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  #1  
Alt 11.03.2013, 22:38
Alou Alou ist offline
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Registriert seit: 11.03.2013
Beiträge: 1
Standard Nicht meine Mama!

Man kann nicht sagen, dass es harmlos anfing. Meine Mutter ist im letzten Jahr 50 Jahre alt geworden, ein großes Fest und viele Geschenke und auch ein kleiner Abscheid. Schließlich würde ich demnächst in einer anderen Stadt wohnen, studieren und einen neuen Lebensabschnitt beginnen. Meine Mutter ist also nach 30 Jahren mit Kindern im Haus (ich habe noch ältere Geschwister) wieder allein. Nicht allein, schließlich hat sie Freunde und vorallem eine Freundin, aber eben zu hause allein. Endlich hat sie Zeit für sich. Endlich kann sie mit der Arbeit runterfahren. Endlich, endlich, endlich!
Und dann wacht sie im Krankenhaus auf und kann nicht sprechen. Ist ganz lethargisch. Zwar erkennt sie meine Schwester, doch sagen kann sie nichts. Am nächsten Tag ist es schon besser. Zwar darf man nicht schnell mit ihr reden, aber sie versteht und antwortet. Der Tag darauf ist fast so, als hätte sie den epileptischen Anfall gar nicht gehabt.
Epileptischer Anfall. Es ist schon ein gutes Stück, sich das Vorzustellen. Vor vielen Menschen bekommt man auf einmal einen solchen Anfall. Wenigstens war sie dabei nicht im Auto. Sie fuhr nämlich sehr oft. Die Ärzte machen alles. MRT, CT, Röntgenaufnahmen usw. Alles Begriffe mit denen ich nur, dank meiner langjährigen Freundschaft mit dem Ärzteteam des Seattle Grace Mercy West Hospitals, etwas anzufangen weiß.
Nichts wird entdeckt. Kommt mir spanisch vor, aber das Leben geht nun mal weiter. Es war ein harter Novemberanfang.
Mitte Dezember sehe ich Mama das erste Mal wieder und bin geschockt. Sie ist abgemagert. Mir wird gesagt, dass das an der Nebenwirkung Appetitlosigkeit der Epilepsietabletten liegt. Aha.
Meine Mutter sieht also trotz Daunenjacke aus, wie ein Hungerhaken.
Weihnachten wird zur Qual.
Mama weint ganz schrecklich viel und gleichzeitig ist ihr alles egal. Sie macht sich so viele Gedanken.
Die schlimmsten Szenarien bauen sich in meinem Kopf auf.
Zu Silvester ist die ganze Großfamilie zusammen Skifahren. Super Sache.
Mama hält sich aus allem raus, ist schnell kaputt, redet kaum, weint viel, macht mir Angst.
Oft gehe ich zu ihr, nehm sie in den Arm, sage ihr, dass das so aber nicht geht und dass ich sie lieb habe.
Kurz nach dem Urlaub landet Mama im Krankenhaus. Immer gegen Nachmittag hat sie Sprachstörungen. Scheinbar auch Konzentrationsstörungen. Einmal hatte sie mich angerufen und ich bin beinahe in Panik ausgebrochen, weil ich dachte, sie hat noch einen Anfall.
Ach wäre es doch nur der Anfall gewesen... Ihre Partnerin bringt sie ins Krankenhaus. Ein CT, ein MRT, all der ganze Kack nochmal. Mama ist genervt, man kann sie tatsächlich nicht als beste Patientin bezeichnen.
Tumor, heißt es. Operation übermorgen. Alles klar.
Größe des Tumors? 4 cm Durchmesser. Alles klar.
Trotz fehlender Biopsie ist uns allen klar, dass es Krebs sein muss.
Eine Weile später steht fest: Glioblastom multiforme Grad 4. Okay. Und jetzt nochmal zum Mitschreiben, bitte. Bitte was?! Meine Mama hat Krebs?!
Zwei Wochen später bin ich mit meiner Schwester bei ihr am Kochen. Ich erzähle ihr, dass ich noch nicht weinen kann und dass Mama so unglaublich viel weint. Sie fragt mich, ob das denn verwunderlich sei, wenn man sich mit der eigenen Beerdigung auseinandersetzen muss. Ich schlucke.
Der Satz danach haut mich um: "Du weißt aber schon, dass die Ärzte sagen, Weihnachten sei eine optimistische Diagnose?"
Und weg.
Nicht mal mehr ein Jahr.
Ich weiß ganz genau, dass man sich nicht komplett auf eine solche Diagnose einschießen soll, aber einmal im Kopf und das Kopfkino beginnt.
Ich beschließe dennoch umzuziehen und mein Studium nicht abzubrechen. Das würde meine Mutter nicht wollen. Nicht mit einer Faser ihres Herzens.

