Erfahrungsaustausch

[Anemone]

Hallo Katchen,
mach dir nicht so viele Selbstvorwürfe. Ich denke, du verhältst dich nicht komisch oder unnormal. Es steht uns einfach zu, dass wir in unserer Situation neben der Spur sind.
Mir ist heute ein kleines Buch wieder in die Hände gefallen, das mir jemand geschenkt hat, kurz nachdem mein lieber Schatz mir genommen wurde.
Es ist von Jörg Zink und heißt "Trauer hat heilende Kraft". Es gibt Gedichte und wunderschöne Fotos dort. Ein Gedicht hat mich besonders angesprochen. Ich tippe es mal eben ab:

Auch kann ich mir denken,
dass du manchen Morgen mit Angst beginnst.
Wie solltest du auch alles plötzlich allein können,
was ihr bisher gemeinsam bedacht
und entschieden habt?
Allem gewachsen sein, alles allein durchstehen?
Ich kann mir vorstellen, dass du dich fühlst
wie ein Haus ohne Hüter,
ohne Tür, ohne Riegel, ohne Dach.
Dass du dich fürchtest vor Tagen,
an denen ein Wetter kommt und niemand ist,
der sich zu dir stellt.
Aber darin gerade liegt zu einem Teil
der Sinn des Trauerns:
Dass du mit ihm sprichst wie früher
und alle die Gespräche wiederkehren,
alle die Entscheidungen. Und der gemeinsame Wille.
Dass die Kraft, die ihr gemeinsam hattet,
zurückkehrt und dich erfüllt.
Dass du Halt findest an dir selbst
und das Vertrauen wiederfindest;
dass du kannst, was dir zugemutet ist,
und dein Tag Licht bekommt.

Hier ist noch eins, von dem ich mich angesprochen fühle:

Ich will dir sagen,
was dir hilft:
Weinen, weil du verlassen bist, denn du bist es.
Weil dir kalt ist. Es ist wirklich kalt.
Weil dir das Weh das Herz zusammenzieht,
mehr, als irgendeiner von uns ermisst.
Du brauchst nicht unter der Eisdecke zu leben.

Schreien. Auch wenn es jemand hört.
Ich verstehe es, wenn du zornig bist
über das Unrecht, das dich getroffen hat.
Wenn du wütend bist auch auf Gott,
der das zugelassen oder gar gewollt hat.
Auch Hiob klagte Gott mit harten Worten an.

Verstummen, wenn du das Gefühl hast,
der andere könne dich nicht verstehen.
Wenn du zu müde bist, zu reden,
oder wenn du dich, auf eine seltsame
und grausame Weise, schuldig fühlst.

Eines Tages wird es nicht mehr so wichtig sein,
zu weinen oder zu schreien. Aber jetzt ist es gut.
Und jetzt soll es dir niemand verwehren.

Katchen, ich weiß nicht, ob du mit den Gedichten was anfangen kannst, wenn nicht, vergiss sie einfach. Ich wünsche dir, dass es dir bald ein wenig besser gehen und dein Schmerz ein bißchen erträglicher wird. Bei mir gibts auch solche und solche Tage. Manchmal zerreißt es mich fast, dann wieder finde ich ein klein wenig Frieden. Solche Berge und Täler wird es für uns sicher noch lange geben.
Viele liebe Grüße,
Anemone

[katchen]

Hallo Ihr Lieben,

Lieben Dank Anemone für die schönen Zeilen, sie haben mich sehr berührt, und da ich zur Zeit eh Zart beseidet bin- konnte ich nur heulen (sorry)!!

Heute hat mich die nächste Botschaft erreicht, ab August werden die Angestellten von Thomi einen neuen Chef in der Niederlassung bekommen, hat mich getroffen heut morgen beim Email lesen wie ein Schlag!!
Und jetzt muss ich auch noch so tun als wäre alles in Ordnung den lieben Kollegen zu Liebe obwohl ich einfach nur heulen könnte!

