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  #1  
Alt 08.07.2010, 11:01
Benutzerbild von meliur
meliur meliur ist offline
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Standard AW: Alltag nach der Darm-OP

Gestern war wieder so ein heißer, schöner Sommertag. Die Luft roch so nach Trockenheit und Sommer, der Geruch von heißem Asphalt, einer Schwade frisch gemähtem Rasen aus einem Hinterhofgarten, das viele Leben draußen, summer in the city... Wieder WM. Wieder hoffnungsvolle Feierstimmung in den Straßen, vorweggenommene Siegespartys. Wieder viele Deutschland-Flaggen, noch mehr davon diesmal an den Autos und Balkonen. Wieder Halbfinale. Wieder hat Deutschland verloren.
Genau so wars vor 4 Jahren, als ich von der Koloskopie zurückkam, ziemlich benommen, wegen des Propofols, mit dem ich weggebeamt worden war, wegen des leeren Magens und der Abführerei davor, wegen der Hitze, vor allem aber wegen der Diagnose. Damals wars der 4. Juli und Deutschlands Gegner war Italien... Es war alles wie im Film. So unwirklich. Ich wusste gar nicht, ob das geht, jetzt einfach normal weitermachen, zu der Verabredung mit den Freunden gehn, um das Spiel mit ihnen anzuschauen. Andererseits, was hätte ich sonst machen sollen? Alleine rumsitzen und das stundenlang nicht kapieren? Alles war plötzlich aus den Fugen, auf den Kopf gestellt, und die Welt um mich rum war doch so normal geblieben. Das irritierte GEfühl angesichts dieses Gegensatzes werde ich nicht mehr vergessen...

Wenn ich aber an manche Horrorszenarien denke, die sich kurz nach der Diagnose vor meinem inneren Auge abspielten, dann kann ich nur dankbar sein, wie gut bisher alles gelaufen ist. Kein Stoma, keine Inkontinenz, keine Arbeitsunfähigkeit. Ich geh wieder, wenn auch noch immer bzw. wieder etwas reduzierter, meinem Job nach, mit Freude; ich habe einen fast völlig normalen Alltag. Auch wenn eigene Kinder wohl ein Traum bleiben, habe ich momentan nicht mit Wechseljahren oder den dazugehörigen Beschwerden zu kämpfen. Keine Gewichtsprobleme. Ich kann SPort treiben wie früher. Ich kann in Urlab fahren, der nächste steht übrigens schon vor der Tür, fast 4 Wochen Türkei!!! Ich kann sogar quasi alles essen, was ich will (Hülsenfrüchte mochte ich noch nie so und die bereiteten mir schon immer Probleme...).

Und ich habe einige liebe Leute hier im Forum kennengelernt

Toll, oder?

meliur
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  #2  
Alt 08.07.2010, 11:12
Benutzerbild von hope38
hope38 hope38 ist offline
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Standard AW: Alltag nach der Darm-OP

Liebe Meliur!
Für diesen Beitrag knutsche ich Dich mal ganz fett.

Ja, ich habe am 04. Juli an Dich gedacht und Du hast wunderbar beschrieben, wie ent-rückt einem alles vorkam, wie schwer die eigenen Schritte in der jetzt so fremden Welt, nicht wahr? Ich kann mich, wenn ich mich an meinen D-Day erinnere, auch ziemlich genau gefühlsmäßig entsinnen, was da abging. Es war nur Leere. Ein ganz ganz furchtbares und Furcht machendes Gefühl. Bei mir hat es lange gedauert, bis sich wieder ein Hoffnungspflänzchen traute, sich zu verwurzeln. Alles war neu und unangenehm.
Ich habe ja anders meinen Weg gewuppt, nämlich mit Stoma (und das sehr gut) und leide auch jetzt unter Ernährungsproblemen, die mich meistens nicht zu sehr stören, aber manchmal wie ein Spiegel sind, der mir deutlich zeigt, daß ich in einer anderen Welt lebe mit den Nachwirkungen, den Schatten der Krebserkrankung.

