trost.
Nun wird es diesen Ort bald nicht mehr geben... Ich muss entscheiden, was mit ihren Sachen passiert... Das ist so schwer.
Sie hatte sich ihre Wohnung gerade erst eingerichtet und war so stolz. alles ist so schön, aufeinander abgestimmt und nun wird es zerrissen...
Meine Mama hatte nicht viel Geld, hat sich aber, weil sie oft gar nicht raus konnte, eine ganz tolle Couch gegönnt. Das war ihr ganzer Stolz.
Und die Überlegungen, wohin diese Couch nun geht, verursachen mir in wirklich wahrstem Sinne Bauchweh.
Wir können sie nicht nehmen, dafür sind wir zu wenig sorgsam... Das ist eine echte, schwere aufgabe, auch wenn es aus der Distanz heraus vermutlich banal anmutet....

Wir werden am WE tatsächlich unser Wohnzimmer renovieren (was ohnehin angedacht war, aber nicht so bald), damit die Dinge, die ich von ihr zu uns hole, einen schönen Ort bekommen. So, dass es auch meiner Mama gefallen hätte (uns natürlich auch)

Vor 2 Wochen war ich auf der Palli und im Hospiz, um jeweils Blumen, Karte und Spenden abzugeben. Ich hatte erstaunlicherweise in beiden Häusern das große Glück, dass Mamas Zimmer frei war und ich noch einmal hinein konnte. Das tat gut. Ich bin sehr dankbar, so bewusst Abschied nehmen zu können.
Ich hatte ja gedacht, das Hospiz würde für mich der Ort sein, an dem ich Mama nah sein kann, aber so ganz hat sich das bei dem Besuch dort nicht bewahrheitet, auch wenn ich mich diesem Ort und den Menschen dort sehr verbunden fühle und sicher immer wieder dort sein werde.
Ich war am gleichen Tag aber auch mit meiner Oma am Grab und leider traf mich dort die Erkenntnis, dass dieser Ort eine Bedeutung für mich hat. Das hätte ich nicht geglaubt.
Aus diesem Grund habe ich micht auch für ein Wiesengrab entschieden (etwas wurde ich auch von meinem Vater in diese Richtung gedrängt und ich dachte, es wäre mir "egal"). Das bereue ich nun sehr. Ich hätte nun so gerne ein Stück, das ich bepflanzen und um das ich mich kümmern könnte. Leider lässt sich diese Entscheidung nicht rückgängig machen...
Ich werde mir wohl etwas anderes überlegen müssen.

So ist derzeit der Stand der Dinge bei mir....
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