Aber es war mir irgendwie klar das es irgendwann geschehen wird, trotz alledem ist es noch einmal ein Schlag!
Jetzt muss ich die Sachen noch in der Firma abholen, ist echt schrecklich!! Aber ist eh alles zu spät und in Kisten, eigentlich wollte ich noch mal in sein Büro- vielleicht gut so das es jetzt nicht mehr möglich sein wird!!

Wie schnell sind Menschen doch austauschbar, in unserer schnelllebigen Zeit!!

Danke fürs Zuhören, musste das jetzt los werden! Muss jetzt wieder Haltung bewahren, damit jeder denkt "Alles ist in Ordnung" -eigentlich ist nichts in Ordnung!
"Das Leben Geht weiter"- Scheiß drauf!! Augen zu und durch!!
Wie geht es Euch??

Liebe Grüsse Kati

[She*]

Mensch Kati, scheiße...Kann mir denken wie sich das anfühlt...Es geht einfach weiter und man hat das Gefühl, keiner denkt mehr an ihn, alles wird ausradiert, ausgetauscht und alles nimmt einfach so seinen normalen Gang...Es fühlt sich scheiße und schlimm an...Ich weiß...

Wie es mir geht? Hmm ehrlich gesagt weiß ich das nicht so genau, es geht im Moment so mehr oder minder "gut"...Hatte diese Woche nur noch ein sehr aufwühlendes Erlebnis...Ein alter Freund von Sascha, der vor einiger Zeit nach Köln gezogen ist, hat ihn erreichen und besuchen wollen, er wusste von all dem nichts und hat es dann durch eine Bekannte von Sascha erfahren...Er wollte es nicht glauben...Ja es ist auch manchmal immer noch nicht zu glauben...Er hat Sascha dann einen Brief auf seinem Grab hinterlassen, diesen zu lesen, hat mich nochmal um Wochen zurückgeworfen...Man denkt dann, es wird einfach nie besser und wenn man sich ein Stückchen hochgehangelt hat, dann fällt man einfach wieder nach unten und fängt wieder von vorne an, wie Du schon sagtest, aus so einer Perspektive ist schlecht mal ein Gipfel zu sehen und ich glaube den sehen wir noch lange nicht.

Du wolltest wissen wie die ersten 3 Monate waren...Ich glaube ich habe erst nach 3-4 Monaten, wirklich realisiert was passiert ist...Ich habe büschelweise Haare verloren, abgenommen und meine Haut hat komplett verrückt gespielt, da hat wirklich dieses Sprichwort, die Haut ist der Spiegel der Seele gepasst...Ich habe gedacht, ich sehe überhaupt nie mehr Land, auch konnte ich keinen Erfolg bei meiner Therapie sehen und alles war einfach nur schlimm, sinnlos und grausam und ich hätte einfach ununterbrochen heulen und mich verkriechen können...Mittlerweile habe ich mich ein ganz kleines Stückchen nach oben gehangelt, wenn auch immer wieder mit Abstürzen...Bis Du in Deiner Therapie Erfolge sehen wirst, wird auch noch ein Momentchen dauern...Ich dachte auch anfangs, was soll ich hier, das bringt mir alles nichts. Mittlerweile ist das etwas anders, und meine Therapeutin meinte am Montag, das sie bei mir langsam mal etwas positives sehen und hören kann...Es dauert aber Kati, wie das alles uns wohl noch sehr lange beschäftigen und nachhängen wird...Aber es wird besser, wenn auch nur in kleinen Schritten :-)

Ab heute habe ich Urlaub, weiß noch nicht wie ich mich fühlen soll...Eigentlich wollten wir diesen Urlaub zusammen verbringen und verreisen, jetzt fahr ich mit einer Freundin weg...Ich freu mich, aber anders, es bleibt ein dunkler Schatten und ja, Sascha fährt mit, unvermeidlich...
Ich bin aber auch froh mal rauszukommen, mal weg von der vertrauten Umgebung, den armen Irren um mich herum, wenn ich das jetzt mal so sagen darf und mal Raum und Zeit für mich und zum denken habe...Schaun wir mal wie es wird...