Aber auch ich kann heute, nach 4 Jahren, sagen: Das Leben ist schön!

Und auch ich habe viele liebe und mir wertvolle Menschen kennengelernt. Du gehörst dazu)))))

Dein Leenchen
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am 02.05.2006 Rektum-Ca-Diagnose, Chemo+Bestrahlung, OP im August 2006, danach von 11/06 bis 02/07 adjuvante Chemo, Anlage eines Ileostomas, Rückverlegung in 01/09

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  #3  
Alt 08.07.2010, 13:19
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Jutta Jutta ist offline
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Standard AW: Alltag nach der Darm-OP

Ihr Lieben,

es tut mir richtig gut und freut mich ungemein, von manchen von Euch so den Weg mitzuverfolgen ...

Da gab es einmal so ein richtig tiefes Loch, die Ufer schienen unerreichbar. Dann kommt da so eine daher, und labert von den vielen kleinen unsichtbaren Stufen, welche wieder nach oben führen. Ich konnte so manchen Gedankengang, Stirne runzeln, Augenrollen aus der Ferne spüren , was labert sie denn daher. Der Eine oder Andere mußte ein paar mehr Steine aus dem Weg räumen, um wieder sagen zu können das Leben hat mich wieder. Auch wenn es eine etwas andere Lebenseinstellung dabei gab, welche das Lachen, die Freude wieder zuläßt! Der Alltag zog ein, manche Routine kommt wieder. Das Umfeld hat sich verändert, etwas gelichtet, manche Richtungen zur Überraschung verdichtet.

Manche von Euch haben mit Nach"wehen" zu kämpfen, die aber auch mit der Routine des Alltags immer mehr in den Hintergrund treten werden. Verlangt eben noch etwas mehr Geduld, ein Ding, das so nach allem Überstandenen nicht gerne als weiterer erinnernder Wegbegleiter angesehen wird. Aber auch das legt sich ... , frau gewöhnt sich an so vieles, was vorher undenklich erschien.
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Jutta
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  #4  
Alt 08.07.2010, 20:30
Benutzerbild von hope38
hope38 hope38 ist offline
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Ort: norddeutschland
Beiträge: 2.079
Standard AW: Alltag nach der Darm-OP

Liebe Jutta!!!

Jaa, Deine Stufen, die waren und sind mir soooo wichtige Bilder geworden, dafür werde ich Dir ewig dankbar sein- das hast Du nun davon Du bist mir eine sehr wichtige Stütze auf meinem "Gänseblümchenweg"

Knutschi,
Dein Leenchen
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am 02.05.2006 Rektum-Ca-Diagnose, Chemo+Bestrahlung, OP im August 2006, danach von 11/06 bis 02/07 adjuvante Chemo, Anlage eines Ileostomas, Rückverlegung in 01/09

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  #5  
Alt 08.07.2010, 21:30
eda.2653589 eda.2653589 ist offline
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Beiträge: 34
Standard AW: Alltag nach der Darm-OP

ich kann von mir nicht behaupten, daß das Leben nach dem Krebs ungefähr
wie das Leben vor dem Krebs sei - das ist überhaupt nicht der Fall.

Der Krebs (T3 N1 + Lebermetastasen) hat mein Leben grundlegend verändert, im Guten und im Schlechten.

Auf der einen Seite:

Meine damals in den Anfängen stehende Karriere hat der Krebs runiert.
Die wenigen Freundschaften aus der Zeit sind weg - "Schönwetter-Freunde".

Außerdem muß ich seit der Hemikolektomie mehr planen als früher.
Nicht so schlimm, längst dran gewöhnt.