Jetzt gerade befinden wir uns in der gekoppelten Therapie aus Chemo und Bestrahlung. Seit ca. 1 1/2 Wochen fallen ihr die Haare raus. Ich sage ihr, dass man es noch nicht sieht. Tut man auch nicht. Noch ist das Deckhaar ausreichend.
Sie streitet viel und redet viel. Sie klärt Geschichten von früher auf, ist dickköpfig. Zum einen klingt das danach, sich selbst gefunden zu haben, zum anderen danach, aufzuräumen, um bereit zu sein.
Ihr Unterbewusstsein gaukelt ihr aber was vor. Sie redet davon, dass sie bald noch eine Weiterbildung machen will usw. Ich kann nichts dagegen sagen. Niemand hat ihr nicht gesagt, dass sie sterben wird, aber ihr Körper hat sich den Weg gesucht, solange damit so gut zu leben, wie er kann. Okay! Go for it! Aber was sie sagt und was ich denke und weiß... da liegen Welten zwischen. Und das abartigste: Sie ist meine engste Vertraute und mit ihr soll ich über das belastenste, was ich je erlebt habe, nicht reden können?

Ich selbst habe mich noch nicht in Gänze mit der Krankheit auseinandergesetzt. Und wenn, lese ich liebe Einzelschicksale, als Statistiken. Keine Ahnung, ob ich damit richitg umgehe. Ich weiß nur, dass ein Teil von mir einfach nur traurig sein will und weinen will und der andere Teil tough, bewusst und gut vorbereitet sein muss. Ich fühle mich wie in einer Zwickmühle.
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  #2  
Alt 12.03.2013, 09:07
ela264 ela264 ist offline
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Registriert seit: 11.03.2013
Beiträge: 15
Standard AW: Nicht meine Mama!

Es tut mir leid, das ihr das auch durchmachen müsst.
Meine Mama ist auch krank und die Ärzte haben ihr im Oktober noch 2 Jahre gegeben.... zur Zeit siehts schlecht aus.
Es ist einfach alles sch.....!
Ich weiß wie du dich fühlst und ich drück dich mal wenn ich darf.
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  #3  
Alt 18.03.2013, 23:22
Nale26 Nale26 ist offline
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Registriert seit: 17.03.2013
Beiträge: 7
Standard AW: Nicht meine Mama!

Hi Alou,
ich finde, du verhälst dich genau richtig. sei für deine mama da, aber gib dich selbst nicht auf. und wenn du das gefühl hast, dass es dir nicht hilft, die ganzen statistiken zu lesen, dann lass es. man kann bei krebs sowieso nie sagen, wie es laufen wird. jeder mensch ist anders und hat seine ganz eigene geschichte. mir hilft es, wenn ich lese, dass andere es schaffen damit umzugehen. dann kann ich das auch, sag ich mir dann.
meine mutter hat lungenkrebs stadium IV mit Gehirnmetastasen. wir wissen auch noch nicht, wie lange sie noch hat, aber hoffen immer darauf, dass wir die große ausnahme sind und das sie noch viele jahre hat. wer weiß, was für neue behandlungsmöglichkeiten noch kommen. also nur nicht aufgeben und jeden guten moment genießen.

ich wünsche dir viel kraft und alles glück der welt für deine mutti,
lg nale
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