Liebe Simone,

Glückwunsch zum Kauf des Sofa`s...Denke wir sollten mal versuchen uns an kleinen Dingen/Fortschritten zu freuen, auch wenn das manchmal schwer fällt :-)

LG
Sandra

[SiHa]

Guten Morgen zusammen!
Ich hoffe, Ihr hattet alle ein gutes Wochenende und seid ohne die ganz großen Tiefs über die Tage gekommen!

Meins war eigentlich ganz okay. Ich habe es am Freitag endlich geschafft, meine Ängste zu besiegen und auf den Friedhof zu gehen. Zum Glück war ich da ungestört. Es hatte sich in den 3 Wochen eine Menge angestaut und das floss alles nur so aus mir raus... Aber danach geht es mir immer ein wenig besser. Irgendwie erst total aufgewühlt und dann ruhiger.

Ich habe auf dem Friedhof auch immer das Gefühl ihm besonders nah zu sein. Oft denke ich auch er schickt mir Zeichen in Form von Windböen oder Sonnenstrahlen, die mich dann "streicheln". Keine Ahnung, ob es nur Einbildung ist. Aber es tröstet mich ein bisschen.

Ich wünsche Euch einen guten Start in die Woche!
Liebe Grüße
Simone

[katchen]

Hallo Ihr an alle aus der Seilschaft,

ich wünsche Dir Sandra, ein ganz wohltuenden Urlaub, in dem du die Seele baumeln lassen kannst, relaxen und den ganzen Alltag mal ruhen lassen kannst!!
Vielleicht erzählst Du später mal wie der erste Urlaub ohne Deinen Schatz war!!
Interessiert mich wirklich da ich in einigen Monaten auch einen längeren Urlaub machen werde, und will (aber allein)!! Ich werde den Ulaub machen den wir schön länger geplant haben und nun nicht mehr geschafft haben, ich hoffe ich habe die Kraft dazu!!

Liebe Simone, das Wochenende war bei mir auch sehr ruhig aber ich bin, diesmal nicht in ein tiefes Loch gefallen nach dem doch so gruseligen Freitag,ging es mir doch recht gut(hätte ich nicht erwartet)!!
Ich fand auch Deine Botschaft vom Sofa gut, da ich mir daran ein Beispiel nehmen möchte- So nach dem Motto:"man muss es selbst in die Hand nehmen!" Da hilft einem niemand raus!!

Ich versuche gerade eine andere Perspektive auf meine jetzige Situation zu bekommen, fällt mir aber noch sehr schwer!!

Liebe Grüsse und ganz viel Kraft, Kati

[Anemone]