Auf der anderen Seite:

Gesundheitlich hat mich der Krebs vorwärts gebracht

Als ich zu Beginn der 1. Chemo als überzeugter Bewegungsmuffel zum ersten mal
probierte, ein paar Meter zu joggen (damals noch mit Metastasen),
kam ich 80 Meter weit, dann war Schluß
keine Luft mehr, Puls 180+, Sternchen vor den Augen
... damals Übergewicht 15 kg, Hb-Wert am Rande der
Bettlägerigkeit, 10 Medikamente gleichzeitig usw nie sportlich aktiv gewesen.

Die Krebsdiagnose machte mir unmißverständlich klar, daß es an der Zeit war,
neben den OPs und Chemos auch mal selbst etwas für die Gesundheit zu tun, und zwar sofort.

Inzwischen schaffe ich 44 km Dauerlauf ohne Pause,
(heißt: Fünf Jahre später, insgesamt 2.5 Jahre Lauftraining)
und habe auch ein bisschen in anderen Sportarten experimentiert
(Radfahren, Langstreckenschwimmen)

Der Krebs hat mir zwei Tauschgeschäfte aufgezwungen:
Karriere gegen Leben und Bequemlichkeit gegen Gesundheit.
Ob das ein gutes Geschäft war, darüber denke ich gelegentlich noch immer nach


Geändert von eda.2653589 (08.07.2010 um 22:01 Uhr)
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  #6  
Alt 09.07.2010, 08:14
Benutzerbild von teddy.65
teddy.65 teddy.65 ist offline
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Standard AW: Alltag nach der Darm-OP

Hallo ihr Lieben,

meliur, dein Posting hat mich wirklich berührt. Wie sehr haben wir das auch alles gefühlt, das du beschreibt. Die Welt dreht sich weiter, während wir den Boden unter den Füßen verloren. Puh, das waren schlimme Tage .

Für dich ist vieles wieder "normal" geworden. Vieles hast du in deinen Alltag integriert und lässt dich davon nicht unterkriegen. Im Gegenteil, du siehst das was du behalten hast sehr deutlich und lebst das sehr bewusst. Dafür ich dich mal.

Leena, Jutta, Bobby und natürlich auch du, liebe meliur ...euch möchte ich nicht mehr missen, denn der Austausch mit euch ist mir in den vergangen Jahren oft eine Stütze gewesen und ich hoffe das wird immer mal wieder so sein. Natürlich ohne neue Katastrophen!!!

Liebe Jutta , ich nehme dich nun einfach mal wörtlich und vertraue darauf, dass so manches im Laufe der kommenden Jahre noch mehr in den Hintergrund rücken wird und uns in unserem Alltag immer weniger bestimmen wird. Bei vielen Kleinigkeiten merke ich es schon.

Ja, das Leben ist schön ..... an Leena
Wenn auch etwas anstrengender als vorher, so ist es dennoch schön und lebenswert.
__________________
glg
Sabine

Rektum CA Nov. 2004, OP im Feb. 2005 mit Anlage eines endständigen Colostomas, Chemo bis Sept. 2005. Es geht mir gut
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  #7  
Alt 10.08.2010, 00:47
Benutzerbild von meliur
meliur meliur ist offline
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Beiträge: 875
Standard AW: Alltag nach der Darm-OP

Hallo zusammen,

heute möchte ich mich nur kurz in den Urlaub verabschieden: Die Türkei winkt!
Meine Kolo musste ich dummerweise erneut verschieben, sie findet jetzt eben erst nach dem Urlaub in der 2. Septemberwoche statt und ich habe beschlossen, so lange alle unguten Gedanken auch in die hinterste Ecke zu schieben. Die zwei Fläschchen Fleet warten schon auf meinem Schreibtisch - gut, dass ich den die nächsten dreieinhalb Wochen gar nicht sehe!

Euch allen, so Ihr überhaupt noch hier seid, einen schönen August! Und erholt Euch, genießt die Sonne, habt es gut.

Bis zum September wieder - erholt und gebräunt hoffentlich!

Alles Liebe,
meliur
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