Hallo Kati,
hier bin mal wieder ich - Anemone. Bin heute nicht so gut drauf und habe ein bißchen hier herumgelesen. Du schreibst, dass du demnächst zum ersten Mal alleine Urlaub machen willst.
Seit mein Schatz nicht mehr bei mir ist (7 Monate) war ich schon sechs Mal auf Reisen.
Es waren - abgesehen von einer zweiwöchigen "Mini-Kur" alles nur einwöchige Urlaube. Vielleicht auch Fluchten?? Ich weiß es nicht. Hat mir auf jeden Fall gut getan. Eine meiner Reisen ging nach Madeira (eigentlich wollten wir diese gemeinsam machen). Es war einfach traumhaft dort, die Tage waren angefüllt mit Ausflügen, Besichtigungen usw. Anschließend faulenzen, lesen, träumen auf meinem Sonnenbalkon mit Blick aufs Meer - einfach hinreißend schön!
Aber abends fühlte ich mich elend einsam und total verzweifelt. Mein Schatz hat mir sooo gefehlt. Ihm hätte das dort alles bestimmt auch gut gefallen.
Auf allen meine "Allein-Reisen" fehlte mir einfach diese gemeinsame Freude, die wir immer hatten. Zwei Mal war ich mit Freunden unterwegs, mit denen wir früher auch schon gemeinsam verreisten - mein Schatz hat uns ALLEN schrecklich gefehlt, sein Humor, sein Lachen, seine Fröhlichkeit.
Auch das Heimkommen nach einer Reise in dieses schrecklich leere Haus, war bei mir jedes Mal mit ziemlich heftigen Trauertier-Attacken verbunden!!
Aber ich denke, das muss man aushalten, vielleicht tut es ja irgendwann nicht mehr so schrecklich weh...
Bitte versteh mich nicht falsch, ich möchte dir gewiss keine Angst vor deinem Urlaub machen - im Gegenteil - ich denke, dass es ganz wichtig ist, diesen Schritt zu tun. Es ist sicher ein kleiner, aber wichtiger Schritt in das neue Leben, das wir uns "zurechtzimmern" müssen. Unsere Lieben hätten es bestimmt nicht gewollt, dass wir uns nur noch zu Hause verkriechen. Ich wünsche dir deshalb heute schon einen Urlaub, in dem du die Seele baumeln lassen und viel Kraft tanken kannst.

Hallo Simone,
wie sich die Bilder gleichen: Nach wochenlangem Zögern habe ich mich gestern endlich dazu durchgerungen, mein Wohnzimmer anders einzurichten (ich fühl mich irgendwie total verloren dort drin - riesengroße Couch, auf der wir früher gemeinsam herumfaulenzen konnten usw.) Ich will das jetzt alles ein bißchen kleiner. Vielleicht kann das ja einer von euch verstehen ?? - Freunde und Familie haben mich etwas befremdet angeschaut, als ich davon erzählte. Vielleicht fang ich ja auch schon zu spinnen an...
Egal - ich habe auf jeden Fall den Energieschub ausgenutzt, bin ins Möbelhaus gefahren und habe eine neue Couch erstanden - nach 41 Jahren der erste Möbelkauf allein! War schon traurig. Trotzdem ist es mir sogar gelungen, einen Preisnachlass herauszuhandeln, hätte ich mich früher nicht getraut. (Du weißt nie, was du kannst, bevor du es nicht tust...)

So, ihr Lieben, jetzt hab ich ein bißchen "gequasselt", entschuldigt, falls ich euch gelangweilt habe, aber es hat mir gut getan.
Ich wünsche allen noch einen guten Abend und grüße euch ganz lieb,
Anemone

[tharau]

Hallo, ihr Lieben !
Ich möchte auch mal kurz über meinen ersten Urlaub ohne Berthold erzählen.
Ich war an einem Urlaubsort, an dem wir noch nicht gemeinsam waren, hätte ich wahrscheinlich sonst nicht ausgehalten.
Es war eh schon so schwer. Er hat mir gefehlt, morgens, mittags, abends, so wie hier auch. Durch die Kinder war ich ziemlich beschäftigt, sie brauchen ja auch ihren Teil Aufmerksamkeit. Sie sollten doch Spaß am Urlaub haben.
Und dann bin ich allein ins Meer hinausgeschwommen, ganz weit, hab geweint, bis ich nichts mehr sehen konnte. Wäre am Liebsten gar nicht mehr zurück. Es ging vorbei.
In vielen Situationen habe ich gedacht:"Jetzt hätte er dies oder das gesagt." Die Kinder sprachen es auch aus.
Abends war da ein Stern, jeden Abend nur der eine. Das muß Berthold gewesen sein, ich hab mit ihm gesprochen.

So schlimm sich das alles auch anhört -oder liest- es war gut, daß wir im Urlaub waren. Vielleicht muß man einfach auch mal raus, um zu merken, daß man immer noch am Leben teilhat.

Ich hoffe, ich habe nicht zu wirr geschrieben, bin heute ein bißchen bedrückt.

Liebe Grüße euch allen
Ulrike